# taz.de -- Star Wars „Die letzten Jedi“: Wenn das Alte stirbt | |
> Die neue Episode erweitert den Kampf zwischen Gut und Böse zum | |
> verwickelten Familienkonflikt. Gegen zu viel Pathos gibt es Selbstironie | |
> – dosiert. | |
Bild: Willkommen? Rey (Daisy Rider) zu Besuch bei Luke Skywalker (nicht im Bild) | |
Beim Übersetzen geht ja fast immer etwas verloren. Im Original der neuen | |
Star-Wars-Episode, man zählt inzwischen Nummer acht, heißt der Titel noch | |
elegant mehrdeutig „The Last Jedi“. Und lässt damit offen, ob einzig und | |
allein „der letzte Jedi“, genauer Luke Skywalker, gemeint ist. Der deutsche | |
Verleihtitel hingegen schafft rücksichtslos Klarheit: Es geht um mehr als | |
nur ihn, nämlich um „die letzten Jedi“, diese laserschwertführenden Ritte… | |
die im Zeichen der Macht aktuell antreten, den Widerstand gegen die | |
Weltall-Unterdrücker der imperialen „Ersten Ordnung“ zu unterstützen. Oder | |
auch nicht. | |
Kurze Rekapitulation: Im vorangegangenen Teil „[1][Das Erwachen der Macht]“ | |
von 2015 war Rey, die junge Hoffnung des Widerstands, gegeben von der heute | |
25-jährigen britischen Schauspielerin Daisy Ridley, am Ende des Films auf | |
einer hochgradig verlassen wirkenden Felseninsel in irgendeinem hinteren | |
Winkel der Galaxie gelandet, um dort auf Luke Skywalker zu treffen. Man sah | |
ihn, den mittlerweile etwas zerknautschten Mark Hamill, bloß kurz im Bild. | |
Klar war aber: Er hat noch eine Aufgabe zu erledigen. | |
Zu tun gibt es genug: In Episode acht, bei der diesmal der US-Amerikaner | |
Rian Johnson Regie geführt hat, sind die Rebellen des Widerstands unter | |
General Leia Organa (würdevoll: [2][Carrie Fisher] in ihrer letzten Rolle) | |
wieder einmal zuverlässig in Bedrängnis. Die Erste Ordnung unter ihrem | |
unansehnlichen Obersten Anführer Snoke (kunstvoll deformiert: Andy Serkis) | |
will mit der aufsässigen Neuen Republik endgültig Schluss machen und | |
schickt Zerstörer, um die Raumflotte des Widerstands endgültig zu zerlegen. | |
Für beherztes Lasergeballer ist daher reichlich gesorgt, ebenso für | |
dynamische Kampfszenen mit unüblichen Flugmanövern. | |
## Beschauliches Inselleben | |
Schon bald stecken die Rebellen in der Klemme. Was, wie in solchen Fällen | |
üblich, ein halsbrecherisches Rettungsmanöver erforderlich macht. Diese | |
Aufgabe übernimmt Finn (angenehm verstört: John Boyega), ein ehemaliger | |
Sturmtruppler, der sich dem Widerstand angeschlossen hat, gemeinsam mit der | |
Rebellen-Maschinistin Rose Tico (Kelly Marie Tran als entwaffnend resoluter | |
Neuzugang), was eine zusätzliche Nebenhandlung auf einem hübsch-korrupten | |
Planeten eröffnet, in der die obligatorische Barszene mit einer eleganten | |
Inszenierungsidee variiert wird. | |
Im Mittelpunkt steht allerdings die Begegnung von Luke Skywalker und der | |
nachnamenlosen Rey. Diese will etwas von Luke, dem er sich verweigert: Noch | |
einmal zurück in den Kampf, als Jedi den Widerstand unterstützen. Er hat | |
seine Gründe. Optisch liefert dieser Handlungsstrang einige der | |
beglückendsten Szenen des Films, mit einer Vielzahl von liebevoll | |
gestalteten Gimmicks. | |
So herrscht auf Lukes Insel noch der schroff-anheimelnde Zauber des | |
Urtümlichen. Die Eingeborenen sind reptilienartige Wesen in | |
Nonnengewändern, dienstbare „Pfleger“, denen die Unordnung, die Rey mit | |
sich bringt, deutlich zu schaffen macht. Man haust in igluförmigen | |
Steinhäuschen, die an die weltkulturerbegeschützten Trulli in Apulien | |
denken lassen. Zur Fauna gehören putzige Eulen, Porgs genannt, mit | |
kindchenschemagemäßen Kulleraugen und gutmütige Riesenviecher, die sogar | |
Milch geben. Kein Wunder, dass Luke da nicht so schnell wieder wegwill. | |
## Zwischen Neugier und Angst | |
Daisy Ridley, die schon in Episode sieben die Hauptrolle spielte, kann | |
ihrer Figur neben der nötigen Entschlossenheit diesmal einige Facetten | |
hinzufügen. Rey changiert immer wieder zwischen Neugier und Angst, entdeckt | |
an sich Seiten, die sie gar nicht kennenlernen wollte. Wie es allen ergeht, | |
die sich in die Nähe der Macht der Jedi begeben. Und in einer visuell wie | |
akustisch höchst erfindungsreichen Szene kann sie sich selbst in ihrer | |
eigenen „Echokammer“ bespiegeln. | |
Das „Böse“, das bei Star Wars oft in ambivalenter Gestalt in Erscheinung | |
tritt, verkörpert neben dem bitterbösen Snoke weiterhin Kylo Ren, im | |
Star-Wars-Figurenreigen der designierte Nachfolger Darth Vaders bis hin zur | |
Maske, die er trägt. Adam Driver zeigt als Kylo Ren im Unterschied zu Darth | |
Vader jedoch deutlich mehr Gesicht. Und Kylo Ren will seinen Einfluss auf | |
den Widerstand nicht bloß mit Waffengewalt geltend machen. Auch hier soll | |
nicht zu viel verraten werden. So viel bloß sei gesagt: Er denkt bei | |
Machtfragen in größeren Zusammenhängen. | |
Dass Adam Driver nicht so richtig böse auftritt, sondern eher als ein | |
Getriebener, den Trauer und Enttäuschung antreiben, macht seine Figur | |
einerseits interessant, andererseits irritiert der fehlende finstere Zug an | |
ihm. Kylo Ren wirkt wie ein großer Junge, der trotzig auf seiner Auflehnung | |
gegen die Elterngeneration besteht: Mit seinem Laserschwert ermordete er in | |
Episode sieben seinen eigenen Vater Han Solo, womit nicht nur Harrison Ford | |
als Darsteller aus dem Rennen ist, sondern auch das Saga-interne | |
Familiendrama in eine neue Richtung gedreht wurde. | |
## Die Brückenfunktion | |
„Lass das Alte sterben“, lautet Kylo Rens wiederkehrendes Mantra. Das Neue, | |
für das steht er vor allem selbst. Doch seine Figur und die gesamte | |
Handlung demonstrieren in so ziemlich jeder neuen Wendung, die die | |
Geschichte nimmt, dass man im Star-Wars-Kosmos das Alte zum Weiterleben so | |
nötig hat wie Vampire das Blut von Menschen. | |
Selbst Rey, deutet der Film an, spielt eine spezifische Rolle in diesem | |
verschränkten Familiennetzwerk – zur Erinnerung: Leia Organa und Luke | |
Skywalker sind die Kinder von Darth Vader alias Anakin Skywalker. Aller | |
Wahrscheinlichkeit erfährt man im nächsten Teil, wie die | |
Verwandtschaftsverhältnisse bei Rey geregelt sind. Variation eines | |
bekannten Star-Wars-Motivs. Fast so vertraut wie die nach wie vor | |
leitmotivisch arbeitende Filmmusik des zum festen Inventar zählenden | |
Komponisten John Williams. | |
Ansonsten übernimmt „Die letzten Jedi“ in vielerlei Hinsicht eine sehr | |
ähnliche Brückenfunktion wie einst „Das Imperium schlägt zurück“ von 19… | |
der zweite Teil der ursprünglichen Trilogie. Wieder gilt es, für | |
Jedi-Nachwuchs zu sorgen. Und selbst bei den Orten des Geschehens kommt es | |
zu einem Wiedersehen. Wobei die Handlung mitunter etwas auf der Stelle | |
tritt. Gerade in den eigentlich zentralen Szenen auf der Insel, allen | |
reizvollen Einfällen zum Trotz. | |
## Die Jedi sind nicht am Ende | |
Als dramaturgisches Hilfsmittel setzt Rian Johnson auf behutsam dosierte | |
Selbstironie. Was sich auch bei den unzähligen Rückverweisen auf die | |
klassische Vorgeschichte als nützlich erweist. Besonders bei der Einführung | |
von Gaststars wie Laura Dern oder Benicio del Toro gelingen Johnson ein | |
paar Überraschungen mit echter Situationskomik. In den Dialogen ist es | |
dafür manchmal ein bisschen viel des Insider-affinen Augenzwinkerns. Mehr | |
davon sollte in Zukunft besser nicht sein, selbst wenn es sich bei den | |
Sachzwängen, die so ein Unternehmen den Regisseuren auferlegt, schwierig | |
gestalten mag. | |
Die Jedi sind in diesem Film jedenfalls noch nicht am Ende. Ihre | |
übermenschlichen Fähigkeiten, die sie dank der Aneignung der „Macht“ habe… | |
erläutert diesmal der abgeklärte Luke Skywalker: „Bei der Macht geht es | |
nicht darum, Steine hochzuheben“, wird er in seiner Eigenschaft als | |
Jedi-Lehrmeister sagen. Eine hilfreiche Lektion, wie sich später | |
herausstellt. | |
13 Dec 2017 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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