# taz.de -- „Chaos im Netz“ von Disney im Kino: Spamly ist kein guter Typ | |
> Wie stellt man das Internet in einem Disney-Film dar? Darauf findet | |
> „Chaos im Netz“ überraschend vielsagende und witzige Antworten. | |
Bild: Was ist denn da los? Ausschnitt aus dem Film | |
Schon die Zusammenfassung des ersten Films, des animierten | |
Überraschungshits von 2012, „Ralph reichts“, las sich eher wie eine | |
komplexe Gesellschaftssatire denn wie „Spaß für die ganze Familie“. Ein | |
Bösewicht-Darsteller, der titelgebende „Randale-Ralph“, hatte es darin | |
satt, von der Gemeinschaft der Spielfiguren in seinem Zuhause, einem jener | |
„Arcade“ genannten amerikanischen Spielsalons, ausgegrenzt zu werden. | |
Hilfe suchte er unter anderen bei den „Anonymen Bösewichten“ und in einem | |
Ego-Shooter-Spiel namens „Hero’s Duty“, in dem er sich als Held bewähren | |
wollte. Über viele Turbulenzen hinweg traf er auf eine junge Rennfahrerin | |
namens Vanellope, die sich ihrerseits in ihrem „Kart-Racer“-Spiel wie nicht | |
richtig programmiert fühlte. Das Spiel hieß „Sugar-Rush“ und seine | |
Landschaften bestanden aus lauter Süßigkeiten, aus Schokoladenseen und | |
Menthos-Bergen. | |
Was man an „Ralph reichts“ auch als Erwachsener bewundern konnte, war die | |
mutige Verknüpfung von Metaphern und Spielefantasie. Einerseits | |
funktionierte der Film bestens als Kinderunterhaltung mit Klamauk und | |
lustigen Figuren, andererseits schmeichelte er den Erwachsenen mit seiner | |
Verflechtung von aktuellen Anspielungen, Kulturkritik und Nostalgie. | |
Während er mit „Randale-Ralph“ und seinen Freunden die üblichen | |
popkulturellen Helden- und Antihelden-Bilder ironisierte, lieferte er mit | |
den Bezügen zu den alten „Arcade“-Games einen sentimentalen Abgesang auf | |
eine untergehende Spielkultur. | |
Nach den Gesetzen von Disneyland markiert ein Kassenerfolg zugleich den | |
Beginn eines neuen Franchise. Weshalb nun „Chaos im Netz“ sechs Jahre nach | |
der Handlung von „Ralph reichts“ einsetzt. Da sitzt Ralph an der Seite | |
seiner besten Kumpelin Vanellope (ihre Beziehung ist dermaßen | |
entsexualisiert, dass es schon fast wieder misstrauisch macht) entspannt in | |
seiner Arcade: Tagsüber in seinem Zerstörerspiel arbeiten, nachts mit | |
Vanellope rumhängen – der simpel gestrickte Ralph fühlt sich pudelwohl. | |
Dann wird die Arcade ans Internet angeschlossen und alles wird anders. | |
Was ist eigentlich das Internet und wie stellt man es in einem Disney-Film | |
dar? Darauf findet „Chaos im Netz“ überraschend vielsagende und witzige | |
Antworten. Mit schwebenden Fahrstraßen, neonfarbigen Häuserschluchten und | |
viel Gewimmel gleicht es auf den ersten Blick den Science-Fiction-Städten | |
aus Filmen wie „Blade Runner“ oder „Das fünfte Element“. Nur dass es im | |
animierten Disney-Internet eine Art Rezeption gibt, wo ein netter | |
bebrillter Herrn namens „KnowsMore“ als leibhaftiges Google-Avatar Auskunft | |
gibt. | |
Vanellope und Ralph suchen nach Ersatz für ein beschädigtes Lenkrad aus | |
Vanellopes „Sugar Rush“-Game. „KnowsMore“ weist ihnen den Weg zu Ebay, … | |
die beiden Arcade-Figuren, die keinen Begriff von Geld haben, sich in einer | |
hektischen Auktion völlig überbieten und dann vor die unmögliche Aufgabe | |
gestellt sehen, auf die Schnelle 30.000 Dollar verdienen zu müssen. Was sie | |
zur Entdeckung der sozialen Medien und ihren raffinierten | |
Monetarisierungsstrategien führt, in denen sich „Herzen“ in bare Münze | |
umwandeln lassen. | |
## Konferenz der Disney-Prinzessinnen | |
Leider geht „Chaos im Netz“ nicht so weit, auch für das Datensammeln und | |
das daraus generierte „Targeted Advertising“ eine schlüssige Inszenierung | |
in Form von Avataren und Animationen zu finden. Aber vielleicht kommt das | |
ja dann im dritten Teil des Franchise. Der Einfall, die aufdringliche | |
Werbung im Netz als „Curry-Schlepper“ darzustellen, die hemmungslos | |
Passanten anquatschen mit „klick-ködrigen“ Listen oder Katzen-Videos, läs… | |
in dieser Hinsicht schon mal hoffen. | |
Wie überhaupt die Übersetzung von Internetkritik in handelnde Figuren und | |
bildlichen Witz ein weiteres Mal überzeugt. Ralph und Vanellope lassen sich | |
von einem schleimigen Typens namens „Spamly“ und seinem Versprechen auf | |
„Reich werden durch Videospielen“ bewerben und folgen ihm schließlich zu | |
seiner „Webseite“, die sich als schlecht aufgeräumte Absteige entpuppt, in | |
der sich Viren tummeln. | |
Aber nicht nur Internetkritik bringen die Macher in „Chaos im Netz“ unter, | |
es gibt auch eine Hommage an die verspielte Düsternis der „Grand Theft | |
Auto“-Game-Reihe, die hier eine zeitgeistige taffe weibliche Heldin | |
bekommt. Die köstlichste dieser Popkultur-Parodien aber ist ein Stück | |
Disney-Selbstkritik: Vanellope findet sich an einer Stelle unversehens in | |
einer Art Konferenz der Disney-Prinzessinnen von Schneewittchen über | |
Cinderella bis zu Elsa und Merida wieder. | |
Die holden Schönheiten beneiden Vanellope prompt um ihre bequeme | |
Freizeitkleidung und klagen ansonsten darüber, dass man ihre | |
Handlungskompetenz zu oft durch männliche Rettergestalten einschränkt. Ja, | |
„Chaos im Netz“ steckt voller Überraschungen. Auch die schlussendliche | |
Botschaft – denn jeder Disney-Film, egal wie meta, läuft immer noch auf | |
eine Schulung des Herzens hinaus – verblüfft in ihrer Andersartigkeit: Man | |
muss Freunde ziehen lassen können, lautet die kaum mehr kindliche Lektion. | |
24 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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