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# taz.de -- Animationsfilm „Big Fish & Begonia“: Wiedergeburt als Delfin
> Der chinesische Kinoerfolg „Big Fish & Begonia“ entwirft fantastische
> Bildwelten. Er ist ein kleines Wunder des unabhängigen Animationsfilms.
Bild: Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind: Szene aus „Big Fish &…
In einem mystischen Reich, bevölkert von menschenähnlichen Wesen, die die
menschlichen Seelen hüten und über die Gesetze der Natur wachen, lebt die
junge Chun. Jedes Jahr besuchen die Jugendlichen des mystischen Reichs im
„Ritus des Übergangs“ für eine Woche die Welt der Menschen, um die Welt
derjenigen, über die sie wachen, besser verstehen zu lernen. Als rote
Delfine erkunden sie die Menschenwelt, um danach für immer in ihre eigene
Welt zurückzukehren.
Während Chuns Zeit auf der Erde kreuzen sich ihre Wege wiederholt mit denen
eines Geschwisterpaar. Der ältere Bruder und seine junge Schwester leben
mit ihrem Hund in einem Haus auf einer Klippe. Auf dem Weg zu dem Strudel,
durch den die roten Delfine in die mystische Welt zurückkehren können,
verfängt sich Chun vor der Klippe in einem Netz. Der Bruder befreit sie mit
einem Messer aus dem Netz, ertrinkt dabei jedoch.
Mit Chuns Rückkehr in das mystische Reich voller Magie beginnt die
eigentliche Handlung des chinesischen Animationsfilms „Dayu haitang“ („Big
Fish & Begonia“) von Liang Xuan und Zhang Chun: Chun ist untröstlich, dass
der Junge ertrunken ist, als er sie gerettet hat. Sie sucht Rat bei ihren
Großeltern, die wie mit der Natur verschmolzen leben: Chuns Großmutter
thront als Vogel in einem Baum, der wallende Bart des Großvaters wird von
Vögeln geordnet.
Auf verschlungenen Wegen gelingt es Chun, eine Möglichkeit zu finden, den
Jungen wieder zum Leben zu erwecken. In einer Barke bringt ein schweigender
Bootsmann sie zu einer Insel, wo Chun die Seele des Jungen beim Hüter der
Seelen auslösen darf. Der Junge beginnt sein Leben wie alle Menschen als
Fisch (also eigentlich als Delfin, aber das sind Haarspaltereien, über die
der Film mit Anmut hinwegschreitet), mit dem Namen Kun.
## Beeindruckende Bildwelten
In der Geschichte der Wiederbelebung, der Welt des mystischen Reichs,
dessen Bewohnerinnen und Bewohner magische Kräfte haben, die Fabelwesen,
die über Leben und Tod wachen, entwickelt „Big Fish & Begonia“ eine bis ins
Detail hinein schier unglaubliche Fantasie, in die man sich als Zuschauer
nur zu gern entführen lässt.
Visuell machen Liang Xuan und Zhang Chun deutliche Anleihen bei der
Animation des japanischen Ghibli Studios, weben jedoch auch Elemente ein,
die charakteristisch sind für chinesische Animation. Das deutlichste
Beispiel ist die Technik der Tuschanimation, die den Effekt eines
Pinselstrichs mit Tusche in einer Wasserfläche imitiert. Die sich
allmählich ausbreitende Tusche wird bei Liang Xuan und Zhang Chun zu einem
pinken Tuch, das das Wasser in eine pinkfarbene Fläche verwandelt. Die
Animation schrammt bisweilen knapp am Gefälligen vorbei, überzeugt dann
aber doch immer wieder mit beeindruckenden Bildwelten.
Während Chun überglücklich ist, den Jungen wiederbelebt zu haben, häufen
sich die Anzeichen von Unglück: Der Regen schmeckt plötzlich salzig, und
die Flüsse steigen und steigen, und das Haus, in dem Chun und ihre Eltern
wohnen, wird zunehmend überwuchert. Die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner
des mystischen Reichs suchen nach der Quelle des Unglücks, nur der junge
Qiu und Chuns Großeltern halten zu ihr. Kun ist unterdessen zu einem
riesigen Einhorndelfin herangewachsen. Als schließlich eine Sintflut die
mystische Welt zu vernichten droht, beschließt Chun, mit Kun zu fliehen, um
ihn in die Menschenwelt zurückzubringen, wo er wieder Mensch werden würde.
## Visuell und narrativ originell
Für die Welt ihres Films haben Liang Xuan und Zhang Chun eine ganze Reihe
von Klassikern chinesischer Literatur ausgeschlachtet, allen voran den
„Klassiker der Berge und Meere“, eines der zentralen Werke chinesischer
Mythologie. Liang Xuan und Zhang Chun haben „Big Fish & Begonia“ in
langjähriger Arbeit realisiert. Nach einem Kurzfilm, den die beiden 2004
veröffentlichten, zog sich die Produktion des Langfilms über viele Jahre;
immer wieder wurde das Geld knapp und das Projekt schien vor dem Aus zu
stehen. Der fertige Film ist ein kleines Wunder des unabhängigen
Animationsfilms. In China wurde das Wagnis an den Kinokassen mehr als
belohnt und spielte 85 Millionen Dollar ein.
„Big Fish & Begonia“ belegt einmal mehr, dass die visuell aufregendsten
Animationsfilme nicht länger aus den USA kommen. Während Pixar nach der
Übernahme durch Disney weitgehend auf Fortsetzungen seiner ohnehin nur
mäßig originellen animierten Zivilisationsparaphrasen reduziert wurde,
entstehen in China und Japan visuell und narrativ originelle
Animationsfilme. „Big Fish & Begonia“ und Liu Jians Film „Einen schönen …
noch“, die beide dieser Tage in deutschen Kinos starten, sind da nur zwei
Beispiele.
Dass sich das japanische Ghibli-Studio nach dem zunächst verkündeten Aus
vor ein paar Jahren unterdessen selbst wiederbelebt hat und gleich mehrere
Filme in Produktion hat, legt die Latte weiterhin hoch. Zu hoffen ist vor
allem, dass die Kinos nicht zu sehr mit biedermeierlichen Superheldenfilmen
verstopft sind, um diese fantastischen Filme auch hierzulande zeigen zu
können.
2 Feb 2019
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Liang Xuan
Zhang Chun
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China
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Teheran
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