# taz.de -- Filmfestspiele in Venedig – Lidokino Teil 6: Gangster und weiße … | |
> Wegnicken gilt nicht, zweimal gibt es harten Stoff in Venedig: „Ammore e | |
> malavita“ der Brüder Manetti und Vivian Qus „Angels Wear White“. | |
Bild: Kann man über Mafia-Geschichten lachen? Sie können es schon – Marco (… | |
Jetzt beginnen sie wieder, diese Momente, bei denen man im Kino während der | |
Vorführung fast wegnickt und sekundenschlafbedingt plötzlich Bilder im Kopf | |
hat, von denen man nicht mehr sicher weiß, ob sie dem laufenden Film, einer | |
früheren Vorführung oder der eigenen Traumwelt entspringen. Einige, so | |
sieht man, nutzen gleich halbe Spielfilme für ihren Schönheitsschlaf. | |
Kein Traum ist dafür die Kombination von Camorra-Gewalt und Musical. | |
Möglich, die Brüder Marco und Antonio Manetti haben es mit dieser Mischung | |
sogar in den Wettbewerb geschafft. „Ammore e malavita“ nennt sich ihre | |
Liebeserklärung an Neapel, in der die Protagonisten, fast alle Camorristi, | |
in der schaurigschönen Manier des neapolitanischen Pop-Phänomens | |
„neomelodico“ ihre Wünsche und Nöte reflektieren. Im Grunde wie im Musica… | |
nur bevorzugt in völlig schmerzfreier Achtziger-Ästhetik dargeboten. | |
Die Geschichte ist klassisch. Ein Gangster mit Ehrencodex gerät in einen | |
Gewissenskonflikt, als er durch Zufall den Auftrag erhält, seine alte | |
Jugendliebe zu ermorden. Die ist dummerweise Zeugin in einer delikaten | |
Angelegenheit geworden, die gleich zu Beginn des Films offengelegt wird: Da | |
singt ein Toter im Sarg und wundert sich, was die ganzen Menschen von ihm | |
wollen und wo seine Familie denn ist: Er wurde als Leichendouble | |
missbraucht. | |
Kann man über Mafia-Geschichten lachen? Hier geht es ziemlich gut, trotz | |
ausgiebigen Kunstblut- und Platzpatroneneinsatzes. Und eines Happy Ends, | |
das die zuvor zelebrierte Mordlust etwas halbherzig moralisch zu überwinden | |
versucht. Aber ganz sicher mal was anderes unter den Löwen-Anwärtern. | |
Einem herkömmlicheren Filmkunstverständnis folgt die Chinesin Vivian Qu | |
mit „Angels Wear White“, einer schnörkellos präsentierten Geschichte um | |
sexuellen Missbrauch von Kindern in China. | |
Erträglich wird der Stoff durch eine herb-entschlossene jugendliche | |
Protagonistin und eine nicht minder furchtlose Schülerin, deren Perspektive | |
die Kamera immer wieder mit eleganten Einfällen nachvollzieht, sei es beim | |
Blick unter den Rock einer riesigen Marylin-Plastikskulptur oder beim | |
Entlangfahren unter den Bahnen eines Fahrgeschäfts in einem Freizeitpark. | |
Was in Schönheit resultiert, die ihr gesellschaftliches Anliegen darüber | |
gleichwohl nicht ästhetisiert. | |
7 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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