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# taz.de -- Animation über Repression in Teheran: Sex, Lügen und Zeichentrick
> In Ali Soozandehs „Teheran Tabu“ kreuzen sich die Wege von vier jungen
> Menschen. Sie alle kämpfen gegen das patriarchale System.
Bild: Der erdrückende Alltag wird im Winter noch trostloser
Teheran: Täglich erscheint die junge Pari vor dem Richter, um ihn davon zu
überzeugen, die Scheidung von Paris drogenabhängigem Ehemann auch ohne
dessen Einverständnis zu vollziehen. Erst als sie einwilligt, eine Affäre
mit dem Richter einzugehen, scheint er zuzustimmen. Er quartiert Pari mit
ihrem stummen Sohn bequem verfügbar in seine eigene Wohnung in einem
komfortablen Neubau ein. Ali Soozandehs Regiedebüt „Teheran Tabu“ kreist um
die Verlogenheit der Moralvorstellungen im gegenwärtigen Iran. In der
Erzählung des Films kreuzen sich die Wege von vier jungen Menschen.
Während Pari sich prostituiert, um ihren Sohn durchzubringen, weil ihr Mann
keinen Unterhalt zahlt, hofft die junge Sara ihren Mann und ihre Familie
davon zu überzeugen, sie arbeiten gehen zu lassen. Doch ihre
Schwangerschaft scheint allen den ultimativen Vorwand zu liefern, ihren
Wunsch abzulehnen – und ohne Einwilligung des Ehemannes darf sie nicht
arbeiten gehen. Babak und Donya wiederum hatten auf einer Party Sex und
versuchen nun verzweifelt, das Geld aufzutreiben, um Donyas Hymen durch
eine Operation rechtzeitig vor Donyas Hochzeit wieder flicken zu lassen.
Die Wege der vier Protagonisten kreuzen sich wieder und wieder.
Ali Soozandeh hat sich aus pragmatischen Gründen dafür entschieden, den
Film als Animationsfilm zu realisieren. Aus offensichtlichen Gründen war es
nicht vorstellbar, für die deutsch-österreichische Koproduktion eine
Drehgenehmigung für Teheran auch nur zu beantragen. Entstanden ist „Teheran
Tabu“ schließlich in digitaler Rotoskopie – ein Verfahren, das bis in die
Frühzeit des Animationsfilms zurückreicht. Erfunden wurde das Verfahren
1915 von den New Yorker Animationsfilmpionieren Max und Dave Fleischer. Es
beruht auf den gefilmten Bewegungen realer Schauspieler und wurde Bild für
Bild nachgezeichnet.
## Mangelndes Eigenleben
Die Bilder, die in „Teheran Tabu“ aus der digitalen Rotoskopie hervorgehen,
ähneln jenen aus Ari Folmans „Waltz with Bashir“ – konventionelle, für
einen Animationsfilm arg gleichförmige Bilder, die an keiner Stelle ein
Eigenleben entfalten. Die etwas belanglosen Bilder von „Teheran Tabu“
verlagern die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Handlung, die sich
ihrerseits nur selten von der Last des politischen Anliegens befreien kann
und entsprechend wenig Überraschendes birgt.
„Teheran Tabu“ kann an keiner Stelle auch nur entfernt an die lebendige,
aufregende Filmwelt anschließen, die im Iran derzeit blüht. Dass der Film
dennoch ansehbar bleibt, verdankt er am Ende doch wieder der Animation: So
konventionell die Bilder sein mögen, sie vermeiden zugleich einige
schlechte Kompromisse, die dem Film als Realfilm gedroht hätten.
Ali Soozandehs Regiedebüt „Teheran Tabu“ schenkt seinen Zuschauern einen
Einblick in iranische Lebenswirklichkeit und Probleme rund um die
Sexualität, die im üblichen Bild des Iran nicht auftauchen. Das Drehbuch,
das Soozandeh gemeinsam mit der Journalistin Grit Kienzlen schrieb,
übersetzt diesen Einblick solide in eine Handlung. Es steht zu hoffen, dass
die Animation in Soozandehs nächstem Film nicht nur eine
Verlegenheitslösung ist und die Rollen mehr Eigenleben zugestanden bekommen
und weniger Funktion in einem Erzählsystem sein müssen.
15 Nov 2017
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Teheran
Schwerpunkt Iran
Sexarbeit
Patriarchat
Liang Xuan
Iranische Filme
Elektronik
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