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# taz.de -- Zeichentrickklassiker „Dumbo“ recycelt: Düsteres Dreamland
> Außenseiter müssen zusammenhalten: Die Geschichte vom fliegenden
> Elefanten „Dumbo“ kleidet Tim Burton in bewährt morbide Bilder
Bild: Großer Badespaß mit Dumbo
Die Kinder von heute glauben nicht mehr an den Klapperstorch. Der brachte
1941, in Disneys erster Fassung von „Dumbo, der fliegende Elefant“, noch
das Dickhäuterbaby mit den übergroßen Ohren. Damit ist 2019 Schluss. Statt
Zeichentrick gibt es im Remake von „Dumbo“ zudem jetzt echte Schauspieler
für die Menschenrollen und animierte Tiere für die übrigen Figuren. Und
unter denen findet sich kein gefiederter Lieferant für den Nachwuchs.
Vielmehr gebiert Jumbo, die Mutter von Dumbo, ihr Junges im Alleingang.
Der dabei zutage beförderte Dumbo aus dem Computer ist dem gezeichneten
Original in seinem Gesichtsausdruck weitgehend nachempfunden. Ein
entscheidender Unterschied ist jedoch die Oberflächengestaltung. Wo der
gezeichnete Dumbo noch eine homogene graue Fläche als Haut gemalt bekam,
ist der computergenerierte Dumbo mit detailliert verschrumpelter
Elefantenhaut ausgestattet. Das sieht realistischer aus, hat zugleich aber
auch etwas weniger Niedliches. Dieser Dumbo wirkt mit seinen flappenden
Lappen durchaus etwas hässlich. Woran die Hand des Regisseurs zu erkennen
sein mag. Denn Tim Burton ist für harmlos kindgerechte Inszenierungen nicht
der richtige Ansprechpartner.
Vielmehr nutzt Burton den Stoff, um seiner Vorliebe für Morbides
nachzugehen. Der Zirkus Medici Brothers, in dem Dumbo zunächst seine ersten
Geh- und Flugversuche als Attraktion macht, ist nicht nur schön patiniert,
er ist, man schreibt das Jahr 1919, auch von schön heruntergekommenem
Personal bevölkert. Mit dem einarmigen Holt Farrier, einem Veteran aus dem
Ersten Weltkrieg, spielt Colin Farrell eine hochgradig melancholische
menschliche Hauptfigur, ganz in der Tradition seiner großen Auftritte wie
in Giorgos Lanthimos’ „The Lobster“ von 2015.
## Was dem einen fehlt, hat der andere zuviel
Die Menschen tragen bei Burton als einzige sprachbegabte Wesen – im
Original sprachen die Tiere noch – die Handlung. Holt Farrier steht damit
überdeutlich als eine umgekehrt gespiegelte menschliche Verdopplung Dumbos.
Was dem einen fehlt (Arm), hat der andere zu viel (Ohr). So gibt die
Geschichte von Anfang an die Richtung vor: Die Außenseiter, die in „Dumbo“
aufeinandertreffen, müssen nach und nach lernen, zusammenzufinden, um ihre
Kräfte zu bündeln.
Zu diesem Zweck hat Burton mit dem von Michael Keaton schurkengerecht
verkörperten Unterhaltungsunternehmer V. A. Vandevere einen
bilderbuchhaften Bösewicht der Geschichte hinzugefügt. Der übernimmt kurz
den kompletten Zirkus Medici, um sich Dumbo für sein Attraktionsimperium
„Dreamland“ einzuverleiben. Ironischerweise sieht das ziemlich exakt wie
ein düsteres Disneyworld aus.
## Die Prothese, die in die Zukunft weist
Zugleich bietet dieses Dreamland Raum für eine der schönsten Szenen des
Films. So bietet die Abteilung „World of Tomorrow“ eine Art
Robotik-Abteilung, in der mit „Robby, dem Roboter“ aus „Forbidden Planet�…
von 1956 ein kleiner filmgeschichtlicher Verweis in die Zukunft eingebaut
ist. Das Tolle an der Szene ist allerdings eine Männerpuppe mit einer
Armprothese, die Kaffee in eine Tasse einschenkt – und Holt Farrier eine
technische Alternative zur Einarmigkeit eröffnet.
Burton bringt viele hübsche Burton-typische Schrulligkeiten in „Dumbo“
unter, bis hin zur großen Kleine-Jungs-Fantasie, wenn das ausbeuterische
Dreamland am Ende genüsslich in Schutt und Asche gelegt wird. Was dem Film
hingegen fehlt, sind starke Figuren. Farrell tut wenig mehr als traurig zu
blicken, Danny DeVito als Zirkuschef Max Medici kullert bloß immer mal mit
den Augen, und Eva Green als Trapezkünstlerin Colette Marchant darf kaum
mehr, als einen blassen Vamp geben, der sich später als Frau mit viel Herz
entpuppt. Ein Herz hat der Film dadurch noch nicht. Auch sein tierischer
Protagonist mit der motorischen Sonderbegabung kann da nicht helfen. Was
bleibt, ist ein leicht biederer Tim-Burton-Film.
4 Apr 2019
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Animation
Filmrezension
Tim Burton
Disney
Filmkritik
Zeichentrick
Film noir
Disney
Walt Disney Studios
50er Jahre
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