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# taz.de -- Abschluss der UN-Klimakonferenz in Bonn: Draußen schlägt drinnen
> In Bonn geht die UN-Klimakonferenz mit den üblichen Minimalkompromissen
> zu Ende. Wichtiger war, was jenseits der Diplomatie passierte.
Bild: „Freedom to pollute“: die Statue of Liberty des dänischen Künstlers…
BONN taz | Schlechte Angewohnheiten sind zäh. Deshalb brauchten die
Delegierten der 196 Staaten eine schier endlose Nachtsitzung, ehe sie die
Abschlussdokumente der 23. Weltklimakonferenz (COP23) am frühen
Samstagmorgen durchstimmten. Erst zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Bonn
kleine technische Fortschritte in der Klimadiplomatie gebracht hat. Doch:
Die wichtigsten Fragen nach einem schnellen und effektiven Klimaschutz
wurden wieder verschoben.
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, zog ein
optimistisches Fazit: „Wir sind ein gutes Stück vorangekommen“, sagte er
nach der langen Nacht. „Wir sind voll im Zeitplan, den wir in Paris
erstellt haben.“ In einem Jahr, bei der nächsten Konferenz im polnischen
Katowice, sollen dann Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Obwohl keine politisch heißen Eisen auf dem Tisch lagen, hatten sich die
Länder wie so oft bei technischen Fragen verhakt: Wie müssen
Industrieländer darüber Bericht erstatten, wieviel Unterstützung sie an
arme Staaten zahlen? Wird der bereits existierende „Anpassungsfonds“ für
Klimahilfen auch im Pariser Abkommen fortgesetzt? Wie genau werden die
Verhandlungen für ein „Regelbuch“ im Klimaschutz juristisch begründet? Die
Fragen wurden mit Kompromissen gelöst oder auf später verschoben, damit
[1][das zentrale Dokument „Fiji Momentum“ (.pdf)] verabschiedet werden
konnte.
Für die deutsche Delegation sind die Minimalziele der COP erreicht: Auf dem
Tisch liegen nun die verschriftlichten Vorstellungen aller Staaten, wie in
Zukunft die nationalen Klimapläne gemessen und umgesetzt werden sollen.
Darüber soll COP 24 in Katowice entscheiden. Das sind hunderte von Seiten
und völlig verschiedene Ideen, aus denen Fidschi und Polen nun in einem
Jahr ein konsensfähiges Papier basteln müssen. Bislang nämlich haben die
Staaten Klimapläne für 2020 vorgelegt, die so verschieden sind, dass
niemand sie vergleichen kann. Das aber braucht es, wenn man die Leistungen
der Staaten im Klimaschutz beurteilen will. „Es ist nicht trivial, dass wir
uns darauf einigen, wie Emissionen gemessen und Fortschritte berichtet
werden“, sagte Flasbarth. „Das stärkt das Vertrauen“.
Es gab kleine Fortschritte: In einem neuen Arbeitsprogramm zur
Landwirtschaft sollen die Staaten darüber reden, wie Böden im Klimawandel
geschützt werden und wie sie mehr Kohlenstoff speichern können. Ein
„Gender-Aktionsprogramm“ fordert mehr Beteiligung von Frauen im
UN-Klimasekretariat und in den Delegationen, um die Rolle der Frauen bei
Klima-Lösungen zu fördern. Und erstmals fanden die UN einen Kompromiss, wie
indigene Völker am Klimaprozess beteiligt werden sollen – nicht so einfach
in einer Gemeinschaft, in der eigentlich nur Nationalstaaten das Sagen
haben.
Von den Umwelt- und Entwicklungsverbänden kam ein geteiltes Echo. „Bonn war
kein Paukenschlag, hat aber geliefert, was es liefern musste“, hieß es vom
WWF. Die Hilfsorganisation Oxfam sah Fortschritte im Prozess, bemängelte
aber eine „Blockade“ beim Thema Schaden und Verlust, also bei den
Entschädigungsfragen. Und die Dachverbände für Klimaschutz und Entwicklung,
„Klimaallianz“ und Venro, zeigten sich enttäuscht. Zwar habe es Fortschritt
bei technischen Regeln gegeben, aber keine „politische Dynamik für
ehrgeizigen Klimaschutz“.
Vorher hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine positive Bilanz
gezogen. Die größte internationale Konferenz auf deutschem Boden und die
erste COP, die von einem Entwicklungs- und einem Industrieland zusammen
organisiert wurde, sei „ein wichtiger Zwischenschritt für die Umsetzung des
Pariser Abkommens“, so die Ministerin. Weil klar sei, dass auch mit den
Beschlüssen von Bonn der Klimawandel nicht unter 2 Grad gehalten werden
könne, sei jetzt der sogenannte „Talanoa-Dialog“ im kommenden Jahr wichtig.
In dieser Serie von Treffen unter der Schirmherrschaft von Fidschi und
Polen „werden wir sehen, wo wir bei unseren Anstrengungen stehen, was noch
zu tun ist und wie wir das schaffen können.“
## US-Klimaschützer mit eigener Zeltstadt
Wichtiger als das, was sich „drinnen“ bei den Verhandlungen abspielte, war
diesmal das, was „draußen“ los war: In der „Bonn-Zone“, einer Zeltstad…
den Rheinauen, präsentierten sich Umwelt- und Entwicklungsgruppen, einzelne
Staaten oder Wissenschaftsorganisationen, um „vom Verhandeln zum Handeln zu
kommen“, wie der offizielle Slogan lautete. Austausch, Networking und ein
bisschen Angeben mit den eigenen Lösungen, das war in der „Bonn-Zone“ das
Tagesgeschäft. Allein am deutschen Pavillon gab es nicht nur fairen Kaffee
zum überaus fairen Nulltarif, sondern über 100 Veranstaltungen, etwa eine
tägliche „Science Hour“ zur Verteidigung der Klimawissenschaften in Zeiten
der Fake News.
Es gab auch wieder ein bisschen mehr Geld. Deutschland erhöhte seine Hilfen
für die Anpassung an den Klimawandel um 100 Millionen Euro und gab noch
einmal 125 Millionen für die Initiative „InsuResilience“. Mit dem Programm,
das jetzt weltweit Unterstützer sucht, soll die Versicherungswirtschaft bis
2020 zusätzlich 400 Millionen Menschen finanziellen Schutz gegen
Klimaschäden bieten. Denn viele der Opfer etwa von Stürmen und Dürren in
den armen Staaten stehen selbst relativ geringen Klimaschäden hilflos
gegenüber.
Ein großer Erfolg aus Sicht der Veranstalter war auch, dass von der
offiziellen US-Delegation keine Störmanöver kamen. Im Gegenteil: Die
Diplomaten arbeiteten ruhig und konstruktiv am Prozess mit, hieß es aus den
Delegationen, auch wenn Präsident Donald Trump den Ausstieg seines Landes
aus dem Pariser Abkommen angekündigt hat. Umso lauter und willkommener
waren die Stimmen der US-Koalition für Klimaschutz. Unter dem Slogan „We´re
still in“ (übers.: „Wir sind noch dabei“) hatten sie eine eigene Zeltsta…
in der sich die US-Staaten, Unternehmen und Organisationen präsentierten,
die mit Trumps Crashkurs in der Klimapolitik nichts zu tun haben wollen.
Zudem verkündeten am Ende der Konferenz etwa 20 Staaten, sie würden bis
2030 beziehungsweise 2050 aus der Kohle aussteigen. Unter ihnen waren
Industrieländer wie Kanada, Italien, Frankreich und Großbritannien. Und sie
erhöhten den Druck auf die Sondierungsgespräche zu Jamaika in Berlin.
Die möglicherweise brisanteste Nachricht kam während der zweiten
Konferenzwoche aus Hamm. Dort hatte das Oberlandesgericht die
Beweisaufnahme in einem Prozess gegen den Energiekonzern RWE zugelassen.
Geklagt hat mit Unterstützung der Entwicklungs-organisation Germanwatch der
peruanische Bergführer Saul Luciano Lliuya. Weil sein Dorf von der
Gletscherschmelze bedroht ist, soll sich RWE als Verursacher des
Klimawandels an den Schutzmaßnahmen beteiligen. Bisher hatten RWE und die
Gerichte eine Verbindung zwischen den Emissionen in Deutschland und der
Gletscherschmelze in den Anden [2][zurückgewiesen]. Jetzt will das Gericht
diese Verbindung juristisch untersuchen – für Germanwatch bereits ein
„Präzedenzfall“, der in über 50 Ländern weltweit die Rechtsprechung änd…
könnte.
18 Nov 2017
## LINKS
[1] http://unfccc.int/resource/docs/2017/cop23/eng/l13.pdf
[2] /Kleinbauer-gegen-RWE-vor-Gericht/!5255490
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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