| # taz.de -- Ex-Umweltministerin Hendricks zur COP 26: „Ich habe zum Tanzen au… | |
| > Die einstige Umweltministerin Barbara Hendricks spricht über die | |
| > Konferenz von Glasgow. Außerdem blickt sie auf den Petersburger | |
| > Klimadialog zurück. | |
| Bild: Berlin 2015: Hendricks verkündet die Ergebnisse der Klimakonferenz in Pa… | |
| taz: Frau Hendricks, in Glasgow hat die wichtigste Klimakonferenz seit | |
| Paris begonnen. Sie waren 2015 als Umweltministerin in Paris dabei, als | |
| dort das Klimaabkommen beschlossen wurde. Was ist Ihrer Erfahrung nach | |
| entscheidend, damit auch diese Konferenz ein Erfolg wird? | |
| Barbara Hendricks: Das Wichtigste ist: Es muss ein Vertrauensverhältnis | |
| zwischen den Akteuren da sein. Neben einem beständigen Austausch im Vorfeld | |
| ist dabei wichtig, dass alle auf Augenhöhe verhandeln, dass also die | |
| kleinen Länder sich nicht untergebuttert fühlen, sondern wahrnehmen, dass | |
| sie genau so wichtig sind wie alle anderen. Und für das Vertrauen ist | |
| natürlich auch zentral, dass frühere Zusagen eingehalten werden, gerade | |
| auch im finanziellen Bereich. | |
| In Paris konnte man damals sehen, dass es ein solches Vertrauensverhältnis | |
| gab zwischen Ihnen und Tony de Brum, dem Außenminister der Marshallinseln, | |
| mit dem Sie gemeinsam für das 1,5-Grad-Ziel gekämpft haben. Wie kam es zu | |
| dieser engen Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern, die in jeder Hinsicht | |
| weit voneinander entfernt sind? | |
| Ich habe ihn erst kennengelernt, als ich Ministerin war, aber damals gab es | |
| mehrere wichtige Begegnungen. 2015 habe ich die Laudation gehalten, als er | |
| mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Kennengelernt hatten | |
| wir uns 2014, als er beim Petersberger Klimadialog dabei war, den wir in | |
| Berlin veranstaltet haben. Da gab es am Vorabend einen kleinen Empfang in | |
| der Villa Borsig, dem Gästehaus des Auswärtigen Amts am Tegeler See in | |
| Berlin. Es war im Mai, das Wetter war gut, wir waren draußen auf der | |
| Terrasse und es spielte eine kleine Jazzcombo. Da habe ich Tony de Brum | |
| irgendwann zum Tanzen aufgefordert. Daran konnten wir dann in Paris gut | |
| anknüpfen. | |
| Glasgow ist die letzte Klimakonferenz, an der Angela Merkel teilnimmt. Wie | |
| haben Sie ihre Rolle bei den internationalen Verhandlungen erlebt? | |
| Sie hat bei der Mehrzahl der Anwesenden immer großes Vertrauen genossen. | |
| Das kam zum einen dadurch, dass sie über viele Jahre dabei war, erst als | |
| Umweltministerin, später als Kanzlerin, und dadurch große Glaubwürdigkeit | |
| erworben hat. Zum anderen hat sie nach dem Scheitern des Klimagipfels von | |
| Kopenhagen im Jahr 2009 den Petersberger Klimadialog ins Leben gerufen. | |
| Seitdem kommen jedes Jahr im Mai 30 bis 35 Umweltministerinnen und | |
| -minister aus aller Welt in Deutschland zusammen, um den Klimagipfel zum | |
| Ende des Jahres vorzubereiten, zusammen mit dem Gastgeberland. Das war ihre | |
| Initiative als Umweltministerin, und sie war auch als Kanzlerin jedes Mal | |
| dabei. Das hat auf jeden Fall auch zur Vertrauensbildung beigetragen. | |
| Merkels internationales Klima-Renomee steht im Gegensatz zu ihrer Bilanz im | |
| Inland, die bestenfalls als durchwachsen gilt, wenn nicht als gescheitert. | |
| Wie sehen Sie das? | |
| Diese unterschiedliche Wahrnehmung liegt daran, dass sie tatsächlich | |
| unterschiedlich gehandelt hat. In internationalen Bezügen war Frau Merkel | |
| immer verlässlich. Auf der nationalen und europäischen Ebene war sie | |
| dagegen nicht immer ehrgeizig genug. Beim CO2-Ausstoß von Autos etwa hat | |
| sie die Ziele der EU mehrmals gebremst, unterstützt durch die jeweilgen | |
| Wirtschaftsminister… | |
| … die teilweise auch aus der SPD kamen. | |
| Ja, auch Sigmar Gabriel ist nicht so richtig vorangeschritten. Aber auch | |
| Peter Altmaier nicht, und die FDP-Minister in der schwarz-gelben Regierung | |
| schon gar nicht. Und auch die Verkehrs- und Landwirtschaftsminister | |
| gehörten meist zu den Bremsern. Man muss dabei auch bedenken, dass das | |
| gesellschaftliche Klima sich erst seit 2019 in Richtung konseqenterem | |
| Klimaschutz entwickelt – durch die Proteste von Fridays for Future und | |
| durch die zunehmenden Wetterextreme. Das war vorher nicht der Fall. | |
| In Paris haben Sie damals gesagt: „Jetzt geht es endlich los.“ Wie fällt | |
| Ihre Bilanz sechs Jahre später aus – ist es wirklich losgegangen? | |
| Doch, das kann man schon sagen. Zwar haben wir das Klimaschutzgesetz mit | |
| den ehrgeizigen Sektorzielen erst 2020 verabschiedet, aber die Grundlagen | |
| dafür wurden schon direkt nach Paris im Klimaschutzplan gelegt. Damals war | |
| das Ziel noch, die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent | |
| zu reduzieren. Jetzt lautet es 65 Prozent. Wir haben also genau getan, was | |
| das Pariser Abkommen fordert – nämlich die Ziele regelmäßig zu überprüfen | |
| und zu verbessern. | |
| Aber gut genug für das 1,5-Grad-Ziel sind sie immer noch nicht. | |
| Es stimmt: Was wir bisher zugesagt haben, reicht noch nicht. Aber es ist ja | |
| auch noch nicht alles, es wird noch mehr geschehen. Wenn ich zurückblicke, | |
| wie sich die Technologie in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat, | |
| bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in 15 Jahren wieder ganz andere | |
| Möglichkeiten haben werden. | |
| 1 Nov 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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