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# taz.de -- Gemeinde verfügt Glyphosat-Verbot: Artland gegen Monsanto
> Keine Weltregion, in der kein Glyphosat ausgebracht wird. Doch es gibt
> Widerstand gegen den omnipräsenten Pflanzenkiller. Mit dabei: Die
> Samtgemeinde Artland bei Osnabrück.
Bild: Immerhin: In der Samtgemeinde Artland werden künftig 60 Hektar glyphosat…
OSNABRÜCK TAZ | Eigentlich ist Roundup ja Cowboy-Slang: Zusammentrieb der
Herde. Verständlich, dass der US-amerikanische Saatgut-Branchenriese
Monsanto daraus den Handelsnamen eines Unkrautvernichters gemacht hat. Der
Effekt ist schließlich derselbe: Ernte, Umsatz. Nur eben in Pflanzen, nicht
in Tieren.
Der „Roundup“-Wirkstoff Glyphosat ist seit dem EU-Alleingang von
Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU), Ende November in Brüssel,
eines der Reizworte der Politik. Vorbei an Bundesumweltministerin Barbara
Hendricks (SPD) hatte Schmidt der Zulassungsverlängerung der umstrittenen
Chemiekeule für weitere fünf Jahre die Tür geöffnet. Aber ob Schmidt
Monsanto damit wirklich einen Gefallen getan hat, ist fraglich.
In der Samtgemeinde Artland bei Osnabrück gibt es nämlich jetzt eine
glyphosatfreie Zone. Und das hat, sehr direkt, mit Schmidt zu tun. Claus
Peter Poppe, Bürgermeister, SPD, sagt: „Der Rat war in Sachen Glyphosat
lange gespalten. Wir haben uns da wirklich schwergetan. Aber dann kam die
Sache mit Schmidt. Die hat den letzten Ausschlag gegeben, den Wirkstoff bei
uns zu verbieten.“ Man habe es richtig gespürt, das Unverständnis: „Viele
haben sich gesagt: Wie bitte? Nicht mit uns! Das wollen wir doch mal
sehen!“
Die Entscheidung fiel am 7. Dezember: Kein Glyphosat-Einsatz mehr auf den
32 Hektar Acker- und 27 Hektar Grünland, deren Verpächter die Samtgemeinde
ist. Und das Votum für das Verbot war eindrucksvoll: 25 Ja- gegen acht
Nein-Stimmen, bei zwei Enthaltungen. Für den Einsatz von Glyphosat waren
nur Ratsmitglieder von FDP und CDU, teils selbst Landwirte. Gegen ihre
Kollegen aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und UWG hatten sie
allerdings keine Chance – auch mancher Christdemokrat sprang ihnen bei.
Antragsteller waren die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzender Andreas
Henemann im Samtgemeinderat war erleichtert, dass die Sache jetzt endlich
durch ist: „Immerhin läuft sie schon seit Anfang Februar 2016. Aber wie das
so ist in strittigen Fällen: Vertagungen, Leerlauf, Schriftsätze …“
Ernüchternd sei das gewesen. „Warten wir doch erst mal die EU-Entscheidung
ab, hieß es, und das Ganze wurde an die Fraktionen zurückverwiesen. Laden
wir doch erst mal einen Sachverständigen ein, hieß es, der uns das Ganze
gründlich erklärt. Das zog sich.“
Die Sachverständige war Heidrun Meißner, Fachgruppenleiterin Pflanzenbau
und Pflanzenschutz bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Osnabrück.
Sie hatte ihren Auftritt im Artland Ende März 2017. Henemann: „Die hat uns
dann natürlich erzählt, wie toll und sinnvoll und absolut harmlos Glyphosat
ist. Alles ziemlich tendenziös. Kein Wort vom Verdacht der Krebserregung.
Kein Wort davon, dass das ja auch ins Grundwasser sickert …“
Aber die Grünen haben nicht locker gelassen, und nun haben sie ein Zeichen
gesetzt, „dass es auch anders geht“: „Wir sehen das auch als Symbol. Als
Signal für andere, dasselbe zu tun.“
15 Landwirte sind von der Neuregelung betroffen. Bürgermeister Poppe sagt:
„Und die sind darüber natürlich nicht gerade glücklich, da gibt es schon
Diskussionen.“ Es gibt also Widerstand gegen den Widerstand. Aber das hilft
nichts. Kein neuer Pachtvertrag ohne Glyphosat-Verbot. Henemann weißt
darauf hin: „Und das greift schnell. Die Pachtverträge für unsere
Kommunalflächen sind ja sehr kurz.“
Martin Andree, Geschäftsführer des Osnabrücker Landvolks, findet das Verbot
falsch. Probleme durch Glyphosat, an dessen Gefahrenpotenzial für Natur und
Mensch noch geforscht wird? Nicht, dass er wüsste, sagt Andree. Demnächst
gibt es also Getreide und Kartoffeln ohne Glyphosat als Wuchshilfe – Mais,
Frischfutter für Rinder und Schafe, Silage.
Und, ist das Artländer Signal schon anderswo angekommen in Deutschlands
Norden? Das Signal, dass es nur eine Handvoll Kommunalpolitiker braucht,
und Riese Monsanto kommt ins Straucheln? Henemann: „Das kommt. Ganz
sicher.“
11 Dec 2017
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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