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# taz.de -- Schwierige Jamaika-Sondierungen: Keine Einigung, nirgends
> Die Unterhändler verabschieden Papiere zu den Themen Landwirtschaft bis
> Klima. Diese zeigen, wie wenig sie bisher vorangekommen sind.
Bild: Was ist mit Düngemitteln?
BERLIN taz | So sieht es also aus, wenn die Jamaika-Sondierer eine Einigung
vorstellen. Als die Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen am
Donnerstagmittag vor die Kameras treten, um – mit einem Tag Verspätung –
die Ergebnisse der Gespräche zum Thema Landwirtschaft zu präsentieren,
verkündete für die CDU zunächst der parlamentarische Geschäftsführer
Michael Grosse-Brömer die „gute Nachricht“, dass man „einen deutlichen
Schritt vorangekommen“ sei.
Dann freute sich FDP-Generalsekretärin Nicola Beer über den – recht vage
formulierten – Erfolg, dass es beim Thema Tierhaltung gelungen sei
„festzuhalten, darüber zu diskutieren, es anzustoßen, dass wir einen
gesellschaftlichen Konsens bekommen“.
Doch als Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner erklärte, alle hätten
anerkannt, das wir „eine andere Agrarpolitik brauchen“, verschränkte
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer schon die Arme vor der Brust und
schüttelte demonstrativ den Kopf.
Als Kellner dann noch erklärte, aus der Einigung folge, dass es keine
Verlängerung für das umstrittene Pflanzengift Glyphosat geben könne, pampte
er ihn vor laufenden Kameras an: „Was Herr Kellner da vorstellt, ist nicht
unsere Einigung, sondern das grüne Wahlprogramm.“
Auch das dreiseitige Papier zu Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das
nach den Statements verteilt wird, belegt eher die Uneinigkeit als die
Einigkeit der Verhandler. Zwar fordert es tatsächlich, die Menge der
eingesetzten Agrarchemie zu verringern und das Tierwohl voranzubringen.
Doch wie das passieren soll, bleibt unklar. Denn ausdrücklich keinen
Konsens gibt es darüber, dass solche Ziele nur durch staatliche Vorgaben
oder eine Neuverteilung der Agrarsubventionen erreicht werden können.
Ersteres lehnt die FDP ab, Letzteres die Union.
Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck, der für die Grünen
verhandelt hat, ist darum frustriert. „Für eine andere
Landwirtschaftspolitik brauchen wir entweder Ordnungsrecht oder eine
Finanzierung“, sagte er der taz. „Solange es das nicht gibt, ist die
Einigung über alle anderen Punkte wertlos.“
## Wer will widersprechen?
Ähnlich allgemein blieben die Papiere, die bisher zu anderen Themen
verabschiedet wurden. „Unser Ziel ist es, für ausreichenden, bezahlbaren
und geeigneten Wohnraum für alle zu sorgen“, heißt es etwa in der Einigung
[1][zur Wohnungspolitik], die am Mittwochabend präsentiert wurde. Wer will
da widersprechen? Doch auf die Frage, wie dieses hehre Ziel erreicht werden
soll, gibt das Papier keine Antwort – sondern listet nur alle Fragen auf,
über die weiter diskutiert werden soll.
Und zur EU bekannten sich Union, FDP und Grüne vergangene Woche lediglich
zur „Gestaltung eines starken und geeinten Europa“ und erklärten, dass die
„deutsch-französische Zusammenarbeit“ für sie „von herausgehobener
Bedeutung“ sei. Konkrete Schritte, Europa zu stärken – etwa durch
Unterstützung der Forderung des französischen Präsidenten Macron nach einer
gemeinsamen europäischen Finanzpolitik, sucht man aber vergeblich.
Stattdessen werden auch hier nur Themen aufgelistet, über die weiter
gesprochen werden soll. Diesen Zustand hält Grünen-Europapolitiker Sven
Giegold für untragbar. „Eine Jamaika-Koalition mit ungelösten
substanziellen Konflikten in dieser zentralen Frage wäre zum Scheitern
verurteilt“, sagte er der taz. „Wir schlafwandeln in die nächste Eurokrise,
wenn wir die notwendigen Reformen jetzt nicht anpacken.“
Noch dramatischer ist die Lage bei den Themen Migration und Klima: Hier
liegen die Positionen so weit auseinander, dass sich die Sondierer bisher
nicht einmal auf Papiere mit solchen unverbindlichen Minimalforderungen
einigen konnten.
Beim Klimaschutz, wo die FDP das deutsche CO2-Ziel für 2020 infrage
gestellt hat, besteht offenbar nicht nur über die Forderungen Uneinigkeit,
sondern über die Fakten. Bevor weiter verhandelt wird, solle erst mal „eine
gemeinsame Sachgrundlage“ erarbeitet werden, sagte CDU-Verhandler Helge
Braun am Mittwochabend.
An diesem Punkt ist das Risiko des Scheiterns am größten: „Die Grünen
können nur in eine Regierung eintreten, die sich zu den Klimaschutzzielen
bekennt und sie auch durch Maßnahmen unterlegt“, sagte Habeck.
2 Nov 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-Sondierung-zu-Mieten/!5459859
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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