# taz.de -- Sondierungen für Jamaika: Merkels Machtwörtchen | |
> Lange hat die Kanzlerin die Gespräche abwartend verfolgt. Nach dem fast | |
> ergebnislosen Ende der ersten Runde spricht sie. | |
Bild: Sondierungspause auf dem Balkon: Nur Angie blickt nach vorne | |
Berlin taz | Was sagt eigentlich die Chefin? Diese Frage konnte man sich | |
angesichts der schriller werdenden Misstöne bei den Jamaika-Sondierungen | |
stellen. Bei dicken Brocken, etwa der [1][Flüchtlingspolitik], liegen | |
Union, FDP und Grüne himmelweit auseinander. Die Papiere, die bisher | |
veröffentlicht wurden, bleiben meist wolkig. Und die Beschimpfungen auf | |
Sandkastenniveau nahmen zuletzt überhand. | |
Am Freitagvormittag, zwei Wochen nach Beginn der Gespräche über eine | |
Regierung, bricht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihr Schweigen. | |
Schnurstracks geht sie vor der Parlamentarischen Gesellschaft auf die | |
wartenden Journalisten zu, stellt sich vor die Mikrofone und legt los. Sie | |
gehe zwar weiterhin von schwierigen Beratungen aus, sagt Merkel. „Aber ich | |
glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns | |
mühen und anstrengen.“ | |
Jamaika kann gelingen, signalisiert Merkel damit. Die erste Runde der | |
Sondierungen ist abgehakt, alle Themen, von der Finanz- über die Agrar- | |
bis zur Innenpolitik, wurden einmal besprochen. [2][Doch die Ergebnisse | |
sind dürftig.] Nur schemenhaft ist zu erkennen, was eine schwarz-gelb-grüne | |
Regierung erreichen könnte. Und bei Knackpunkten wie der Klima- oder der | |
Flüchtlingspolitik liegt man in heftigem Clinch. | |
Durch die Blume bog Merkel allen Beteiligten noch einmal bei, was auf dem | |
Spiel steht. Es gehe um die Frage, ob eine Regierung leisten könne, was die | |
Menschen erwarteten, sagt sie in der kalten Herbstluft. Nämlich die | |
Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass man auch in zehn Jahren noch gut | |
in Deutschland leben könne. Das ist ein Appell an die staatspolitische | |
Verantwortung. Motto: Leute, reißt euch jetzt bitte mal zusammen. | |
## Grundregel für erfolgreiche Bündnisse | |
Die Gespräche müssten so geführt werden, dass jeder Partner seine Identität | |
zur Geltung bringen könne, sagt Merkel weiter. Jeder, das ist eine | |
Grundregel für erfolgreiche Bündnisse, muss dem anderen Raum lassen – und | |
ihm Erfolge gönnen. | |
Merkels Worte wirkten denn auch wie Balsam. Als am späten Nachmittag die | |
Parteienvertreter vor die Presse traten, bemühten sich alle um | |
kommunikative Abrüstung. | |
„Konstruktiv und stimmig“ seien die Gespräche verlaufen, sagte | |
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Alle würden übers Wochenende ihre | |
Hausaufgaben machen. CDU-Mann Michael Grosse-Brömer, der den erkrankten | |
Peter Tauber vertritt, sagte, die erste Etappe habe man erreicht, jetzt | |
nehme man die nächste in den Blick. Auch CSU-Generalsekretär Andreas | |
Scheuer sprach von einer Phase 2: „Wir werden den Laufzettel jetzt | |
abarbeiten.“ Und der Grüne Michael Kellner sagte: „Es liegen jetzt alle | |
Zutaten auf dem Tisch, jetzt muss man daraus einen möglichst leckeren Teig | |
rühren.“ | |
## Diskussionsbedarf bei der Außenpolitik | |
Schaut man auf die Inhalte, besteht offenbar weitgehend Konsens über die | |
Notwendigkeit der Entlastung von Familien. Alle Beteiligten erklärten, nun | |
aber wirklich etwas gegen Kinderarmut tun zu wollen. Grüne und CSU wollen | |
die Kinderrechte im Grundgesetz festschreiben. Außerdem will man sich für | |
Bürokratieabbau und Vollbeschäftigung einsetzen. | |
Spürbar war der [3][Diskussionsbedarf bei außenpolitischen Themen]. In dem | |
entsprechenden Papier tauchen die von der FDP infrage gestellten | |
Russlandsanktionen gar nicht auf. Über die Höhe der Verteidigungsausgaben, | |
ein von Grünen und FDP gefordertes Rüstungsexportgesetz und die von der | |
Union geplante Anschaffung von Kampfdrohnen wollen die Unterhändler | |
zunächst noch „vertieft diskutieren“, heißt es darin. | |
Das gilt auch für eine „mögliche Verlängerung, Weiterentwicklung oder | |
Beendigung laufender Mandate“ für Bundeswehreinsätze. Die Grünen haben | |
zuletzt mehrfach gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr gestimmt. Würden sie | |
als Koalitionäre dabei bleiben, gäbe es für sieben der 13 mandatierten | |
Einsätze keine eigene Regierungsmehrheit mehr. | |
3 Nov 2017 | |
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[1] /Kommentar-Asylpolitik-unter-Jamaika/!5450419 | |
[2] /Schwierige-Jamaika-Sondierungen/!5457607 | |
[3] /Jamaika-verhandelt-ueber-Ruestung/!5457124 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Anja Maier | |
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