# taz.de -- Wichtige Tipps für Verhandlungen: Bockige Jungs und die Lust am Sp… | |
> So klappt’s vielleicht doch noch mit Jamaika. Ein Familientherapeut, ein | |
> Verhandlungscoach und eine Spieltheoretikerin geben Rat. | |
Bild: Wie bekommt man alle an einen Tisch? Wie gewinnt man? Und wie löst man K… | |
Der Verhandlungscoach | |
Jörg Schneider, 49, ist Verhandlungskünstler. Als Trainer gibt er Seminare | |
zur Kunst des Konfliktlösens, als Berater saß er für Firmen wie SAP, | |
ThyssenKrupp und BASF am Verhandlungstisch. Aber wie verlässt man diesen | |
Tisch als Gewinner? | |
Der erste Schritt zum Erfolg ist es, zu verstehen, was eine Verhandlung | |
eigentlich ist. In der Diskussion will man überzeugen. Der Diskurs dient | |
dazu, eine Erkenntnis zu erlangen. In der Verhandlung geht es nur darum, | |
etwas abzugeben, um von anderen etwas zu bekommen. Nicht umsonst steckt in | |
dem Begriff das Wort „Handel“. Deshalb muss man schnell herausfinden, was | |
der andere will. Alles, was einen persönlichen Wert hat, kann man monetär | |
beziffern. | |
Dann muss ich mir überlegen, was ich verlange. Logische Argumente sind hier | |
fehl am Platz. Vielmehr muss man eine Strategie haben und sich richtig | |
vorbereiten. Ich kenne viele Verhandlungen, die sensationell gelaufen sind. | |
Der einzige Punkt zwischen Gewinnern und Verlierern war: Die eine Seite war | |
vorbereitet, die andere nicht. Es gibt eine Daumenregel, der man folgen | |
kann. Erstens muss man klären, was die eigene Agenda ist. Danach sollte man | |
ein Ideal aufstellen, das das optimale Ergebnis beschreibt. | |
Dass darf unrealistisch sein und dient als Absicherung dafür, im Nachhinein | |
nicht grundlos enttäuscht zu sein. Drittens muss man sein Limit festlegen: | |
Wie weit kann ich gehen? Es macht dabei Sinn, rote Linien zu kommunizieren. | |
Das Problem mit Linien ist aber, dass ich dann auch bereit dazu sein muss, | |
die Verhandlungen abzubrechen. Oft habe ich erlebt, wie Manager Dinge | |
absegneten, die kurz zuvor noch in der Kategorie „nur über meine Leiche“ | |
steckten. Der wird nie wieder ernst genommen. | |
Problematisch wird es, wenn sich rote Linien widersprechen. Dass kommt nur | |
selten vor. Linien sind willkürlich gezogen. Oft wollen sich Akteure damit | |
nur inszenieren. Alles ist verhandelbar, sobald man an einem Tisch sitzt. | |
Das geht oft mit unrealistischen Forderungen einher – ein Kardinalfehler. | |
In der Wirtschaft erlebe ich das oft, wenn Menschen fälschlicherweise davon | |
überzeugt sind, Macht zu haben. Ein klassisches No-Go ist das Nein. Ein | |
frühes Abbrechen von Verhandlungen, in denen noch viel gegangen wäre, ist | |
oft das Resultat von Ego-Geschichten und persönliche Befindlichkeiten. | |
Diese können schädlich sein. Die Forschung sagt, dass ein konstruktives | |
Klima ideal ist. Dazu muss das Ziel sein, dass alle mit erhobenem Haupt aus | |
der Verhandlung herauskommen. Doch auch ein einmaliger Deal kann | |
erfolgreich sein. Ich habe schon mehrfach gesehen, dass extrem | |
unkooperative Verhandlungsführer erfolgreich waren. Das waren Menschen mit | |
Geschick, die die Unbeholfenheit des Gegenübers ausgenutzt haben. | |
In der Regel bestimmen aber Machtgefälle den Unterschied. Macht ist dazu | |
da, sie auszuüben. Es ergibt ja keinen Sinn, Geld auf der Fensterbank | |
liegen zu lassen. Krass ist es im Handel. So hatte Aldi jahrelang kein | |
Nutella im Angebot. Doch irgendwann haben sie das Produkt dann zu | |
schlechten Konditionen ins Sortiment genommen. Die starke Marke hat es | |
richtig gemacht, Ausdauer bewiesen und den besten Deal erzielt. | |
*** | |
Der Familientherapeut | |
Nikolai Geils-Lindemann, 44, ist Psychologe. Seit zehn Jahren arbeitet er | |
als Systemtherapeut und steht Familien in Krisenzeiten bei. Wie löst man | |
Konflikte? | |
Die erste Schwierigkeit besteht darin, zerstrittene Menschen an einen Tisch | |
zu bekommen. Da ist Geschick gefragt. Am wichtigsten ist dabei das | |
gegenseitige Verstehen und Wertschätzen. Oft müssen wir vor allem | |
Jugendliche davon überzeugen, mitzuarbeiten. Und das geht nur, wenn alle | |
Akteure merken, dass sie ernst genommen werden. Um dann Menschen mit völlig | |
unterschiedlichen Positionen zusammenzubringen, ist das gegenseitige | |
Wahrnehmen und Verstehen entscheidend. Der erste Schritt ist ein | |
Perspektivwechsel, sowohl in der Familie als auch in allen anderen | |
Verhandlungssituationen. Er kann Wunder wirken und die Bereitschaft | |
steigern, das eigene Verhalten zu verändern. | |
Häufig verbindet Konfliktpartner eine schwierige Vergangenheit. Einen | |
Neuanfang kann man dann nur kreieren, in dem man lösungsorientiert | |
arbeitet. Ich sage immer: Wir müssen nicht das Schloss verstehen, um mit | |
dem Schlüssel die Tür öffnen zu können. Ja, wir brauchen den Blick zurück, | |
denn wenn man das Vergangene nicht anerkennt, wird es immer wieder Thema | |
werden. Noch wichtiger ist aber eine gemeinsame Zielklärung: Was soll sich | |
verändern? | |
Trotz des Strebens nach Gemeinsamkeit ist es wichtig, stets auf die | |
einzelnen Individuen einzugehen. Bei verhaltensauffälligen Jungen hilft | |
es, Tacheles zu reden, bei sensiblen Eltern braucht es ruhigere Töne. | |
Abschließend ist es wichtig, Klienten darauf vorzubereiten, dass es auch | |
künftig Konflikte geben kann und dass das etwas ganz Normales ist. Man | |
sollte ihnen stets die Möglichkeit eines neuen Vorfalls vor Augen halten, | |
ohne es gleich einen Rückfall zu nennen. Da spielt die Sprache natürlich | |
eine wichtige Rolle. Ein „Rückfall“ würde bedeuten, wieder bei null zu | |
stehen, ein „Vorfall“ zeigt, dass trotzdem schon einiges erreicht wurde. | |
Letztlich ist die fortwährende Arbeit an einer guten Beziehung die beste | |
Vorsorge für die Zukunft. | |
*** | |
Die Spieltheoretikerin | |
Marion Ott, 40, ist Professorin für Spieltheorie und Verhaltensökonomik. | |
Wie können Verhandlungen erfolgreich sein? | |
Auch wenn die Spieltheorie nicht auf jede Verhandlung übertragbar ist, | |
liefert sie spannende Erkenntnisse und wird gerne genutzt, um Verhandlungen | |
zu verbessern – etwa im Fall neuer Wettbewerbssituationen. | |
Damit man die Spieltheorie anwenden kann, braucht es mindestens zwei | |
Akteure, die rational agieren, also ihre Ziele kennen und in der Lage sind, | |
diese zu verfolgen. Alle Akteure müssen dabei wissen, dass die anderen | |
Akteure Ziele haben. Zu jedem Zeitpunkt müssen sich alle Beteiligten auch | |
in die Lage des anderen versetzen können. Emotionen spielen in der | |
Spieltheorie hingegen keine Rolle, sie können nicht berücksichtigt werden. | |
Generell gibt es zwei große Teilbereiche der Spieltheorie. Einmal die | |
nichtkooperative, in der Akteure interagieren, ohne sich absprechen zu | |
können und ohne feste Verträge zu schreiben. Da geht es vor allem darum, | |
das Verhalten der Gegenseite zu antizipieren. Das Optimum ist dann eine | |
Situation, in der es sich für keinen Akteur mehr lohnt, einseitig | |
abzuweichen. Das ist das sogenannte Nash-Gleichgewicht. In der kooperativen | |
Spieltheorie geht es hingegen darum, Verträge so fair und stabil zu | |
gestalten, dass sich die beteiligten Parteien nicht in Teilkoalitionen | |
spalten können. | |
Interessant ist auch der Blick auf das Gefangenendilemma. In dieser | |
Spielsituation werden zwei Gefangene vor die Wahl gestellt, entweder zu | |
gestehen oder die Tat zu leugnen. Leugnen beide, kommen sie mit einer | |
milden Strafe davon, weil man ihnen nicht viel nachweisen kann. Gestehen | |
beide, bekommen sie eine Strafe, die aber berücksichtigt, dass sie | |
gestanden haben. Gesteht nur einer, wird er Kronzeuge und geht straffrei | |
aus. Der andere erhält dann aber die Höchststrafe. Das Urteil hängt also | |
nicht nur von der eigenen Entscheidung, sondern den gemeinsamen Aussagen | |
ab. | |
Das bedeutet: Sich kooperativ zu verhalten kann für das Gesamtergebnis | |
besser sein, als sich nur am eigenen Interesse zu orientieren. | |
5 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
David Gutensohn | |
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