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# taz.de -- Zoff in der Berliner SPD: Mit hängenden Mundwinkeln
> Die Niederlage bei der Bundestagswahl ist noch nicht verdaut. Die SPD
> schreibt bundesweit Papiere, in Berlin steht Bürgermeister Müller in der
> Kritik.
Bild: Steht in seiner Partei in der Kritik: der Berliner Bürgermeister Müller…
Berlin taz | Eine „Großbaustelle“ sei die SPD, befand SPD-Vize Ralf
Stegner, noch bevor sein Bundeschef Martin Schulz bei den so genannten
Dialogveranstaltungen in Hamburg am Samstag und in Leipzig am Sonntag in
die Bütt steigen musste. Seit dem Wochenende graben die SPD-Bagger nun auch
das rot-rot-grüne Gelände in Berlin kräftig um. „Nicht mehr auf der Höhe
der Zeit“ finden die Berliner SPD-Abgeordneten Dennis Buchner und Sven
Kohlmeier ihre Partei. Das Pikante daran: In ihrem Papier fordern sie den
Berliner Regierenden Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzenden Michael
Müller indirekt zum Rücktritt auf.
Statt nach Wahlverlusten abzutreten, wie es der Bremer Bürgermeister Jens
Böhrnsen 2015 tat, würden in Berlin, so die beiden Abgeordneten, „nach
Wahlniederlagen die Verluste der anderen Parteien genüsslich analysiert,
eigene Verluste werden schöngeredet oder verharmlost“. Mit einer Anspielung
auf den zuletzt sehr dünnhäutigen Müller heißt es weiter: „Und dann steht
die Combo wieder gemeinsam auf der Bühne, um mit hängenden Mundwinkeln
weitere Niederlagen entgegenzunehmen.“
Nun könnte man das Papier damit erklären, dass gerade viele Papiere in der
SPD verfasst werden, nicht nur in Berlin, sondern [1][beispielsweise auch
von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz]. Doch einer der Verfasser
des Berliner Papiers ist ein enger Vertrauter des SPD-Fraktionsvorsitzenden
im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh. Saleh war bei der
Mitgliederbefragung für die Nachfolge des Exregierungschefs Klaus Wowereit
zwar krachend gescheitert. Doch Ruhe gibt er seitdem nicht. „Raed Saleh
glaubt noch immer, er sei der bessere Regierende Bürgermeister“, sagt ein
Genosse.
An Gesprächsstoff dürfte es den Berliner Genossinnen und Genossen also
nicht fehlen, wenn Martin Schulz bei seiner Kärrnertour am 12. November in
Berlin eintrifft. Bereits am Vortag kommt die Berliner SPD zu einem
Landesparteitag zusammen, auf dem die Fetzen fliegen könnten. Möglicher
Anlass ist ein Antrag „Grundwerte statt Leitkultur“, dessen Abstimmung auch
als Test für die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptstadt-SPD gilt.
## Konkurrenz für SPD-Chef Müller
Fraktionschef Saleh hatte nach der verlorenen Bundestagswahl dafür
plädiert, die Politik müsse mit der Angst der Bevölkerung vor „kultureller
Überfremdung“ offensiv umgehen. Bei Lesungen [2][aus seinem Buch „Ich
deutsch“] wirbt er darüber hinaus lautstark für eine „neue deutsche
Leitkultur“. Demgegenüber setzen die Unterstützer von Michael Müller auf
universelle Grundwerte.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, könnte Saleh versucht sein, beim
Wahlparteitag Mitte nächsten Jahres Michael Müller als Landeschef ablösen
zu wollen. Doch auch die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey
hat sich zuletzt gegen Müller positioniert. Sie fragte laut, ob „man die
Last nicht auf mehrere Schultern verteilt, indem man das Amt des
Regierenden Bürgermeisters und den Parteivorsitz unterschiedlich besetzt“.
Verstärkt in der Landespolitik tätig sein könnte bald auch die
SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl. Sie könnte Vorsitzende des
Kreisverbandes Mitte werden, der weder dem Lager von Michael Müller noch
dem von Raed Saleh zugerechnet wird.
## Der Ton unter den Genossen ist vergiftet
Müller selbst konzentriert sich derzeit auf die alltägliche Arbeit in der
rot-rot-grünen Senatskoalition – und auf sein Amt als
Bundesratsvorsitzender, das er am Dienstag antreten wird. Pünktlich zu
diesem Termin wirbt er für ein „solidarisches Grundeinkommen“, bei dem auch
ehrenamtliche Arbeit stärker gewürdigt werden soll: „Die zentrale
politische Aufgabe ist heute die Schaffung von persönlicher Sicherheit als
Gegengewicht zu subtilen Ängsten.“
Als sich am Wochenende abzeichnete, dass die unverhohlene
Rücktrittsforderung von einer großen Mehrheit in der Berliner SPD abgelehnt
wurde, ließ sich Saleh mit einem dürren Satz zitieren. „Viele machen sich
Gedanken über den Zustand unserer Partei. Die SPD muss wieder Berlin
verstehen.“
Doch der Ton unter den Genossen bleibt vergiftet. „Quartalsirre“ etwa
nannte der Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg die Verfasser des
Papiers, während ein anderer Genosse auf Facebook die Unterstützer von
Müller als „Speichellecker“ bezeichnete.
30 Oct 2017
## LINKS
[1] /Sozialdemokratische-Tristesse/!5455954
[2] /Raed-Salehs-Buch-ueber-Leitkultur/!5426817
## AUTOREN
Uwe Rada
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