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# taz.de -- Kommentar Streit bei der Linkspartei: Die falsche Front
> Die Linkspartei zerlegt sich in absurden und unübersichtlichen
> Machtkämpfen. Die Energie wäre in der Diskussion über Inhalte besser
> angelegt.
Bild: Die Partei- und Fraktionsspitze der Linken beim Austausch von Höflichkei…
Kürzlich hat die linke Politikerin Halina Wawzyniak einen Tweet an die
Chefin der Linkspartei Katja Kipping geschickt. „Kannst Du noch in den
Spiegel schauen? Leute los werden ist doch einer Deiner Stärken“. Kipping
feuere, so der Vorwurf, wer sich eine eigene Meinung leiste. Wawzyniak und
Kipping sind sich politisch eigentlich ziemlich ähnlich: weltoffen,
linksliberal, intellektuell, feministisch. Beide kommen aus dem Osten und
sind Anhängerinnen des bedingungslosen Grundeinkommens.
Dass sich spinnefeind sein kann, wer sich eigentlich ähnelt, kommt in jeder
Partei und jedem Anglerverein vor. Das Spezielle in der Linkspartei ist,
dass solche Aversionen nicht bloß zufällig zwischen Einzelnen herrschen,
sondern zwischen zwei Gruppen, die sich eigentlich nahe sind: den
Ostpragmatikern um Dietmar Bartsch und der Gruppe um Kipping.
Die Bartsch-Fraktion ist im Grunde brav sozialdemokratisch, manchmal etwas
langweilig. Die Kipping-Gruppe ist urbaner, jünger, westlicher, mit einer
Neigung zur naiven Verherrlichung sozialer Bewegungen. Doch in wesentlichen
Fragen sind sich beide nah. Etwa darin, dass es angesichts der AfD im
Bundestag keine gute Idee ist, nun vier Jahre lang die SPD zu beschimpfen.
Oder dass es der Job der Linkspartei ist, etwas zu verändern und nicht bloß
recht zu haben. Warum sich diese beiden Gruppen trotzdem verachten – das
ist eine lange, windungsreiche Geschichte, die ganz am Rande auch mit
Politik zu tun hat.
Dass sich die Vernünftigen in der Linkspartei gegenseitig mobben, ist ein
Grund, warum das Machtgerangel, das die Fraktion kürzlich bühnenreif
aufführte, so konfus wirkt. Die Fronten verlaufen nicht entlang der
politischen Überzeugungen, sondern kreuz und quer dazu. Das ist auch ein
Effekt des sogenannten Burgfriedens, des Bündnisses, das der Realoflügel
mit dem linken Flügel um Sahra Wagenknecht geschlossen hat – zum Verdruss
der Parteispitze Kipping/Riexinger.
## Wagenknecht nicht mehr Kopf des linken Flügels
Die Allianz Bartsch/Wagenknecht sorgte eine Weile für Ruhe. Jetzt bildet
diese Koalition die Machtverhältnisse nicht mehr ab. Die Ostpragmatiker
haben bei der Bundestagswahl verloren und weniger Gewicht in der neuen
Fraktion. Wagenknecht ist, wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingsfrage,
längst nicht mehr Kopf des linken Flügels.
Den SPD-Mann Carsten Schneider erinnert dieser Machtkampf an das Politbüro.
Falsch, in der SED ging es viel ordentlicher zu. Was bei der Linkspartei
passiert, gleicht eher den destruktiven Rangeleien in der Frühphase der
Grünen. Solche Kämpfe aller gegen alle sind gefährlich. Die verschiedenen
Machtgruppen trauen den jeweils anderen schon lange nur das Schlimmste zu.
Und sie haben damit auch noch recht. Es herrscht eine von politischen
Überzeugungen auf verwirrende Art losgelöste Psychodynamik.
Als Siegerin gilt Wagenknecht, weil sie Kippings Angriff abwehrte. Aber das
ist nur die halbe Wahrheit. Denn dafür musste Wagenknecht mit Rücktritt
drohen. Wer zur Erpressung greifen muss, kaschiert Schwächen. Und bedient
sich eines Mittels, das sich schnell abnutzt. Die Zweifel, ob Wagenknecht
genug Sensoren hat, um eine Fraktion zu führen und nicht nur als Bühne zu
benutzen, dürften gewachsen sein.
## Negative Fixierung auf die SPD
Und nun? Die Linkspartei muss in der Opposition die negative Fixierung auf
die SPD überwinden. Sonst wird sie zur Sekte. Und: Sie muss eine rationale
Debatte über Migration entwickeln. Der gegen Wagenknecht erhobene absurde
Vorwurf, rassistisch zu sein, zeigt, woran die linke Debatte krankt:
Moralisierung und Bekenntniszwang statt Politik.
Manövrierfähig wird die Partei erst wieder, wenn die Vernünftigen ihre
Blockade überwinden, die Debatte über Migration endlich politisch geführt
wird und sich um ein praktikables Einwanderungsgesetz dreht. Der Rest ist
ein Fall für die Supervision.
20 Oct 2017
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Die Linke
Bernd Riexinger
Katja Kipping
Sahra Wagenknecht
Dietmar Bartsch
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Flüchtlinge
Schwerpunkt AfD
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