| # taz.de -- Harald Wolf über Streit in der Linkspartei: „Ich hoffe, ich habe… | |
| > Der neue Bundesgeschäftsführer der Linken, Harald Wolf, versucht sich an | |
| > der kniffligen Aufgabe, die Partei zusammenzuführen. | |
| Bild: Ballonfreund Harald Wolf. Welcher Ballon passt nicht zur Partei „Die Li… | |
| taz: Herr Wolf, Sie sind seit dem Wochenende neuer Bundesgeschäftsführer | |
| der Linkspartei. Ihr Vorgänger, Matthias Höhn, ist zurückgetreten, weil er | |
| im schwelenden Streit zwischen Partei- und Fraktionsvorstand zwischen die | |
| Fronten geraten ist. Das kann Ihnen nicht passieren? | |
| Harald Wolf: Eine Garantie gibt es nicht. Das ist derzeit keine einfache | |
| Situation in der Linken, das ist ja offensichtlich. Doch die Turbulenzen um | |
| personelle und politische Auseinandersetzungen sind das eine, gleichzeitig | |
| haben wir in diesem Jahr 7.000 neue Mitglieder hinzugewonnen und das | |
| zweitbeste Wahlergebnis unserer Parteigeschichte erzielt. Wir müssen | |
| wegkommen von der personalisierten Diskussion, von den gegenseitigen | |
| Verletzungen und uns den anstehenden inhaltlichen Fragen zuwenden. | |
| Welche sind das? | |
| Eine zentrale Frage ist, wie wir die Menschen, die aus den urbanen Milieus | |
| ihren Weg in die Linkspartei finden, adressieren und gleichzeitig auf die | |
| Verluste im ländlichen Raum in den ostdeutschen Bundesländern reagieren. | |
| Wir müssen aus dieser falschen Polarisierung rauskommen und versuchen, | |
| beides zu verbinden. Das wird keine einfache Aufgabe. | |
| Die Neumitglieder kommen vorwiegend aus dem akademisch gebildeten, urbanen | |
| Milieu, bei Arbeitslosen und einfachen Arbeitern kommt die Partei dagegen | |
| immer weniger an. Muss man sich nicht in Zukunft stärker fokussieren? | |
| Nein, ein Entweder- oder ist falsch. Für uns ist klar, dass die soziale | |
| Frage ganz vorn steht. Wir müssen unsere Präsenz in den sozialen | |
| Brennpunkten verstärken. Aber unter prekärer Beschäftigung leiden nicht nur | |
| sogenannte Modernisierungsverlierer, sondern auch junge Akademiker, die nur | |
| befristete Verträge bekommen. | |
| Im Streit darüber, wen die Linke künftig repräsentiert, steht die | |
| Parteivorsitzende Katja Kipping für die grünen Hipster, während sich Sahra | |
| Wagenknecht zur Anwältin der einfachen Arbeiter macht, die Angst vor | |
| Zuwanderern haben. Sehen Sie sich in der Lage, die verhärteten Fronten | |
| zwischen der Parteiführung und der Fraktionsführung aufzuweichen? | |
| Ich sehe mich nicht als Kandidat eines Lagers, sondern bin kommissarischer | |
| Geschäftsführer für die gesamte Partei. Meine Aufgabe wird auch keine reine | |
| Vermittlungsfunktion sein. Wir müssen versuchen, diese innerparteiliche | |
| Debatte zu öffnen und auch Vertreter von sozialen Bewegungen und | |
| Gewerkschaften mit zu Wort kommen lassen. Denn wenn es um die Spaltung der | |
| Gesellschaft geht, um den Rechtsruck, stehen andere doch vor ähnlichen | |
| Problemen wie die Linkspartei. | |
| Wie verbindet man die verschiedenen Milieus? | |
| Indem wir eine humanitäre Flüchtlingspolitik mit sozialen Fragestellungen | |
| verbinden. Wenn Unternehmen im Verbund mit FDP und Union versuchen, den | |
| Mindestlohn auszuhöhlen, indem die Dokumentationspflicht verwässert wird | |
| und Ausnahmeregelungen für Flüchtlinge und PraktikantInnen wollen, dann | |
| weckt das Konkurrenzängste. Es geht in diesem Fall darum, das Verbindende | |
| herauszuarbeiten und den Mindestlohn zu verteidigen. | |
| Haben Sie mit dieser Argumentation auch das Ohr der Fraktionsvorsitzenden | |
| Sahra Wagenknecht? | |
| Ich hoffe, ich habe das Ohr aller Parteimitglieder. | |
| Sahra Wagenknecht hat sich [1][in einem Interview mit der] Welt gegen | |
| wirtschaftlich motivierte Migration ausgesprochen. Diese müsse verhindert | |
| werden, indem die Menschen zu Hause eine Perspektive bekämen, und wieso | |
| könne Deutschland seine Fachkräfte nicht selbst ausbilden. Wie stehen Sie | |
| dazu? | |
| Ich sehe nicht, wieso die Fachkräfteausbildung nur auf Deutsche beschränkt | |
| sein soll. Wir bilden in den Betrieben und an den Hochschulen längst auch | |
| ausländische Fachkräfte aus. Im Übrigen ist es gut, dass wir die Diskussion | |
| über Einwanderung jetzt führen, und zwar zunächst in den Gremien. In der | |
| letzten Zeit haben wir solche Debatten zu oft außerhalb der Gremien | |
| geführt, das war ein Fehler. Wir werden im Parteivorstand im Dezember eine | |
| offene Diskussion über das Konzept eines linken Einwanderungsgesetzes | |
| beginnen. | |
| Ob man überhaupt ein Einwanderungsgesetz braucht, ist innerhalb der | |
| Linkspartei heftig umstritten, wie lange wird es dauern, bis es kracht? | |
| Wir werden ohne schnellen Entscheidungsdruck das Für und Wider abwägen. Wir | |
| nehmen uns Zeit, weil wir sonst wieder in die Polarisierungslogik | |
| verfallen. Richtig ist, dass es in der Partei ein breites Spektrum gibt von | |
| denjenigen, die dagegen sind, Einwanderung nach Nützlichkeitskriterien zu | |
| regulieren, weil das bedeutet, dass wir uns die Rosinen herauspicken, bis | |
| zu jenen, die sagen, wir müssen Einwanderung zum Zwecke der Arbeitsaufnahme | |
| regeln, ohne in die Falle des „Nützlichkeitsrassismus“ zu tappen. Das | |
| sollten wir alles intensiv miteinander diskutieren. | |
| Eine weitere Aufgabe, die auf Sie zukommt, wird die Vorbereitung des | |
| Europawahlkampfs sein. Auch in ihrer Haltung zur Zukunft der EU ist die | |
| Linkspartei zerstritten. Wie gehen Sie damit um? | |
| Ich habe klar gemacht, dass wir sehr frühzeitig damit beginnen müssen, zu | |
| diskutieren, mit welchen Positionen wir in die Europawahl gehen. Ich selbst | |
| bin Mitglied der Initiative „Europa neu begründen“, ich habe eine | |
| grundsätzlich positive Haltung zur europäischen Einigung, deshalb | |
| kritisiere ich die gegenwärtige neoliberale Verfasstheit der EU | |
| grundlegend. Die gegenwärtige deutsche Europapolitik mit der verordneten | |
| Austerität ist der Nährboden für Nationalismus und Rechtspopulismus. | |
| Sie müssen also die heißesten Themen, die es in der Linkspartei gibt, | |
| angehen, und das in einer Zeit größtmöglicher Spannungen. Wieso hatten Sie | |
| Lust, den Job als Bundesgeschäftsführer zu übernehmen? | |
| Wenn es einfach wäre, wäre es doch langweilig. | |
| 13 Nov 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article170519042/Zynischer-geht-s-n… | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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