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# taz.de -- Schweizer Spitzel vor Gericht: Ein Deal für den Spion
> Daniel M. soll Steuerfahnder in NRW ausgespäht und dafür Zehntausende
> Euro kassiert haben. Er könnte mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Bild: Die Regierung hätte auch auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Danie…
FRANKFURT AM MAIN taz | Ein Schweizer Spion in Deutschland? Das klingt
schon reichlich bizarr. Doch inzwischen ist relativ sicher, dass Daniel M.
die Steuerfahndung von Nordrhein-Westfalen ausspioniert hat. Offen ist
noch, was ihm im Detail nachgewiesen werden kann. Wahrscheinlich aber ist,
dass M. glimpflich davonkommt. Am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, an
dem der Prozess gegen ihn am Mittwoch eröffnet wurde, wird ein Deal
vorbereitet. Am Ende wird es wohl auf eine Bewährungsstrafe für M.
hinauslaufen.
Der Angeklagte ist ein ehemaliger Züricher Polizist. Ab dem Jahr 2000
arbeitete er für die Konzernsicherheit der Schweizer Bank UBS. Von 2010 an
hatte M. ein eigenes Unternehmen als Privatdetektiv. Im Frankfurter
Gerichtssaal wirkte er unauffällig: mittelgroß, gestutzter Vollbart,
dunkelrotes Hemd ohne Sakko.
M. ist angeklagt wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für den
Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Konkret soll er 2011 für
10.000 Euro Informationen über drei NRW-Steuerfahnder besorgt haben.
Außerdem soll er für 90.000 Euro eine Quelle in der NRW-Steuerfahndung
platziert haben. Rund fünfmal soll er zudem eine Spesenpauschale von 3.000
Franken kassiert haben.
Der Konflikt zwischen Deutschland und der Schweiz begann 2010. Damals
kaufte NRW erstmals eine CD mit Schweizer Bankdaten. Das Land zahlt 2,5
Millionen Euro an einen Mittelsmann und erhielt dafür Informationen über
(mutmaßlich nicht versteuerte) deutsche Geldanlagen in Höhe von 1,2
Milliarden Euro bei der Bank Credit Suisse.
Die Schweiz sah im Vorgehen der Deutschen strafbares Handeln. Im Jahr 2012
wurde gegen drei NRW-Steuerfahnder sogar ein Schweizer Haftbefehl erlassen,
unter anderem wegen Beihilfe zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst.
Bekanntester Betroffener ist Peter Beckhoff, bis Mai diesen Jahres leitete
er die Steuerfahndung in Wuppertal. Die drei Haftbefehle sind wohl immer
noch in Kraft, obwohl einer der Fahnder bereits gestorben ist.
Parallel dazu soll der Schweizer Geheimdienst NDB Daniel M. mit
Nachforschungen beauftragt haben. In der Anklageschrift wird angenommen,
dass seine Informationen in den Schweizer Haftbefehl eingeflossen sind. Die
Schweizer Justiz bestreitet das. Der angebliche Maulwurf in der
NRW-Finanzverwaltung sollte dem NDB zudem offenbaren, wie die NRW-Fahnder
beim Ankauf von Steuer-CDs vorgehen. Ob es diese Quelle tatsächlich gegeben
hat, ist bis heute umstritten. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft kennt auch
keinen Namen. M.s Anwalt Robert Kain betonte: „Für 90.000 Euro können Sie
keinen deutschen Finanzbeamten kaufen.“
## Wer hat die Finger mit im Spiel? Werner Mauss
Besonders skurril ist, wie M. aufgeflogen ist. Eine zentrale Rolle spielte
dabei der legendäre deutsche Geheimagent Werner Mauss. Er forderte M. auf,
Schweizer Bankdaten zu besorgen, angeblich ohne von M.s NDB-Engagement zu
wissen. M. tat so, als ob er solche Daten bekommen könne. Mauss verpfiff
ihn daraufhin bei seinem ehemaligen Arbeitgeber UBS. Die Bank zeigte M.
2014 an. Im Jahr 2015 wurde M. von der Berner Polizei festgenommen. Um die
Schweizer Polizisten milde zu stimmen, erklärte M. von sich aus, dass er ja
eigentlich ein Schweizer Spion sei und die deutsche Steuerverwaltung
ausforsche.
Das entsprechende Protokoll fand dann aber Mauss, der als
Verfahrensbeteiligter Akteneinsicht nahm. Er informierte die
Staatsanwaltschaft Bochum über den mutmaßlichen Spion. Zufällig stand Mauss
nämlich gerade selbst in Bochum wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.
Anfang Oktober wurde Mauss zu einer überraschend milden Bewährungsstrafe
verurteilt – angeblich aus Respekt vor Mauss’ „Lebensleistung“.
So also kamen in Deutschland Ermittlungen gegen M. wegen Spionage in Gang.
Im April 2017 wurde M. in einem Hotel in Frankfurt festgenommen. Er war
gekommen, um sich mit Klaus-Dieter Ma. zu treffen, einem deutschen
Expolizisten, mit dem er regelmäßig zusammenarbeitete, auch bei der
Ausspähung der NRW-Steuerfahnder. Ma. ist bisher aber nicht angeklagt.
Angeblich wusste Ma. nicht, dass sein Schweizer Partner M. im Auftrag des
Schweizer Geheimdienstes tätig war. M. aber landete in deutscher U-Haft und
kam bis zum Prozessbeginn an diesem Mittwoch nicht frei – wegen
Fluchtgefahr in die Schweiz.
Gleich zu Beginn der Verhandlung am Oberlandesgericht Frankfurt regte M.s
Anwalt Robert Kain einen Deal zur Verfahrensbeendigung an. Gericht und
Bundesanwaltschaft zeigten sich interessiert. Nach einem rund einstündigen
nichtöffentlichen Rechtsgespräch stellten Ankläger und Richter eine
Bewährungsstrafe in Höhe von eineinhalb bis zwei Jahren in Aussicht, wenn
M. ein glaubwürdiges und belastbares Geständnis liefert. Als
Bewährungsauflage waren 50.000 Euro im Gespräch.
Anwalt Kain reagierte zurückhaltend: „Mein Mandant kann über die Identität
der angeblichen Quelle in der NRW-Finanzverwaltung nichts sagen, weil es
diese Quelle nicht gab.“ Es könne vom Angeklagten nicht erwartet werden,
dass er ein falsches Geständnis ablege. Das will natürlich auch das Gericht
nicht, versicherte der Vorsitzende Richter Josef Bill. Aber M. müsse
zumindest nachvollziehbar erklären, wofür er vom NDB Geld erhalten hat und
wohin das Geld geflossen ist. Laut Anklage wurden zumindest 60.000 der
versprochenen 90.000 Euro ausgezahlt. Je 10.000 Euro sollen M. und sein
Partner Ma. für sich behalten haben. 40.000 gingen an bisher nicht bekannte
Personen, angeblich als „Motivationszahlungen“.
## Verfahrensabschluss schon im Oktober oder November
Beim nächsten Verhandlungstermin, Donnerstag in einer Woche, soll die
Absprache zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft geschlossen
werden. Anschließend werde M. seine Aussage machen und sich befragen
lassen, kündigte Anwalt Kain an. Ursprünglich waren 20 Verhandlungstage für
den Prozess angesetzt. Nun dürfte er wohl schon im Oktober oder November zu
Ende gehen.
Inzwischen ist die Stimmung zwischen Deutschland und der Schweiz wieder
ziemlich entspannt. Anfang des Jahres unterzeichneten die beiden Nachbarn
sogar ein No-Spy-Abkommen und versprachen, sich nicht mehr gegenseitig
auszuspähen. Die Schweiz hat auch den Schutz von Steuerhinterziehern
gelockert und wird ab 2018 am automatischen Informationsaustausch mit den
EU-Staaten teilnehmen.
Insofern ist es erstaunlich, dass der Prozess gegen Daniel M. überhaupt
stattfindet. Die Bundesregierung hätte auch auf eine Einstellung des
Verfahrens dringen können. Bei Spionageverfahren ist so etwas nicht
unüblich. Aber so ein kleines Signal wollte man wohl doch setzen. Und
vermutlich war auch der Bundesregierung klar, dass das Verfahren mit einer
moderaten Strafe und damit ohne neue diplomatische Verwicklungen enden
wird.
18 Oct 2017
## AUTOREN
Christian Rath
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