# taz.de -- Schwierige Zeiten für Linke-Fraktion: Machtkampf in Linkspartei es… | |
> Im Streit um die Machtverhältnisse in der Linkspartei gehen Fraktions- | |
> und Parteivorstand in die ultimative Auseinandersetzung. | |
Bild: Die Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht und Bartsch bei der Fraktionsklausu… | |
POTSDAM taz | Ausgerechnet die Comfort Lounge hatte die neue Fraktion der | |
Linkspartei für ihre Klausurtagung im Kongresshotel Potsdam gemietet. Doch | |
es nützte nichts. Es wurde ungemütlich. An diesem Dienstag eskalierte in | |
Potsdam der Machtkampf in der Linkspartei. Nur wenige Stunden vor Beginn | |
des Treffens verschickte die designierte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht | |
einen Brief an alle 69 frisch gewählten Bundestagsabgeordneten. Darin | |
stellte sie den Fraktionsmitgliedern ein Ultimatum: Entweder Wagenknecht | |
würde zu ihren Bedingungen gewählt – oder gar nicht. Der Brief, hieß es aus | |
Fraktionskreisen, sei mit Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch abgesprochen. | |
Mit dem Ultimatum trieb Wagenknecht den schwelenden Machtkampf in der | |
Partei auf die Spitze. Sie griff insbesondere die beiden Parteivorsitzenden | |
Katja Kipping und Bernd Riexinger scharf an, bezichtigte sie einer offenen | |
Kampagne und des Versuchs sie zu demontieren. | |
Wagenknecht fürchtet, die Parteiführung wolle sie mit eigenen Vertrauten im | |
Fraktionsvorstand einmauern – und so inhaltlich kalt stellen. Sie empört | |
sich etwa über Geschäftsordnungsanträge, die den Parteivorsitzenden | |
Stimmrecht im Fraktionsvorstand und ein gleichberechtigtes Rederecht im | |
Plenum verschaffen sollen. „Beides liefe letztlich darauf hinaus, dass die | |
Fraktion von den Parteivorsitzenden übernommen wird, während den | |
Fraktionsvorsitzenden nicht viel mehr als der Titel auf ihren Visitenkarten | |
verbliebe.“ | |
Dann drohte sie: „Allerdings kann ich Bernd Riexinger und Katja Kipping | |
beruhigen: sie werden sich nicht die Mühe machen müssen, mich über Monate | |
wegzumobben.“ Sollten etwa die Geschäftsordnungsanträge zum Stimm- und | |
gleichberechtigten Rederecht der Parteivorsitzenden durchkommen, würde sie | |
nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung stehen. | |
Der ehemalige Parteivorsitzende Klaus Ernst musste über den Vorwurf der | |
„Entmachtung“ lachen. Natürlich müssten die Parteivorsitzenden ein | |
Stimmrecht im Vorstand haben, sagte er. Das sei zu seiner Zeit auch üblich | |
gewesen. Dass es unterschiedliche Meinung gebe sei normal. Ernst: Wenn | |
Wagenknecht und Bartsch sicherstellen wollten, dass der Fraktionsvorstand | |
immer ihrer Meinung sei, „da müssten se sich schon klonen und zehn Mal in | |
den Vorstand setzen.“ | |
## Ausspräche bis nach Sonnenuntergang | |
Die sechs Antragsteller wollten sich zunächst nicht einschüchtern lassen. | |
„Für ein Zurückziehen gibt es keinen Anlass“, sagte Niema Movassat, einer | |
der Abgeordneten, der taz. „Es geht nicht um eine Schwächung der | |
Fraktionsvorsitzenden, sondern darum, der Partei wieder mehr Geltung zu | |
verschaffen.“ Movassat gehört zum Landesverband Nordrhein-Westfalen, | |
eigentlich die Hausmacht von Fraktionschefin Wagenknecht. Er wehrte sich | |
wie auch andere Antragsteller gegen den Vorwurf, im Auftrag der | |
Parteiführung zu handeln. | |
Bis nach Sonnenuntergang dauerte die Aussprache, in der beide Seiten | |
versuchten insbesondere die neuen Fraktionsmitglieder auf ihre Seite zu | |
ziehen. Alt-Star Gregor Gysi sprach sich etwa für ein Stimmrecht der | |
Parteiführung aus, beim gleichberechtigten Rederecht riet er zum Rückzug. | |
Am Abend arbeitete Gysi dann einen entsprechenden Kompromissvorschlag aus. | |
Später zog sich das Quartett Kipping, Riexinger, Wagenknecht, Bartsch | |
zurück und versuchte zu einer gesichtswahrenden Lösung zu kommen. | |
Ausgerechnet in einem Raum mit verglaster Wand traf man sich zur | |
Krisensitzung – so transparent kracht man sich nur in der Linkspartei. Aus | |
der Parteiführung hieß es zuvor bereits, man halte an Wagenknecht und | |
Bartsch fest. | |
Die Debatte hinter verschlossenen Türen wurde von vielen Abgeordneten | |
dennoch als freundlich und meist lösungsorientiert beschrieben. „Man hört | |
sich zu, man beleidigt sich nicht“, berichtete die neue, parteilose | |
Abgeordnete Anke Domscheit-Berg. „Das macht mir Hoffnung.“ | |
Offenbar wollten sich die meisten Fraktionsmitglieder nicht in die Kabalen | |
der Führung hineinziehen lassen, sondern ihre Arbeit machen, spricht | |
Politik. | |
Wenn dann am späten Abend die Fraktionsführung steht, kann sich die | |
Linksfraktion auch inhaltlichen Fragen zuwenden: Wie geht sie künftig mit | |
der AfD um? Diese Frage steht am Mittwoch auf der Tagesordnung. | |
17 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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