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# taz.de -- Linker Kritiker über Wagenknecht: „Rassismus beginnt beim Selekt…
> Der Philosoph Thomas Seibert hat den offenen Brief gegen Sahra
> Wagenknecht unterzeichnet. Er begründet, warum er sie für rassistisch
> hält.
Bild: Wagenknecht verstärke gezielt die Stimmung, in der Radikalismus wächst,…
taz: Herr Seibert, [1][halten Sie Sahra Wagenknecht für rassistisch?]
Thomas Seibert: Wagenknecht stärkt rassistische Positionen in der
Wählerschaft der politischen Linken und damit den diffusen Rassismus in
rund einem Viertel unserer Gesellschaft. Streng verstanden ist das selbst
Rassismus.
Ist das nicht maßlos übertrieben?
Sie ist keine bekennende Rassistin. Auch viele der AfD-Wählerinnen sind das
nicht. Doch beginnt Rassismus nicht erst mit dem ausdrücklichen Bekenntnis
zur Überlegenheit der weißen Rasse und der deutschen Blutsgemeinschaft.
Rassismus liegt dort vor, wo Menschen nach entsprechenden Merkmalen
selektiert werden: in solche, die hierhergehören, und solche, die hier nur
geduldet sind und bald wieder wegsollen. Das denkt sie wirklich.
Wollen Sie ernsthaft alle, die skeptisch gegenüber offenen Grenzen sind,
unter Rassismusverdacht stellen?
Bleiben wir zunächst beim Selektieren. Wenn Reisende an deutschen Flughäfen
schon vor dem Betreten deutschen Hoheitsgebiets in eine Vorkontrolle
geraten, in denen alle Weißen durchgewunken und alle offenkundig
Nichtweißen gestoppt und nach ihrem Pass gefragt werden, dann ist das
institutionalisierter Rassismus: racial profiling. Die Zollbeamten nehmen
daran teil, auch wenn sie selbst fern jedes rassistischen Bekenntnisses
sind. Wenn eine politische Ordnung konstitutiv dasselbe tut, ist sie eine
rassistische Ordnung. Wer sich aktiv an der Reproduktion dieser Ordnung
beteiligt, nimmt daran teil. Wer diese Ordnung nicht nur reproduzieren,
sondern in ihrem exkludierenden Charakter noch verschärfen will, steckt da
noch tiefer drin als der Zöllner, dem sein Handeln vielleicht sogar
leidtut.
Wagenknecht hat im Bundestag, wie die Linksfraktion, gegen alle
Asylverschärfungen gestimmt. Wie passt das zu dem Rassismus-Etikett, das
[2][der offene Brief] ihr anhängt?
Oskar Lafontaine hat noch als Ministerpräsident federführend an der
Verschärfung des Asylrechts mitgewirkt – schon vergessen?
Das war 1992. Wollen Sie Wagenknecht dafür verantwortlich machen?
Wagenknecht schließt daran an und verstärkt gezielt die Stimmung, in der
der Abbau der Rechte nichtdeutscher Menschen fortgesetzt wird und noch
weiter radikalisiert zu werden droht. Das alles in einer Situation, in der
die Kanzlerin durch ihr „Wir schaffen das!“ einen umgekehrten Weg eröffnet
und unsere Gesellschaft damit vor ein Entweder-Oder gestellt hat: Ja, wir
schaffen das und schaffen damit auch eine andere, eine weltoffenere
Gesellschaft – oder nein, wir schaffen und wollen das nicht, wollen unter
uns bleiben. Wagenknecht hat dieses Entweder-Oder für sich nach der zweiten
Option entschieden, nicht anders übrigens als Nahles oder Kretschmann.
Also gehören Nahles und Kretschmann auch unter Rassismusverdacht?
Ja, natürlich. In diesem Land haben sich Millionen für den Weg des „Wir
schaffen das“ entschieden. Linke Politik schließt daran an – oder sie ist
keine linke Politik. Wenn man das „Wir schaffen das!“ wählt, kann man
natürlich Zweifel haben, ob dann diese oder jene Wendung des Wegs die
praktisch richtige sein wird: So verstanden, ist Skepsis gegen offene
Grenzen natürlich legitim. Aber Wagenknecht stellt sich der politischen
Wahl des „Wir schaffen das!“ aktiv entgegen.
Der offene Brief diskutiert keine konkreten Äußerungen, sondern ist eine
pauschale Attacke auf Wagenknecht. Ist Exkommunikation aus der Reihe der
Rechtgläubigen nicht ein Ritual linker Debatten, das man besser hinter sich
lässt?
Es geht nicht um innerlinke Querelen, sondern um Merkels Entweder-Oder und
die Zukunft unserer Gesellschaft. Geben wir dem rassistischen Viertel
weiter Raum, oder sammeln wir eine Mehrheit für das „Wir schaffen das!“
Hier ist die Rose, hier tanze!
Jan Korte, unverdächtig, Wagenknecht-Fan zu sein, sagt: „Wer die
Fraktionschefin in die rassistische Ecke stellt, hat nicht alle Tassen im
Schrank.“ Der offene Brief erzeugt, weil er so leichtfertig mit dem
Rassismusvorwurf hantiert, einen Schulterschluss. Er isoliert Wagenknechts
Position in der Linkspartei nicht – im Gegenteil.
Die Frage ist nicht, was wer zu dem Brief sagt. Wichtig ist, welche
Entscheidung die Partei letztendlich trifft. Sie hat mehrfach schon
versucht, Wagenknecht zu stoppen. Die hat sich darüber immer wieder
hinweggesetzt. Was wird verbindlich sein: ihre Position oder das
Parteiprogramm?
15 Oct 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Stefan Reinecke
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