# taz.de -- Kommentar Lafontaines Populismus: Nützlicher Idiot | |
> Oskar Lafontaine greift die Flüchtlingspolitik seiner Parteispitze an. | |
> Damit stellt er das Existenzprinzip einer linken Partei in Frage. | |
Bild: Populismus ist ihm nicht fremd | |
Noch in der Wahlnacht hatte [1][Sahra Wagenknecht den Grund für das | |
unbefriedigende Wahlergebnis der Linkspartei] ausgemacht: Die Linkspartei | |
habe es sich in der Flüchtlingsfrage vielleicht zu leicht gemacht. Damit | |
meinte sie die dominierende Parteilinie, Geflüchteten generell, ganz im | |
Sinne des klassischen Asylrechts, Aufnahme zu gewähren. | |
[2][Oskar Lafontaine legte kurz darauf nach] und beklagte, dass die Partei | |
die Nöte der Arbeitslosen und Arbeiter aus dem Blick verloren und | |
stattdessen zumindest implizit die kurzsichtige Flüchtlingspolitik der | |
Kanzlerin unterstützt habe, rhetorisch sogar darüber hinaus gegangen sei. | |
Damit sei sie sowohl wahlstrategisch, als auch politisch-ideell und mit den | |
Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger auch personell falsch aufgestellt | |
gewesen. | |
Zunächst einmal argumentiert Lafontaine inhuman, wenn er Menschen nicht | |
dort helfen mag, wo sie akut in Not sind, sondern auf die abstrakte | |
Möglichkeit der Hilfe in den Herkunftsländern verweist. Niemand wird die | |
Notwendigkeit bestreiten wollen, „Hunger und Krankheit in den | |
Armutsgebieten zu bekämpfen“. Aber was genau hätte ein Minister oder | |
Kanzler Lafontaine denn 2015 den in Ungarn und Serbien Gestrandeten sagen | |
wollen? Dass sie leider am falschen Ort Hunger und Krankheit litten und | |
deshalb auf Unterstützung aus Deutschland verzichten müssten? | |
Des weiteren spricht Lafontaine voll taktischem Kalkül mit vollster Absicht | |
Ressentiments an, die letztlich rein populistische Stimmungsmache sind und | |
im Kern Rassismus und Xenophobie bedienen. Die Mieten steigen, die Schulen | |
werden schlechter, es sind gar nicht die Bedürftigsten, die da kommen, | |
schließlich könnten die sich gar keine Schlepper leisten. Der Verweis auf | |
Kriminalität und Terrorismus fehlt, ist aber, soviel darf wohl unterstellt | |
werden, als mögliche Assoziation beim Publikum billigend in Kauf genommen. | |
Glaubt Lafontaine tatsächlich, dass die Schulen besser würden und die | |
Mieten sänken, wenn nur die Flüchtlinge nicht ins Land kämen? | |
Natürlich glaubt er das nicht. Er glaubt, dass mit dieser Rhetorik | |
Wählerschichten für die Linke (zurück)erobert werden könnten, die sonst | |
unwiederbringlich an rechte Parteien verloren gehen würden. WählerInnen | |
sollen gewonnen werden, indem man ihre niedrigsten Instinkte anspricht, | |
erklärtermaßen den nationalen Ausschluss anstrebt und Solidarität als rein | |
nationales Projekt anonnciert. | |
## Hilfe für die Rüstungsindustrie | |
Teil der linken Pose, die dann noch bleiben mag, ist die verhalten | |
antikapitalistische und zugegebenermaßen entschieden antimilitaristische | |
Grundhaltung und so schreibt Lafontaine: „Wenn man die Milliarden, die für | |
Interventionskriege und Rüstung ausgegeben werden, dazu nutzt, den Ärmsten | |
in der Welt zu helfen, dann könnte viel Gutes bewirkt werden.“ Sicher, und | |
wenn man aufhören würde, die Angst vor den Ärmsten dieser Welt zu befeuern, | |
würden vielleicht nicht kritiklos Milliarden für die europäische | |
Grenzsicherung verschleudert. | |
Die schmutzigen Deals mit Despoten und Warlords sind schließlich nur die | |
Spitze des Eisberges. Ein riesiger, vornehmlich deutscher Rüstungskomplex | |
verdient mit dem Verkauf von Drohnen, Zäunen und Waffensystemen zur | |
Flüchtlingsabwehr mehr Geld, als Tayyip Erdoğan zählen kann. Einen besseren | |
Werbeträger als Oskar Lafontaine kann sich dieser militärisch-industrielle | |
Komplex kaum vorstellen. | |
Wenn Lafontaines Analyse nun aber richtig ist, dass eine großer Teil der | |
potentiellen WählerInnen der Linkspartei derzeit nur über nationalistische | |
und (proto)rassistische Ansprache erreichbar sein kann, dann ist sein | |
Anbiedern an diese Verhältnisse im besten Falle Faulheit, im schlechtesten | |
eine politische Bankrotterklärung. Denn offensichtlich fehlen ihm die | |
Phantasie und der Wille, die Verhältnisse zu ändern. Der Drang zur | |
Veränderung jedoch wäre die einzige Existenzberechtigung einer Partei links | |
der Sozialdemokratie, egal ob in der Opposition oder mit realistischer | |
Machtoption. | |
28 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Linke-und-Fluechtlingspolitik/!5450478 | |
[2] https://www.facebook.com/oskarlafontaine/posts/1552437538151041 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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