# taz.de -- Kommentar Wagenknecht und Lafontaine: Rechte Fantasien auf links ge… | |
> Die einen in der Partei versuchen die Debatte um Flucht und Migration zu | |
> versachlichen. Lafontaine dagegen spielt wieder die populistische Karte | |
> aus. | |
Bild: Wagenknecht und Lafontaine glauben, dass sie mit Abschottungsfantasien ei… | |
Die innerparteiliche Debatte der Linken um Migrations- und Asylpolitik | |
nimmt kein Ende. Erneut stellen sich die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, | |
Sahra Wagenknecht und der Vorsitzende der saarländischen Landtagsfraktion, | |
Oskar Lafontaine, öffentlich gegen die bisherige Parteilinie einer Politik | |
offener Grenzen und besonders geförderter Integration von nach Deutschland | |
Zuwandernden. | |
Vor allem Lafontaine spielt wieder die populistische Karte aus und scheut | |
nicht davor zurück, aus der Luft gegriffene Zahlen einzustreuen. In einem | |
[1][Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)] äußert er: „Da | |
eine Gesellschaft ebenso wie jeder einzelne Mensch nur in begrenztem Umfang | |
helfen kann, kommt auch die Linke an einer Begrenzung und Steuerung der | |
Zuwanderung nicht vorbei. Bleiberecht und 1050 Euro für alle, die zu uns | |
kommen, sind wirklichkeitsfremd.“ | |
Dass es ihm und auch Wagenknecht mit ihren Beiträgen wohl nicht um eine | |
konstruktive Ausarbeitung der Parteiposition geht, um eine Diskussion | |
praktischer Implementierung erster Schritte hin zur Verwirklichung einer | |
politischen Vision, liegt auf der Hand. Schließlich gibt es seit Anfang des | |
Jahres [2][ein Arbeitspapier mehrerer Landtagsfraktionen], in dem mögliche | |
Anforderungen an ein linkes Einwanderungsgesetz dargestellt werden. | |
Wagenknecht wischt das Konzept [3][in einem Interview mit der] Welt einfach | |
als „unseriös“ vom Tisch. | |
Sicherlich hat dieses Papier Leerstellen und stellt zum Teil wenig | |
realistische Forderungen auf. Die AutorInnen laden aber unmissverständlich | |
zum Gespräch darüber ein, wie die Utopie einer humanistischen und | |
solidarischen Gesellschaft ein Fundament bekommen kann. Warum nun | |
Wagenknecht ihren Plan, Waffenexporte in Krisengebiete und die | |
Ausplünderung ärmerer Länder einzustellen, überhaupt als konkurrierende | |
Idee und nicht als notwendigen Teil eine nachhaltigen Migrationspolitik | |
darstellt, bleibt unklar. | |
## „Bewegung“ statt demokratische Debatte | |
Weshalb ihre Forderungen nun „seriöser“, weniger „wirklichkeitsfremd“ … | |
in einem irgendwie überschaubareren Zeitrahmen umsetzbar sein sollen als | |
die in dem Fraktionspapier vorgeschlagene Eingliederung von | |
AsylbewerberInnen, Flüchtlingen und ArbeitsmigrantInnen in das deutsche | |
Sozialsystem, erläutert Wagenknecht ebenfalls nicht. | |
Es bemühen sich also FunktionsträgerInnen und BasisvertreterInnen der | |
Linken auf der einen Seite, die von rassistischen Ressentiments und | |
nationalistischer Hysterie vergiftete Debatte um Flucht und Migration zu | |
versachlichen und damit überhaupt öffentlichen Raum für möglicherweise | |
drängendere Fragen zu schaffen, wie zum Beispiel eine sozialere Politik für | |
ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen. | |
Auf der anderen Seite glauben unter anderem Lafontaine und Wagenknecht | |
offenbar weiterhin – bar jeder Evidenz –, dass sie rechte | |
Abschottungsfantasien gewissermaßen auf links drehen und damit ein | |
signifikantes WählerInnenpotentiel erreichen könnten. | |
Lafontaine belässt es nicht dabei, den inhaltlich-propagandistischen | |
Dissens deutlich zu machen, er denkt anscheinend schon an den nächsten | |
Schritt, folgt die Partei nicht seinem Konzept eines „linken“ Populismus. | |
So sagt er in dem RND-Interview auch: „Wir brauchen eine neue | |
Sammlungsbewegung der politischen Linken. In Frankreich kann man | |
beobachten, wie neue politische Bewegungen wie „La France insoumise“ und | |
„La République en marche“ versuchen, das erstarrte Parteiensystem zu | |
überwinden.“ | |
## Ego ist kein linkes Programm | |
Dass nun ausgerechnet auf einzelne Führungspersonen zugeschnittene | |
politische Strukturen wie Macrons und Melenchons Wahlvereine Vorbild für | |
eine neue Linke sein sollen, ergänzt passgenau den Unwillen, sich mit so | |
lästigem Kleinkram wie der Debatte um konkrete Lösungsvorschläge, zum | |
Beispiel in der Migrationspolitik, beschäftigen zu müssen. | |
Überlebensgroße Hologramme uneingeschränkter Führungspersonen die bejubelte | |
Marktplatzreden halten, haben gewiss viel mehr Sexappeal als langwierige | |
Arbeitsgruppen in einer engagierten Mitgliederpartei. Das Ego einzelner | |
Personen aber kann nicht zum Programm einer Linken, ob nun alt oder neu, | |
taugen. | |
13 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.oskar-lafontaine.de/links-wirkt/details/b/1/f/1/t/lafontaine-wil… | |
[2] http://www.linksfraktion.berlin/fileadmin/linksfraktion/download/2017/Konze… | |
[3] http://www.focus.de/politik/deutschland/streit-um-ruecktritt-von-hoehn-wage… | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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