# taz.de -- Zoff in der Saar-Linken: „Jude“ oder „Judas“? | |
> Die Affäre um antisemitische Äußerungen des Saarlouiser Linksparteichefs | |
> Mekan Kolasinac ist ein Tiefpunkt der Grabenkämpfe der Partei. | |
Bild: Ein Streit zwischen den Bundes-Linken Riexinger und Wagenknecht sorgt fü… | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Der heftige Zoff in der saarländischen Linkspartei | |
geht weiter. Nach [1][Zank und Mauscheleien] im Vorfeld der Bundestagswahl, | |
werfen Genossen dem wiedergewählten saarländischen Linken-Abgeordneten | |
Thomas Lutze aktuell vor, er dulde Antisemitismus in seinem Umfeld. Mitte | |
Oktober hatte Lutzes Mitarbeiter Mekan Kolasinac, der auch | |
Parteivorsitzender in Saarlouis ist, über den Bundesvorsitzenden Bernd | |
Riexinger in einem Facebookeintrag geschrieben: „Falsche, hinterlistige | |
Jude“ (sic). Anlass für diese Schmähkritik waren Zeitungsberichte, nach | |
denen Riexinger die Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende im | |
Bundestag, [2][Sahra Wagenknecht], aus der Partei habe mobben wollen. | |
Nach empörten Reaktionen korrigierte sich Kolasinac: Er habe sich bloß | |
vertippt und Riexinger lediglich als „falschen hinterlistigen Judas“ | |
kritisieren wollen.„Das macht die Sache nicht besser“, meint der ehemalige | |
saarländische Bundestagsabgeordnete Volker Schneider, der inzwischen | |
Geschäftsführer der von Wagenknecht angeführten Linksfraktion im Bundestag | |
ist. „Das ist die Sprache des NSDAP-Hetzorgans Der Stürmer“, so Schneider | |
zur taz. | |
Die Affäre markiert einen neuen Tiefpunkt der Grabenkämpfe, mit denen sich | |
die Landespartei seit fast zehn Jahren schwächt. Die Brüche verlaufen quer | |
zu inhaltlichen Positionen. Auf der einen Seite streitet Parteigründer, | |
Fraktionschef und Ehemann von Wagenknecht, Oskar Lafontaine, zusammen mit | |
der Mehrheit der Vorstands- und Fraktionsmitglieder. Auf der anderen Seite | |
stehen der wiedergewählte Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze und seine | |
Mitstreiter, darunter der Vorsitzende der Schiedskommission, Nikolaus | |
Staut. | |
Der Landesvorstand der saarländischen Linken beantragte am 17. Oktober | |
Kolasinac’ Parteiausschluss: „Derlei Gedankengut hat nichts in unserer | |
Partei verloren“, so die Begründung. Lutze, auch Schatzmeister der | |
Saarland-Linken, war bei der Sitzung nicht anwesend. Er stellte sich danach | |
aber vor seinen Mitarbeiter Kolasinac und will ihn weiterhin beschäftigen. | |
## Stillhalten aus Selbstschutz? | |
„Der Facebook-Eintrag war unterirdisch und nicht tolerabel“, so Lutze zur | |
taz. „Aber Herr Kolasinac hat ihn dann sofort gelöscht und sich öffentlich | |
entschuldigt.“ Den VorstandsgenossInnen versicherte er in einem Brief, | |
„parteischädigendes Verhalten“ sei von Kolasinac in Zukunft „nicht zu | |
befürchten“. | |
Lutze ist in der Landespartei heftig umstritten. Bei der Listenaufstellung | |
für die Bundestagswahl im Mai gab es Manipulationsvorwürfe. Vor seiner | |
Nominierung habe er Stimmen gekauft und Mitglieder zum Parteitag gekarrt, | |
um seine Mehrheit zu sichern, so seine KritikerInnen. Sie fochten die | |
Landesliste an und riskierten damit, dass die Saar-Linke nicht zur | |
Bundestagswahl zugelassen wird. Die Landeswahlleiterin ließ die Liste mit | |
Kritik passieren. | |
Der Ex-Saarländer Schneider fordert von seinem Nachfolger Lutze, sich von | |
Kolasinac zu trennen, und weiß dabei den Landesvorstand hinter sich. Dass | |
er sich weigere, habe wohl einen einfachen Grund, mutmaßt Schneider | |
gegenüber der taz: „Vielleicht traut Lutze sich nicht, gegen Kolasinac | |
vorzugehen, weil der zu viel weiß.“ | |
Unterdessen schafft Lutzes Vertrauter Staut Fakten. In der vergangenen | |
Woche schloss die Schiedskommission, deren Vorsitzender Staut ist, den | |
Schriftführer des Landesvorstands, Adolf Loch, in Abwesenheit aus der | |
Partei aus. Loch war es, der wegen der Manipulationsvorwürfe vor Gericht | |
gezogen war und die Listenaufstellung angefochten hatte. Staut kündigte | |
außerdem an, noch vor dem Landesparteitag werde die Kommission auch über | |
den Parteiausschluss der Landesvorsitzenden Astrid Schramm entscheiden. | |
Beide, Loch und Schramm, hatte Staut zuvor schon öffentlich als „Schädiger�… | |
der Partei angegriffen. | |
Dass die GenossInnen selbst nach der recht erfolgreichen Bundestagswahl – | |
im Saarland wählten 11,9 Prozent die Linke – munter [3][weiter aufeinander | |
losgehen], ist Ausdruck des schwelenden Machtkampfs. Auf dem Parteitag am | |
25. November wird ein neuer Landesvorstand gewählt. | |
27 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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