# taz.de -- Gesetz gegen Ferienwohnungen: Für 60 Tage Vermieter sein | |
> Das bisherige Verbot von Ferienwohnungen blieb weitestgehend wirkungslos. | |
> Der Senat will das ändern – und die Vermietung auf Zeit erlauben. | |
Bild: Immer mehr Touristen landen in Berlin, immer mehr steigen in Ferienwohnun… | |
Berlin taz | Mittlerweile sind 70 Mitarbeiter in den Bezirksämtern damit | |
beschäftigt, illegale Ferienwohnungen zu verfolgen. Sie haben Strafgelder | |
in Höhe von mehreren hunderttausend Euro verhängt. Mehr als 6.000 ehemalige | |
Touri-Appartements stehen auf ihre Veranlassung hin wieder dem | |
Wohnungsmarkt zur Verfügung. Und doch verlieren sie den Kampf gegen die | |
wuchernde touristische Infrastruktur, die dazu beiträgt, dass sich der | |
Markt für bezahlbaren Wohnraum weiter verkleinert. | |
Trotz aller Bemühungen boomt das Geschäft mit Ferienwohnungen in Berlin. | |
Nach Angaben des Marktführers, des kalifornischen Konzerns Airbnb, buchten | |
2016 mehr als 600.000 Berlin-Besucher eine Bleibe über die Plattform. Auf | |
der Website finden sich aktuell mehr als „26.000+ Unterkünfte“ – so viele | |
wie nie zuvor. | |
Angeboten werden nicht nur einzelne Zimmer, sondern auch ganze Wohnungen, | |
viele davon hotelähnlich hergerichtet, von professionellen Anbietern, | |
manche mit mehr als einer Immobilie. Dabei dürfte es solche Inserate | |
eigentlich gar nicht geben: Nach dem seit Mai 2014 gültigen | |
Zweckentfremdungsverbotsgesetz ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur | |
das Vermieten von weniger als 50 Prozent des selbst genutzten Wohnraums | |
legal. | |
Was als restriktives Gesetz daherkam, hat seinen Praxistext trotz einzelner | |
Erfolgsmeldungen nicht bestanden. Zu schwierig ist die Feststellung, wann | |
tatsächlich eine Zweckentfremdung einer Wohnung vorliegt – vor allem weil | |
Airbnb sich erfolgreich weigert, Daten wie Vermieternamen und Adressen | |
herauszurücken. Zu findig sind die Anbieter, die zahlreiche Schlupflöcher | |
nutzen, aber auch eine massive [1][Klagewelle bis hin zum | |
Bundesverfassungsgericht] angestrengt haben. Zu langwierig ist die | |
Sanktionierung von illegalen Angeboten. | |
## Gesetzt wird überarbeitet | |
Nun arbeitet die Verwaltung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher | |
(Linke) an einer umfassenden Überarbeitung des Gesetzes. Kernstück ist die | |
Neuregelung für die Genehmigung von Ferienwohnungen. Zukünftig soll es für | |
60 Tage im Jahr legal sein, die eigene Wohnung zu vermieten. Das sagt | |
Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im | |
Abgeordnetenhaus; eine Kollegin der Linksfraktion bestätigt das Vorhaben. | |
Aus der Senatsverwaltung heißt es auf Anfrage: „Es wird voraussichtlich | |
eine Tagesregelung geben. Wie viele Tage es genau sein werden, wird noch | |
geprüft.“ Noch in diesem Jahr soll dem Senat eine Neufassung des Gesetzes | |
vorgelegt werden, im Mai nächsten Jahres soll es in Kraft treten. Er wird | |
eine Abkehr vom bisherigen Pauschalverbot sein. | |
Gegen dieses machen Airbnb und andere Betreiber seit jeher mobil. Das | |
Gesetz treffe „tausende Berliner, die ihre Wohnung vermieten wollen, wenn | |
sie im Urlaub, auf Dienstreise sind oder pendeln. Sie alle bewohnen ihre | |
Wohnung selbst und nehmen daher niemandem Wohnraum weg“, so das | |
Unternehmen. | |
Mit dieser Argumentation werden [2][Politiker bequatscht], Plakatwände | |
beklebt („Ich darf frei arbeiten. Aber nicht frei mein Zuhause teilen?“) | |
oder [3][vermeintlich unabhängige Vereine gesponsert (Berliner Homesharing | |
Club)]. In der Legende der Homesharer, also jener, die ihren Wohnraum | |
teilen und damit sich und anderen Gutes tun, fallen die professionellen | |
Anbieter, die durch Kurzzeitvermietungen viel Geld verdienen, wie | |
selbstverständlich unter den Tisch. | |
## Homesharer als bessere Vermieter? | |
Aus der Senatsverwaltung heißt es nun, man wolle mit dem Gesetz keine | |
Homesharer treffen, sondern die professionellen Anbieter, die tatsächlich | |
Wohnungen vom Markt nehmen. Schmidberger nannte das Teilen von eigenem | |
Wohnraum Mitte September im Abgeordnetenhaus „nicht nur ein | |
nachvollziehbares Bedürfnis, sondern auch Teil einer solidarischen | |
Ökonomie“. | |
Knicken Berlins Stadtentwicklungspolitiker also vor der Lobby ein? | |
Schmidberger widerspricht: „Insgesamt werden wir das Gesetz eher | |
verschärfen“, sagt sie. Eine 60-Tage-Regelung wäre restriktiver als in den | |
meisten anderen Städten, die den Vermietungszeitraum reglementieren. In | |
Hamburg etwa darf eine Wohnung an 182 Tagen im Jahr vermietet werden. | |
Auf dieselbe Zahl einigte sich jüngst auch der Bezirk Pankow mit einem | |
klagenden Wohnungsbesitzer in einem Vergleich. Zuvor hatte das | |
Verwaltungsgericht Zweifel an der Gesetzgebung angemahnt. Aus dem Senat kam | |
das deutliche Signal, dass es sich dabei um eine unabgestimmte | |
Einzelfallentscheidung ohne Präzedenzfallcharakter handele. Der Verdacht, | |
zukünftig großzügig mit Ferienwohnungsvermietern umzugehen, soll nicht | |
aufkommen. | |
## Mehr Kontrolle | |
Schmidberger findet eine 60-Tage-Regelung plausibel: „Das sind 30 | |
Urlaubstage plus Wochenenden.“ Wer seine Wohnung vermieten will, müsse dies | |
beim Bezirksamt anmelden. Dafür soll es ein Registrierungssystem geben, wie | |
es auch in Madrid und Barcelona angewandt wird; deren Erfahrungen würden | |
ausgewertet. Bei einer Kontrolle, ob die Obergrenze eingehalten werde, | |
„muss Airbnb mit uns zusammenarbeiten“, sagt Schmidberger: „Ich hoffe, da… | |
die Auskunftspflicht verschärft wird.“ Es ist ein Knackpunkt einer | |
Neuregelung. | |
Das Gesetz mit dem schwierigen Namen soll außerdem noch in anderen Punkten | |
überarbeitet werden. Reagiert werden soll damit auf Gerichtsurteile, die | |
Zweitwohnungen als Ferienappartements erlauben. Dies solle ausgeschlossen | |
werden. Der Antrag auf Genehmigung einer Ferienwohnung soll nicht mehr als | |
angenommen gewertet werden, wenn innerhalb von 18 Wochen kein Bescheid | |
erfolgte. | |
Dazu kommt: Ohne Genehmigung soll eine Wohnung künftig nur noch drei statt | |
sechs Monate leerstehen dürfen, damit sie nicht als zweckentfremdet gilt. | |
Auch die Möglichkeit, noch intakte Wohnungen abzureissen, soll künftig | |
eingedämmt werden. | |
18 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-zum-Ferienwohnungsverbot/!5400429/ | |
[2] /Zweckentfremdung-in-Berlin/!5351667/ | |
[3] /!5349717/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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