# taz.de -- Buch über Trump-Fans in Louisiana: Leben in toxischer Umgebung | |
> Die Soziologin Arlie Russell Hochschild begibt sich in „Fremd in ihrem | |
> Land“ auf eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten. | |
Bild: Hier lieben sie Donald Trump: Fans in Lake Charles, Louisiana | |
Spätestens seit uns der Trump-Trash um die Ohren fliegt, ist klar, dass das | |
rechtsdrehende weiße Amerika zu einem explosiven Problem wird. In „Fremd in | |
ihrem Land. Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten“ fokussiert die | |
renommierte Soziologin Arlie Russell Hochschild dieses Problem zu einem | |
Zeitpunkt, als Trump als Möglichkeit am Horizont noch nicht erahnbar war. | |
2011 ist sie zu einer Forschungsexpedition aufgebrochen, die aus ihrer | |
sonnig-linksliberalen Berkeley/California-Bubble heraus- und mitten | |
hineinführt in die erodierenden Sumpf- und Küstenlandschaften Louisianas. | |
Hier, im zweitärmsten Staat der Nation, schlägt das südstaatliche Herz der | |
Tea-Party-Bewegung am tiefsten. Und die Frage, warum dies so ist, das | |
Begehren zu verstehen, in welcher Wirklichkeit der rechtsgerichtete Mensch | |
zu Hause ist, sind die Antriebskräfte, die Hochschilds Reise auf die andere | |
Seite der politischen Spaltung vorantreiben. | |
Schauplatz ihrer Ethnologie ist die Kleinstadtgemeinde von Lake Charles im | |
südwestlichen Louisiana. Fünf Jahre lang nahm sie teil am Leben einer | |
Gruppe überzeugter weißer Tea-Party-AnhängerInnen, deren Geschichten das | |
Rückgrat ihrer Studie bilden. Was dieses Buch zu fesselndem Lektürestoff | |
macht, ist nicht zuletzt die Meisterschaft, mit der es Hochschild gelingt, | |
Lebensgeschichten von teils drastischer Dramatik mit dem umfassenderen | |
Drama zu verknüpfen, als das sich die Realität Louisianas entpuppt. | |
Das öl- und gasreiche Louisiana ist Ground Zero der US-amerikanischen | |
petrochemischen Industrie, hier werden all die toxischen Grundlagen | |
produziert, von denen unsere kunststoffkonsumsüchtige Kultur abhängt. | |
Louisiana ist gleichzeitig das extreme Beispiel einer republikanischen | |
Gouvernementalität, die von nichts stärker getrieben wird als ihrem | |
abgrundtiefen und bigotten Staats- und Regulationshass einerseits und einer | |
ebenso abgrundtief bigotten Vergötterung des freien Marktes andererseits. | |
Die Öl-, Gas-, Fracking- und Giftmüllunternehmen haben den Staat fest in | |
ihrer Hand. Sie pflegen einen brutal pragmatischen, dem christlichen Motto | |
des „Macht euch die Erde untertan“ folgenden, naturausbeuterischen | |
Kapitalismus, der bis tief unter die Erde reicht. Und sie treiben | |
Louisiana, tatkräftig unterstützt durch einen aggressiven Subventions- und | |
Deregulierungskurs des Tea-Party-affiliierten Gouverneurs Bobby Jindal, an | |
den Rand des ökonomischen und ökologischen Bankrotts. | |
## Apokalyptische Wucht | |
Wir begegnen Menschen, denen diese Form des Kapitalismus buchstäblich den | |
Boden unter den Füßen ihrer Existenz, Heimat und Umwelt weggezogen hat. Es | |
sind diese Lebensgeschichten, die dem Buch eine geradezu apokalyptische | |
Wucht verleihen. Sie hocken in toxischen Umgebungen und stecken dort fest, | |
weil niemand zur Verantwortung gezogen wird. Anderen bleibt gar keine | |
andere Wahl, als umzuziehen, weil Haus und Grund in alles verschlingenden | |
Giftmüllkratern verschwinden. | |
Doch reichen diese tödlichen Erfahrungen nicht, ihr rechtes | |
Selbstverständnis ins Wanken zu bringen. Sie wissen, dass die politische | |
Agenda Donald Trumps mehr von dem verspricht, was sie und Louisiana in den | |
Abgrund reißt. Und werden doch alle ihre eigenen Gründe finden, dieser | |
Gestalt ihre Stimme zu geben. Warum wählen Menschen gegen ihr eigenes | |
Überlebensinteresse? | |
Die Erklärung findet Hochschild dort, wo das Reich der Emotionen und tief | |
gefühlten Wahrheiten beginnt. Wie der Homo oeconomicus, so eine einfache | |
und fundamentale Einsicht ihrer Feldforschung, ist auch der Homo politicus | |
ein nur bedingt vernunftgesteuertes Wesen, dessen Wirklichkeitsverständnis | |
und politisches Handeln vielmehr auch durch spezifische Gefühle geprägt und | |
gebrochen wird. | |
Diese Emotionen macht Hochschild über die Konstruktion einer tiefen | |
Geschichte sichtbar, in der sich die Lebensgefühle ihrer | |
GesprächspartnerInnen spiegeln und in der sich diese gemeinsam | |
wiedererkennen. Mit dieser Geschichte entwirft sie ein präzises Psychogramm | |
der inzwischen viel diskutierten zornigen weißen Bevölkerung, die sich in | |
ihrem Land zurückgesetzt sieht und fühlt. Bei der diese Gefühle mal mehr, | |
mal weniger tief sitzende Ressentiments triggert. In der sich der | |
strukturelle Rassismus einer südstaatlichen Plantagen- und | |
Sklavenhalterökonomie genauso eingeschrieben hat wie die damit verbundene | |
Machtlogik eines Klassenkampfs von oben. | |
Sie sehen, wie ihr weißer amerikanischer Traum zum Stillstand gekommen ist. | |
Und fühlen sich gleichzeitig von denen überholt – Frauen, Schwarzen, | |
Minderheiten, Flüchtlingen und ölverschmierten Pelikanen –, die in der | |
natürlichen weißen Ordnung der Dinge doch eigentlich unter ihnen zu | |
verbleiben haben. Die, so das Empfinden, großzügig und unverdient von einer | |
Bundesregierung gefördert werden, an dessen Spitze ein Schwarzer namens | |
Barack Obama steht. Während sie selbst im Schweiße ihres weißen Angesichts | |
vergessen werden. | |
Folgt man den Selbstauskünften der Menschen von Lake Charles, so ist | |
bezeichnend, dass die rassistische Logik dieser tiefen Geschichte weniger | |
bei den tatsächlich Abgehängten, den Terroropfern der Umweltzerstörung der | |
Louisianer Ökonomie ausgeprägt ist als bei weißen Mittelständlern, die den | |
Absprung aus den mörderischen Giftkratern in Häuser mit sechs Schlafzimmern | |
gerade (noch) geschafft haben. | |
Und für diese Menschen ist Donald Trump ein beängstigend perfekter | |
Kandidat. Sie wählen ihn, weil er weiß ist. Weil er ihre Untergangsängste | |
und Suprematiefantasien befügelt. Weil er verspricht, die verlorene Ehre | |
der weißen, männlichen, christlichen, heterosexuellen Norm | |
wiederaufzurichten. Weil er das eine Prozent repräsentiert, an dessen Macht | |
und Reichtum sie teilhaben wollen, statt sich mit den 99 Prozent zu | |
solidarisieren, deren Teil sie sind und bleiben werden. Sie wählen ihn, | |
weil ihre emotionale Bedürftigkeit wichtiger geworden ist als ökonomisches | |
und ökologisches Überlebensinteresse. | |
Es ist eine toxische Mischung, die uns Hochschild nahebringt. Wo die | |
Möglichkeit des ökologischen Untergangs auf den Zorn derer trifft, die sich | |
selbst im Untergang wähnen. Und die auf den Bedeutungsverlust und das | |
Schwinden des weißen Seins mit einer Wahl reagieren, die die Welt und alle | |
anderen mit in ihren Abgrund reißen könnte. Wir haben es mit weißem | |
Selbstmordattentätertum zu tun, und Donald Trump ist dessen Hohepriester. | |
14 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Eva Berger | |
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