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# taz.de -- Kommentar „Gleichstellungskanzlerin“: Merkel allein ist kein Fe…
> Wir sollten nicht glauben, dass eine Frau an der Spitze auch gerechte
> Teilhabe weiter unten sichere. Aber wir können anderes von Merkel lernen.
Bild: Frauen ganz vorn sind inzwischen total normal. Stimmt das? Und wenn ja: d…
Eine Frau an der Spitze des Staates. Ministerpräsidentinnen und
Ministerinnen in den Bundesländern. Professorinnen an den Unis,
Staatsanwältinnen in den Gerichtssälen. Dazu Chefinnen von Parteien,
Unternehmen, Lobbyverbänden. Mittlerweile sind Frauen in der Bundeswehr
normal, kürzlich hat Bibiana Steinhaus als erste Frau die
Fußball-Bundesliga gepfiffen. Und die Boxerin Regina Halmich hat etliche
Nachfolgerinnen.
Na bitte, geht doch: Frauen können in Deutschland heute alles werden und
alles machen. Frauen ganz vorn sind inzwischen total normal.
Mit diesem Bild wachsen Mädchen (und Jungen) heute auf. Warum aber machen
Frauen dann immer noch so ein Gewese um Gleichstellung, Feminismus und all
das „Gedöns“? Ist doch alles erreicht. Und hey, Angela Merkel wird mit
großer Wahrscheinlichkeit wieder Kanzlerin. Das vierte Mal in Folge. Das
soll ihr erst mal eine nachmachen. Eine Frau und – Achtung! – obendrein
eine aus dem Osten. Ist doch super: Merkel goes to Gender Equality. Was
wollt ihr denn noch?
Ja, was wollen wir noch? Die Antwort ist so einschläfernd wie ein
einsilbiges Mantra: gleiche Chancen, Rechte und Pflichten. So wie sie für
Männer normal sind.
Das ist – trotz Kanzlerin und all der weiblichen Karrieren, die es durchaus
gibt in diesem Land – eben nicht normal. Es braucht Quoten, um Frauen in
die Topjobs in Unternehmen, Medien, Medizin, Kunst zu bringen. Frauen
verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. Und sind im Alter arm. Sie
leisten den größten Teil der Care-Arbeit: Kinder, Küche, Pflege.
Dienstleistungs- und Pflegeberufe, die vor allem von Frauen ausgeübt
werden, sind überaus schlecht bezahlt. Mütter stellen den größten Teil der
Alleinerziehenden. Was, bitte schön, ist daran „alles schon erreicht“?
## Erkämpft haben den Fortschritt andere
Um weibliche Karrieren zu pushen, braucht es einen bestimmten Anteil an
Frauen in Führungspositionen, die sogenannte kritische Masse von 30
Prozent. Merkel hat angekündigt, das nächste Kabinett zur Hälfte mit Frauen
besetzen zu wollen. Klingt super. Feministisch. Aber es ist eine
Mogelpackung. Nur weil außen Frau draufsteht, ist noch lange nicht
Frauenpolitik drin. Es ist eher das Prinzip Merkel: Wenn es gar nicht mehr
anders geht, weil der gesellschaftliche Druck zu groß wird, gebe ich ein
bisschen nach. Dann lass ich andere für mich arbeiten und verkaufe das als
meinen Erfolg.
Beispiel Geschlechterquote: Den Frauenanteil in den Aufsichtsräten hat
nicht Merkel erkämpft, auch wenn das unter ihrer Ägide beschlossen wurde.
Das haben Lobbyverbände und SPD-MinisterInnen geschafft.
Oder der Passus „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht. Hätten nicht all d…
Organisationen, die jeden Tag mit Vergewaltigungsopfern und Betroffenen
häuslicher Gewalt zu tun haben, jahrelang die Politik genervt, würde heute
vermutlich immer noch das Argument die Runde machen, Gewalt gegen
Schwächere und Sexismus seien eine Randerscheinung.
## Die Ehe für alle ist kein Merkel-Coup
Das SPD-Gesetz mit dem sperrigen Namen [1][Entgelttransparenzgesetz], das
die Lohngleichheit bei den Geschlechtern vorantreiben soll, wurde vom
Kanzleramt monatelang blockiert. Die Idee, Müttern nach der Familienphase
die Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit zu garantieren (ebenfalls von der
SPD), hat die Union [2][abgeschmettert].
Zuletzt die Ehe für alle. Sie wird als geschickter Merkel-Coup gewertet,
war aber tatsächlich der jahrzehntelange Kampf zunächst grüner
PolitikerInnen, später auch der von SPD und Linkspartei. Die Ehe ist für
Merkel ein Ding zwischen Frau und Mann. Das sei ihr unbenommen, jede und
jeder hat das Recht auf einen eigenen Konservatismus. Das muss sie trotzdem
nicht davon abhalten, für die Rechte Homosexueller einzutreten.
Junge Frauen – wie auch junge Männer – sind verraten und verkauft, wenn sie
dem Bild von der „Gleichstellungskanzlerin“ auf den Leim gehen. Wenn sie
glauben, die Frau an der Spitze sichere weibliche Beteiligung sowie die
Teilhabe benachteiligter Gruppen auch weiter unten.
Was jede und jeder aber von Merkel lernen kann, ist ihre
Kommunikationsstrategie: sachlich, unaufgeregt, dezent humorvoll. Wie sie
agiert und reagiert: Wenn sich die Jungs (mal wieder) kloppen, steht Merkel
gelassen daneben und wartet erst mal ab. Um dann, wenn die Kämpfer ermattet
am Boden liegen, die Keilerei erhaben zu kommentieren: So, nu is mal gut,
jetzt räume ich erst mal auf.
So hat sie es bis ganz nach oben geschafft. Und schafft es, oben zu
bleiben.
12 Sep 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-zur-Lohnluecke/!5394722
[2] /Rueckkehrrecht-von-Teilzeit-auf-Vollzeit/!5412344
## AUTOREN
Simone Schmollack
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