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# taz.de -- ARD-Doku „Merkel gegen Schulz“: Nah beieinander
> Ein Film begleitet Angela Merkel und Martin Schulz im Wahlkampf. Heraus
> kommt: ein spannender Blick hinter die Kulissen der Macht.
Bild: Was werden sie in Zukunft sein? Gegner oder Partner?
Martin Schulz sitzt in seinem Wagen auf dem Weg zu einer
Wahlkampfveranstaltung, Sommer 2017. „Merkel weicht der Konfrontation aus.
Das ist ihr 2009 und 2013 gelungen, aber dieses Jahr nicht“, sagt Schulz in
die Kamera. Hat er Recht? Was waren die großen Konflikte zwischen den
beiden Kanzlerkandidaten? Was unterscheidet Angela Merkel und Martin Schulz
voneinander? Die ARD-Doku „Das Duell – Merkel gegen Schulz“ von Stephan
Lamby versucht, diese Fragen zu beantworten.
Lamby begleitet die Kandidaten dafür durch den Wahlkampf, vom ersten
kometenhaften Hype auf Schulz und der schlechten Lage der Union zu
Jahresbeginn bis zur jetzt kurz vor der Wahl.
Hier wird die Doku auch am spannendsten, nämlich wenn Lamby ganz nah an den
Protagonisten des Wahlkampfs ist. In den zwischengeschalteten Interviews
kommen die Beteiligten der großen Krisen der letzten Jahre selbst zu Wort
und geben einen überraschend tiefen Einblick. Die Kandidaten reden
übereinander, loben sich und greifen sich an. Man sieht, wie Seehofer
seinen harten Angriff auf Merkel beim CSU-Parteitag 2015 kommentiert oder
Gabriel erzählt, wie es ist, mit Merkel zu streiten. Man sieht Schulz, wie
er mit seinem Team einen Wahlkampfauftritt plant, und sich Kinder in seinem
Einspielfilm in Slow Motion wünscht, für die Emotionen. Dafür lohnt es
sich, die Doku anzusehen, selbst wenn man die bisherige
Medienberichterstattung aufmerksam verfolgt hat.
Bei Merkel setzt die Doku an, als sie aufhörte, „Kohls Mädchen“ zu sein u…
sich im Dezember 1999 nach der Spendenaffäre von ihm distanzierte, per
Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ihr erster strategischer
Schachzug, der Merkel viel öffentliche Aufmerksamkeit brachte.
## Laut und leise
Bei Martin Schulz wird es etwas persönlicher. Und Lamby setzt hier weitaus
früher an. Schulz' Aufstieg vom Alkoholiker über seinen Bürgermeisterposten
in Würselen bis zum Präsidenten des Europaparlaments – eine
Heldengeschichte. Man sieht Schulz im Streit mit allen unliebsamen
Autokraten von Berlusconi über Orbán bis zu Erdoğan.
Schon hier wird klar, wie Lamby die Frage zu den Unterschieden zwischen den
beiden Kandidaten beantwortet, und kurze Zeit später spricht er es auch
aus: Der leidenschaftliche Europäer Schulz gegen die kühle Strategin
Merkel. Der eine streitet gerne und laut, die andere diskutiert lieber
leise im Hintergrund.
## Politisch und privat
Lamby schaut nicht nur auf das Politische, sondern auch auf das Private.
Merkel und Schulz besuchten im Abstand von zwei Wochen eine Veranstaltung
der Zeitschrift Brigitte. Die Doku schneidet zwei Antworten der Kandidaten
direkt hintereinander – es geht um Liebe. Schulz erzählt und erzählt, von
dem Tag, an dem er seine Frau kennenlernte, von seiner Liebesheirat. Er
kommt ins Stottern und ins Schwärmen. „Ich liebe meine Frau heute fast noch
mehr als damals.“ Schnitt zu Merkel. Wie hat sie ihren Mann kennengelernt?
„Na, wir hatten denselben Arbeitsort.“
Im Politischen fällt es schwerer, die Unterschiede zwischen beiden
auszumachen. Wie standen Merkel und Schulz jeweils zu den Krisen der
letzten Jahre? Meistens zeigt sich: sehr nah beieinander. In der Eurokrise
waren beide für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Gegenwind
bekam Merkel hier nur aus den eigenen Reihen, ihr Finanzminister Schäuble
wollte den Grexit. Auch während der nächsten Krise standen Merkel und
Schulz auf einer Seite. Als die Kanzlerin die zwischen Ungarn und
Österreich gefangenen Flüchtlinge nach Deutschland ließ, kam Kritik wieder
von Parteikollegen. Der Umgang mit Flüchtlingen ist immer noch der größte
Reibungspunkt mit CSU-Chef Seehofer.
Sigmar Gabriel bringt es vor Lamby auf den Punkt: „Der Umgang mit Merkel in
der Regierung ist ein sehr angenehmer. Das Problem ist immer, dass sie mit
ihren eigenen Leuten mehr Schwierigkeiten hat als mit uns.“ Die Doku
begleitet viele der innerparteilichen Konflikte, Höhepunkt ist Seehofers
Angriff auf Merkel am CSU-Parteitag kurz nach der Flüchtlingskrise 2015.
Wie Seehofer Merkel teilweise angriff, das traf auch Schulz. „Da sind in
mir menschliche Gefühle aufgestiegen“, sagt er, „Das ist ja Orbán-Stil“,
für Schulz wohl die schlimmste Auszeichnung. Aber für Merkel hieße es ja
nur Schwamm drüber. Er möchte austeilen, man merkt es. Also legt er nach:
Ein Gipfel der Versöhnung, den könne man ja auch Gipfel der Heuchelei
nennen.
## Vielleicht auch Partner
Schließlich findet Schulz doch den großen Konflikt: Die Ehe für alle. Es
sah vielversprechend aus, so als wäre endlich das Thema gefunden, das
wieder deutlich die Trennlinie zwischen SPD und CDU zieht. Doch Merkel
schaffte es, auch hier die Unterschiede verschwinden zu lassen. Die Ehe für
alle wurde Gesetz. Das war ein Erfolg für die SPD, aber gleichzeitig verlor
Schulz den letzten großen Angriffspunkt, der ihm noch blieb.
„Sie konzentriert sich darauf, wo der Wind sich hindreht. Dann geht sie
auch dahin“, sagt SPD-Ministerin Nahles über Merkel. „Sie hat ein
ungeheures Maß an Geduld, und die Fähigkeit, zwischen ganz
unterschiedlichen Standpunkten zu einer Lösung zu kommen“, sagt
CDU-Minister Schäuble.
Gerade deswegen schließt Lamby eine große Koalition nicht aus. Merkel und
Schulz seien keine Feinde, sondern Leute, die eigentlich zusammen Politik
machen wollen, sagt er am Ende. Und fragt: Was werden sie in Zukunft sein?
Gegner oder Partner?
13 Sep 2017
## AUTOREN
Tanya Falenczyk
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Angela Merkel
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Dokumentation
Bundestag
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Rhetorik
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Wahlkampf
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