# taz.de -- Pro & Contra Längere Wahlperiode: Vier? Fünf? Sechs Jahre? | |
> Die Fraktionsspitzen aller Bundestagsparteien wollen, dass der Bundestag | |
> nur noch alle fünf Jahre gewählt wird. Die taz ist uneins. | |
Bild: Ab in die Wahlkabine: Bald nur noch alle fünf Jahre? | |
## PRO | |
Diesen müden Wahlkrampf und die zwei langweiligen Pseudo-Wahlen davor | |
hätten sich die Deutschen sparen können, wenn sie Angela Merkel gleich bei | |
ihrer ersten Wahl 2005 auf Lebenszeit gewählt hätten. Eine andere Person an | |
der Spitze oder gar eine andere Politik wollen die meisten Wähler sowieso | |
nicht, warum dann alle vier Jahre so ein teurer Aufwand? | |
Okay, die Monarchie ist (noch) nicht grundgesetzkompatibel, also müssen wir | |
uns auf realistische Reformen konzentrieren, damit die Politik für alle | |
Beteiligten weniger stressig wird. Die nun geplante Verlängerung der | |
Wahlperioden auf fünf Jahre ist dafür ein erster richtiger, aber noch zu | |
kleiner Schritt. | |
Wieso immer noch so hektisch? Den Konkurrenten ist es in zwölf Jahren | |
Merkel nicht gelungen, die Wähler von der Dringlichkeit eines | |
Führungswechsels zu überzeugen, warum müssen es die bemitleidenswerten | |
Gegenkandidaten weiter alle fünf Jahre versuchen und nicht erst in sechs, | |
acht oder zehn? | |
Längere Wahlperioden sind in vielen Ländern üblich, weil die Regierungen | |
dann mehr Zeit haben um mutige Maßnahmen durchzuführen, ohne sofort ihre | |
Abwahl riskieren zu müssen. Gelassen regieren zu können, hat Vor- und | |
Nachteile. Eine Grenzöffnung direkt vor Wahlen wäre niemals möglich, eine | |
Hartz-V-Einführung aber auch nicht. | |
Dass Merkel dann diktatorisch vor sich hin regiert und die Wünsche der | |
Wähler ignoriert, steht nicht zu befürchten. Ihre Politik orientiert sich | |
ohnehin nicht an irgendeinem Parteiprogramm, sondern an den jeweils | |
aktuellen Umfragen, die Volkes Willen viel deutlicher, präziser und | |
schneller zum Ausdruck bringen als jede noch so häufig durchgeführte Wahl. | |
Was Merkel tut oder lässt, entscheiden nicht die Wähler, sondern die | |
repräsentativ Befragten. | |
Ob Merkel in den nächsten vier Jahren die Atomkraft wieder einführt, ob sie | |
alle Flüchtlinge wieder rausschmeißt, die sie überraschenderweise | |
reingelassen hat und ob sie künftig mit oder gegen Trump Krieg führt – all | |
das wird nicht am 24. September geklärt, auch nicht von ihren möglichen | |
Koalitionspartnern Butter-Lindner oder Boring-Eckardt, sondern vom Lauf der | |
Dinge und den Ergebnissen der Demoskopen. | |
Und sollte das irgendwann nicht mehr reichen, um Merkel halbwegs auf | |
Mehrheitslinie zu halten, gibt es ja immer noch genug Landtagswahlen, die | |
für eine Gegenmehrheit im Bundesrat sorgen könnten. Theoretisch. Auf | |
Bundesebene hat das erst nach Merkel wieder Sinn. | |
von [1][LUKAS WALLRAFF] | |
********** | |
## CONTRA | |
Längere Wahlperioden nutzen zwei Gruppen: Erstens Abgeordneten und ihren | |
Mitarbeitern, weil sie damit etwas mehr Planbarkeit für ihr Leben haben. | |
Zweitens Regierungen, weil sie damit – vor allem in der ersten Hälfte der | |
Legislaturperiode – Vorhaben durchziehen können, die von ihrer Wählerschaft | |
nicht goutiert werden: Mehrwertsteuererhöhungen, Steuererleichterungen für | |
Lobbygruppen, Offene Grenzen, Kriegseinsätze. Nach fünf Jahren lässt das | |
Gedächtnis der WählerInnen eher nach als nach vier. | |
Deshalb ist die Verlängerung der Wahlperiode ein anti-demokratischer Akt. | |
Sie entzieht Regierungen dem raschen Votum der WählerInnen. Die | |
Begründungen, die etwa SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und | |
Linken-Frontmann Dietmar Bartsch dafür heute abgaben, sind denn auch wenig | |
stichhaltig. | |
Oppermann glaubt, dass so Gesetzesnachbesserungen innerhalb der gleichen | |
Legislaturperiode noch möglich seien. Aber das Beispiel Mietpreisbremse | |
zeigt: Nachbesserungen scheitern nicht an fehlender Zeit, sondern weil die | |
Union sie nicht will. Nur eine neue Regierung würde helfen. | |
Bartsch glaubt, dass es nicht schlüssig sei, dass der Bundestag eine | |
kürzere Periode habe als fast alle Landesparlamente. Natürlich kann man es | |
so machen: Ohne großes Aufsehen haben sich erst die Länder längere | |
Wahlperioden genehmigt, dann erklärt man die verbliebenen Parlamente mit | |
kurzen Wahlperioden zu Seltsamkeiten, die beseitigt werden müssen. | |
Warum eigentlich nicht gleich sechs Jahre? Bayern macht es bei seinen | |
Kommunalvertretungen heute schon vor, dass es auch funktioniert, die | |
WählerInnen noch seltener zu beteiligen. Wetten, dass wenn der Bundestag | |
nur noch alle fünf Jahre gewählt wird, die ersten findigen | |
Landesparlamentarier an einer weiteren Verlängerung der Wahlperioden | |
arbeiten? | |
von [2][MARTIN REEH] | |
14 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
Martin Reeh | |
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