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# taz.de -- Kolumne Macht: Denn sie wissen nicht, was sie tun
> Die Wahlperiode des Bundestags soll mal eben verlängert werden. Eine
> bessere Wahlwerbung hätte sich die AfD nicht wünschen können.
Bild: Wollen sich lieber für fünf Jahre wählen lassen: die Abgeordneten des …
Wenn ich an Verschwörungstheorien glaubte, dann hätte ich einen ganz
großartigen, neuen Stoff. Aber ich glaube eher an die Universalität der
menschlichen Dummheit. Und deshalb denke ich, dass das parteiübergreifende
Bündnis, das jetzt [1][für eine Verlängerung der Wahlperiode des
Bundestags] eintritt, nicht etwa der AfD zusätzliche Stimmen verschaffen
will – obwohl dies das unausweichliche Ergebnis sein wird –, sondern dass
die Geistesgrößen der Politik einfach nicht wissen, was sie tun.
Eine bessere Wahlwerbung hätten sich die Völkischen, die mit ihren knapp
zehn Prozent Gefolgschaft unbeirrt behaupten, „das Volk“ zu vertreten, gar
nicht wünschen können. Gut eine Woche vor den nächsten Wahlen wird der
Bevölkerung signalisiert, sie solle demnächst seltener als bisher über den
künftigen Kurs entscheiden dürfen. Alle, alle Altparteien sind sich einig,
dass das sinnvoll wäre.
Auf einem anmutigeren Silbertablett ist die Möglichkeit selten serviert
worden, den Vorwurf der Kungelei zu erheben. Dabei gibt es gute Gründe, die
für eine Verlängerung der Legislatur sprechen. Mindestens sechs Monate
dauert es, bis sich ein neues Parlament und eine neue Regierungskoalition
eingearbeitet haben, die ersten Vorboten des Wahlkampfs zeigen sich
regelmäßig nach etwa zwei Jahren. Ein bisschen weniger Hektik im
politischen Betrieb täte langfristigen Planungen komplexer Reformen gut.
Aber über so etwas muss ausführlich geredet werden. Es ist auch kein
Fehler, den Versuch zu unternehmen, eine Mehrheit der Bevölkerung vom Sinn
einer solchen Verfassungsänderung zu überzeugen – statt sie mal eben
hopplahopp in Aussicht zu stellen. Das Thema eignet sich gut dafür, auch
weitere Aspekte zu erörtern. Die Begrenzung der Amtszeit von Kanzlerin oder
Kanzler auf zwei Legislaturperioden beispielsweise, wie in vielen anderen
Ländern üblich.
Das sorgt erfahrungsgemäß für eine Belebung der innerparteilichen Debatte
in der stärksten Regierungsfraktion und verhindert Überdruss am
Spitzenpersonal. Geredet werden kann – und sollte – auch über eine
Erweiterung der Möglichkeiten direkter Demokratie. Ich selbst bin keine
Anhängerin von Volksentscheiden auf Bundesebene, aber ich muss zur Kenntnis
nehmen, dass der Ruf danach lauter wird. Und wenn sich am Ende einer
seriösen Diskussion eine Mehrheit dafür abzeichnet, dann soll es eben so
sein.
Die Betonung liegt auf „seriös“. Verfassungsänderungen sollten niemals im
Eilverfahren durchgepeitscht und auch nicht mit geradezu aufreizender
Beiläufigkeit zur Sprache gebracht werden. Die Mitte einer
Legislaturperiode, in der noch mit langem Atem diskutiert werden kann, ist
dafür ein geeigneter Zeitpunkt. Die Art und Weise jedoch, in der das Thema
jetzt verhandelt wird, zeugt von geringem Respekt vor dem Grundgesetz.
Populisten müssen sich nicht einmal öffentlich dazu äußern, wenn sie es
nicht wollen. Es genügt, wenn an Stammtischen darüber geredet wird. Reicht
die Fantasie der Verantwortlichen wirklich nicht aus, um sich auszumalen,
was dort jetzt unterstellt wird? Dass die Abgeordneten sich damit doch nur
länger ihre angeblich so fetten Pfründen sichern wollen, dass das Volk noch
seltener als bisher nach seiner Meinung gefragt wird, dass solche
Vorschläge nur dem eigenen Machterhalt dienen … und so weiter und so
weiter.
Derlei Vorwürfe sind ungerecht und platt. Aber niemand sollte sich wundern,
wenn sie erhoben werden und die letzten Tage des Wahlkampf schleichend
vergiften. Eindrucksvoller ist ein Thema, das wichtig ist und die Debatte
lohnt, selten versemmelt worden. Das wird sich rächen – bei den Wahlen und
noch lange danach.
15 Sep 2017
## LINKS
[1] /Pro--Contra-Laengere-Wahlperiode/!5447406
## AUTOREN
Bettina Gaus
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