| # taz.de -- Kolumne Macht: Alles nicht so goldig | |
| > Was würde eine Koalition aus Schwarz, Grün und sonst wem bedeuten? Den | |
| > Abschied der sozialen Komponente aus der Politik. | |
| Bild: Reden wir über Farben! | |
| Die meisten Leute interessieren sich mehr für Geschichten über Menschen als | |
| für Statistiken, was sich erheblich auf Quote und Auflage auswirkt. Diese | |
| journalistische Binsenweisheit hat schon viel Unheil angerichtet, und ein | |
| Ende der Misere ist nicht in Sicht. Wie sich derzeit an der | |
| Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf zeigt. Die den Eindruck | |
| erweckt, bei uns werde ein Kanzler oder eine Kanzlerin gewählt und nicht | |
| etwa ein Parlament. | |
| Natürlich ist ein Duell zwischen einem Mann und einer Frau um denselben | |
| Posten im Regelfall unterhaltsamer als eine Diskussion über die soziale | |
| Sicherungssysteme. Aber nur dann, wenn es sich tatsächlich um einen | |
| Zweikampf handelt und nicht um Schattenboxen. | |
| Davon kann jedoch keine Rede sein. Außer Martin Schulz selbst glaubt wohl | |
| niemand mehr daran, dass er der nächste Regierungschef sein wird. Woran | |
| liegt das? Nein, es liegt nicht daran, dass die SPD in allen Umfragen | |
| derzeit weit abgeschlagen hinter den Unionsparteien liegt. Sondern an den | |
| möglichen Koalitionen, mit denen die Parteien – auch und vor allem die | |
| Kleinen – liebäugeln und über die derzeit erstaunlich selten gesprochen | |
| wird. | |
| Rot-rot-grün kann man vergessen. Nicht nur deshalb, weil die Chancen dafür | |
| rechnerisch verschwindend gering sind, sondern weil keine der möglichen | |
| Partnerinnen daran irgendein Interesse zeigt. Wenn sie den Sprung bisher | |
| nicht gewagt haben, dann werden sie es nach diesem Wohlfühl-Wahlkampf ganz | |
| bestimmt nicht tun. | |
| Bliebe die Ampel. Auch dieses Bündnis wäre nur möglich, wenn am Ende sehr | |
| viele Unentschiedene doch die SPD wählten. Aber man darf ja mal träumen. | |
| Sollte die FDP sich treu bleiben, dann nimmt sie, wen immer sie kriegen | |
| kann, wenn sie dafür mitregieren darf. Und nun kommen die Grünen ins Spiel. | |
| Ach ja, die Grünen. Auch sie träumen. Schon lange, und zwar mehrheitlich | |
| von schwarz-grün. Regieren macht halt mehr Spaß als Opposition. Die | |
| Aussichten für Jamaika stehen so schlecht nicht, zumal die SPD allmählich | |
| zu begreifen scheint, dass sie mit jeder weiteren Großen Koalition an | |
| Einfluss und Bedeutung verliert. | |
| Reden wir also über schwarz-grün-gelb. Außenpolitisch würde das halbwegs | |
| gut funktionieren, zumal die Grünen schon bewiesen haben, dass sie auf | |
| diesem Feld der Politik jeden Grundsatz über Bord zu werfen bereit sind. Da | |
| hat sich selbst die FDP als prinzipienfester erwiesen. Umweltpolitisch | |
| könnte das ebenfalls ganz gut laufen, die Union hat sich da schon häufiger | |
| kompromissbereit gezeigt, zumal mit einer Kanzlerin, die Angela Merkel | |
| heißt. Bleibt die Sozialpolitik. | |
| ## Alles paletti, oder? | |
| Ist die überhaupt noch wichtig? Uns geht’s doch gold, jedenfalls, wenn man | |
| dem Wahlkampf glauben will. Hohes Wirtschaftswachstum, niedrige | |
| Arbeitslosigkeit – alles paletti, oder? Die Realität sieht anders aus: | |
| Verrottende Infrastruktur. | |
| Die unteren 40 Prozent der Bevölkerung – das ist nicht gerade eine | |
| Randgruppe! – verfügen heute über weniger Kaufkraft als vor 20 Jahren. | |
| Bezahlbare Wohnungen in Städten sind immer schwerer zu finden. Die Gefahr | |
| der Altersarmut steigt. Es gibt ein wachsendes akademisches Proletariat. | |
| Uns geht’s gold? | |
| Wer eine Jamaika-Koalition befürwortet, sollte wissen, was das bedeutet: | |
| nämlich den Abschied von der sozialen Komponente in der Politik. Für die | |
| stehen heute weder Union noch FDP noch Grüne. Wer meint, das störe doch | |
| keinen großen Geist, kann sich freuen. Alle anderen können das nicht. | |
| Offenbar freut sich nicht die gesamte Stammwählerschaft der Grünen. Dass | |
| der Wahlkampf, den sie führen, derzeit besonders erfolgreich ist, dürfte | |
| wohl nicht einmal ihr Spitzenduo behaupten. | |
| 1 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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