| # taz.de -- Ende siebte Staffel Game of Thrones: Zottelige All-Star-Combo in Fl… | |
| > Game of Thrones hatte das Fantasy-Genre aufgemischt. Doch die siebte | |
| > Staffel stutzt die Serie auf konventionelles | |
| > Vorabendprogramm-Storytelling. | |
| Bild: Die Bilder sind hübsch anzusehen, inhaltlich aber enttäuscht die siebte… | |
| Berlin taz | Game of Thrones beendet seine siebte Staffel komplett | |
| vorhersehbar (SPOILERWARNUNG): Zunächst landen Nord-König Jon Snow und | |
| Drachenkönigin Daenerys Targaryen im Bett (er weiß noch nicht, dass sie | |
| seine Tante ist). Dann fällt in der letzten Szene die Mauer, und die | |
| Untoten-Armee bricht in die Länder der Menschen ein. Beides gut | |
| funktionierende Cliffhanger – aber vollkommen erwartbar und damit mehr als | |
| ärgerlich. | |
| So enttäuscht die siebte Staffel von „Game of Thrones“ (GoT) auf ganzer | |
| Linie. Klar, es ist mächtig was für das Auge dabei. HBO pumpte 100 | |
| Millionen Dollar in die Produktion, so viel wie nie zuvor, die Schlachten | |
| sind aufwändig inszeniert, für die Drachenattacken wurden so viele Stuntmen | |
| angezündet wie noch nie in der Filmgeschichte, ein komplett animierter | |
| sterbender Drache rührte die Herzen des Publikums. Für die atemberaubenden | |
| CGI-Drachen-Flug-Sequenzen saß Schauspielerin Emilia Clarke angeblich | |
| tagelang auf einem bewegbaren Bock im Studio, windumtost und | |
| gischtbestäubt, eingefangen von mehreren Kameras. (Wobei sogar der opulente | |
| HBO-Etat es nicht schaffte, die Drachen ruckelfrei zu animieren: Der | |
| Nachtkönig wirkt auf seinem Eisdrachen wie aus einem Stummfilm von Fritz | |
| Lang.) Die letzten Folgen der Staffel standen in Länge und Bildqualität | |
| Kinofilmen in nichts nach. Millionen Fans fieberten mit. Und erlebten eine | |
| inhaltliche Bankrotterklärung. | |
| Die siebte Staffel gibt sich große Mühe, die Charaktere und Fäden der | |
| vorhergehenden Staffeln zusammenzuführen. Halb vergessene Figuren wie | |
| Robert Baratheons Bastardsohn Gendry tauchen wieder auf, dazu Sandor | |
| Clegane („The Hound“) mit Thoros von Myr und Beric Dondarrion von der | |
| Bruderschaft ohne Banner. | |
| Gemeinsamer trauriger Höhepunkt der fast Vergessenen ist in Folge 6 | |
| „Nördlich der Mauer“ die Expedition in den eisigen Norden, um einen Untoten | |
| zu entführen. Sie gerät zum Trip einer zotteligen All-Star-Combo in | |
| [1][Ikea-Flokati] (wie [2][Kostümdesignerin Michele Clapton bestätigte]) – | |
| eine in jeder Hinsicht groteske Mission. Vox.com hat [3][27 offene Fragen | |
| zu dieser hirnrissigen Expedition] zusammengestellt, in der New York Times | |
| [4][verteidigt Regisseur Alan Taylor lahm den Raben], der so schnell wie | |
| ein Flugzeug hätte sein müssen, um rechtzeitig Hilfe für Jon Snow | |
| herbeizuholen. Der wahre Wert dieser insgesamt bescheuerten Mission für die | |
| Geschichte ist es, die Untoten nördlich der Mauer mit einem Drachen | |
| auszustatten. Damit sie dann für den Cliffhanger zum Ende der Staffel | |
| sorgen können. | |
| ## Der Grusel ist dahin – und der Zauber | |
| Das ist eine große Schwäche der siebten Staffel: Alles hat einen Sinn. Als | |
| wäre eine Vorsehung am Werk – konventionelles Storytelling wie in einer | |
| Vorabendserie. Dabei hatte Game of Thrones in seinen vorhergehenden | |
| Staffeln eigene Standards gesetzt: Erwartungen der Zuschauer wurden | |
| ursprünglich enttäuscht oder ad absurdum geführt. Keine noch so | |
| vermeintlich wichtige Figur war ihres Lebens sicher, alles war möglich: die | |
| Hinrichtung von Ned Stark! Die rote Hochzeit! Die Zerstörung der großen | |
| Septe von Baelor! Reihenweise segneten Hauptfiguren das Zeitliche – doch | |
| dieser schleichende Grusel ist nun dahin. Und damit der Zauber der ganzen | |
| Serie. | |
| Zwar stirbt mit Lady Olenna Tyrell ein Publikumsliebling, auch die | |
| Sandschlangen und Thoros von Myr gehen tot, aber die wirklich | |
| liebgewonnenen Figuren überleben ihre teils aberwitzigen Aktionen. | |
| Unfassbare Zufälle und Ungereimtheiten halten etwa Jaime Lannister oder Jon | |
| Snow am Leben. Jaime entgeht um Haaresbreite dem Feuer eines Drachen und | |
| taucht dann fünfhundert Meter in voller Rüstung durch einen Fluss. | |
| Jon Snow bricht im Kampf gegen Untote durch Eis in einen kalten See ein, | |
| klettert dann einfach wieder heraus, als trüge er nicht mehrere Schichten | |
| Fell am Leib, die sich mit Wasser hätten vollsaugen müssen. Und dann | |
| entkommt er den Horden von Zombies (und den Weißen Wanderern) auf einem | |
| Pferd, das sein untoter Onkel Benjen kurioserweise genau in dem Moment | |
| bereitstellt. | |
| ## Die Buchvorlage fehlt | |
| Zusätzlich gehen reihenweise die Wünsche der mitfiebernden Fans in | |
| Erfüllung. Arya ist die erwartet gefühlskalte Meuchlerin geworden. Ihre | |
| Schwester Sansa reüssiert als umsichtige Lady von Winterfell. Gemeinsam | |
| erledigen sie den hinterhältigen Peter „Littlefinger“ Baelish. Cersei wird | |
| immer böser, der geläuterte Jaime verlässt ihre Seite. Jon und Danaerys | |
| landen im Bett. Im [5][Los Angeles Book Review diagnostiziert Aaron Bady], | |
| dass GoT quasi zu einer Satire auf sich selbst geworden ist. Ganz falsch | |
| liegt er damit nicht. | |
| Das mag daran liegen, dass die literarische Vorlage fehlt: Schon die | |
| vorangegangene sechste Staffel navigierte weitgehends ohne Buchvorlage von | |
| George R. R. Martin, der seit 2011 auf den sechsten Band seiner Buchserie | |
| warten lässt (nach deutscher Zählung: den elften und zwölften Band). Die | |
| Produzenten der Serie, David Benioff und D. B. Weiss, sprachen mit Martin | |
| nur die groben Handlungsstränge ab, ansonsten stammt die siebte Staffel | |
| komplett aus der Feder der beiden. Die Folgen: banale Dialoge, | |
| unrealistische Plotbeugungen. | |
| ## Der Kampf gegen den Endboss | |
| Wobei man einräumen muss, dass es gerade der grobe Handlungsstrang der | |
| Serie schwermacht. Während die Adligen und Könige zuvor das Spiel der | |
| Throne unter sich ausmachten, steht nun der Kampf gegen den Endboss an. Für | |
| die Serie ist das ein Handicap. Was vorher so gut funktioniert hatte, geht | |
| nun verloren: Dass GoT zwar in einer Fantasy-Welt spielte, aber | |
| weitestgehend ohne Fantasy-Elemente auskam. Die Serie war keine hundertste | |
| Kopie des Herrn der Ringe, sondern zeigte eine weitestgehend realistische | |
| und brutale Welt. Am Rand kamen zwar Fantasy-Elemente wie Zauberer, Untote | |
| oder Drachen vor, aber sie nahmen nie eine bestimmende Rolle in der | |
| Geschichte ein. | |
| Viel wichtiger waren die Hauptpersonen in all ihren Ambivalenzen und | |
| Entwicklungen und in ihren wechselseitigen Beziehungen. Kaum jemand war | |
| hier eindeutig gut oder eindeutig böse. Und gerade Charaktere, die doch vor | |
| allem gut (Jon Snow, Nordmann mit Dackelblick) oder böse (Cersei Lennister, | |
| hinterlistige Königin auf dem Drachenthron) schienen, waren vor allem | |
| langweilig. Spannend wurde die Serie durch die Ambivalenzen, | |
| nachvollziehbaren Interessen, wechselnden Loyalitäten. Grauschattierungen | |
| statt Schwarz-weiß-Denken: Die Abwesenheit von Gut-Böse-Dichotomie machte | |
| Game of Thrones so brutal und so realistisch. | |
| ## Klare Fronten = Langeweile | |
| Doch nun ordnen sich die Fronten in einen klaren Kampf von Gut gegen Böse. | |
| Auf der einen Seite steht der Nachtkönig mit den weißen Wanderern und einer | |
| Armee Untoter (und seit der vorletzten Folge auch einem Zombie-Drachen), | |
| auf der anderen Seite die verschiedenen Stämme und Königreiche der | |
| Menschen, die sich unter der Führung einer weisen, attraktiven Königin | |
| gegen die Gefahr zusammenschließen. Der existenziellen Kampf von Licht | |
| gegen Schatten macht die Serie notwendigerweise banal. Wenn der Feind | |
| abgrundtief schlecht ist, gibt es bei den Guten kaum noch Raum für Nuancen, | |
| Entwicklungen, Ambivalenzen. Game of Thrones geht in die | |
| Herr-der-Ringe-Falle. | |
| Und die achte Staffel? Wahrscheinlich wird es so wie im dritten Teil des | |
| genannten Über-Klassikers des Fantasy-Genres: Berauscht vom Pathos ihrer | |
| Weltrettung geben alle Beteiligten nur noch salbungsvolle Parolen von sich | |
| (oder wahlweise Zitate von Ned Stark). Im Sinne George R. R. Martins wäre | |
| etwas ganz anderes: Jon müsste gleich in der ersten Folge in blauem | |
| Eisdrachenfeuer verbrennen. Daenerys wird irre und schließt einen Pakt mit | |
| den Weißen Wanderern. Kleinfinger wird von der Roten Lady wiederbelebt und | |
| schmiedet Ränke zwischen Nachtkönig, weißen Wanderern und untoten | |
| Wildlingsfraktionen. Dann stellt sich heraus, dass die Weißen Wanderer die | |
| Guten sind und eigentlich gegen die Klimaerwärmung kämpfen. Cersei verliebt | |
| sich in Arya, gemeinsam metzeln sie alle anderen nieder. | |
| Nur: Kommen wird es so nicht. | |
| 28 Aug 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.facebook.com/IKEAdeutschland/posts/1352902064824496 | |
| [2] http://www.huffingtonpost.com/entry/the-nights-watch-capes-on-game-of-thron… | |
| [3] https://www.vox.com/culture/2017/8/23/16184306/game-of-thrones-season-7-whi… | |
| [4] https://www.nytimes.com/2017/08/21/arts/television/alan-taylor-director-gam… | |
| [5] https://lareviewofbooks.org/article/game-thrones-death-enemy/#! | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Göbel | |
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