| # taz.de -- Öko, zyklisch und vegan: Gemüse ohne Gülle | |
| > Ein Anbauverein will den bio-veganen Anbau fördern – und durch ein Siegel | |
| > für Transparenz sorgen: damit es möglich wird, Obst und Gemüse ohne | |
| > Tierleid zu genießen | |
| Bild: Ohne Spur von Kot und Blut schmeckt Gemüse doppelt gut | |
| OLDENBURG taz | Das meiste Obst und Gemüse ist streng genommen nicht vegan: | |
| Der Anbau ist abhängig von industrieller Tierhaltung. Zum Düngen der | |
| Pflanzen kommen neben Gülle und Mist auch Schlachtabfälle wie Blutmehl, | |
| also getrocknetes und gemahlenes Blut, oder Hornspäne, also geschrotete | |
| Hörner und Hufe, zum Einsatz. | |
| „Selbst ökologische Landwirtschaft ist kein komplett geschlossener | |
| Kreislauf, sondern abhängig von Abfallprodukten aus konventioneller | |
| Tierhaltung“, erklärt der Diplom-Agrarwissenschaftler Daniel Mettke, der | |
| auch Vorstandsprecher und Geschäftsführer des Vereins „Biozyklisch-Veganer | |
| Anbau“ ist. | |
| Dass sich der Einsatz tierischer Produkte und die Nutzung von Tieren in der | |
| Landwirtschaft vermeiden lassen, zeigen vegane Betriebe. „Die Betriebe sind | |
| keine klar definierte Gruppe, sie haben eine Eigendefinition davon, was für | |
| sie bio-vegan ist“, erklärt Mettke. Der [1][Anbauverein] verbindet Betriebe | |
| und AktivistInnen aus ganz Deutschland und Österreich, seinen Sitz hat er | |
| in Rheinland-Pfalz, sein Büro aber, wo Mettke arbeitet, im Wendland, in | |
| Lüchow. Ende Mai hat das Netzwerk Richtlinien [2][veröffentlicht]: Ein 80 | |
| Druckseiten starkes Regelwerk, das erlauben soll, ein biozyklisch-veganes | |
| Qualitätssiegel einzuführen und so Transparenz für die VerbraucherInnen zu | |
| schaffen. | |
| „Wir wollen dabei keine Konkurrenz zu den Bioanbauverbänden sein, sondern | |
| sie ergänzen. Die Betriebe können sich zusätzlich über uns zertifizieren | |
| lassen. Das schafft Vermarktungsmöglichkeiten für viehlose Betriebe“, sagt | |
| Mettke. Auch solle das Label bei den KonsumentInnen überhaupt ein | |
| Bewusstsein dafür schaffen, dass man vegan angebaute Produkte nachfragen | |
| kann. | |
| ## Vegane Orangen gibt’s schon zu kaufen | |
| Orangen aus Griechenland waren schon in einer Supermarktkette zu haben, | |
| gerade sind Weintrauben nach Deutschland [3][geliefert worden]. „Ein | |
| sächsischer Biohof, der wohl im nächsten Jahr zertifiziert wird, versendet | |
| zum Beispiel Abokisten“, berichtet Mettke über die Vertriebswege. | |
| „Durch das Angebot an bio-veganen Produkten werden Menschen überhaupt erst | |
| auf das Problem, dass Obst und Gemüse nicht vegan angebaut werden, | |
| aufmerksam“, glaubt Moritz Kortüm, der in Wingst, zwischen Cuxhaven und | |
| Stade, seit diesem Jahr eine vegane Gärtnerei [4][betreibt]. | |
| Er bewertet das Label positiv, auch wenn er seinen Betrieb nicht | |
| zertifizieren lässt. „Dazu ist der zu klein. Es ist aber eine bequeme | |
| Möglichkeit für Leute, bio-vegane Produkte im Supermarkt zu kaufen“, so | |
| Kortüm. | |
| Seine eigenen Produkte will er indes über eine Solidarische Landwirtschaft | |
| (Solawi) an die VerbraucherInnen bringen. „So muss ich weniger Kompromisse | |
| eingehen. Beim klassischen, kommerziellen Anbau muss man häufig einen | |
| Mittelweg suchen, etwa beim Kauf von Jungpflanzen aus nichtveganem Anbau, | |
| da man ja auch wirklich eine gewisse Erntemenge erzielen muss.“ | |
| Auch in den biozyklisch-veganen Richtlinien gibt es Kompromisse – so ist es | |
| unter Auflagen erlaubt, dass auf den Betrieben Tiere leben. Allerdings | |
| müssen sie nach ökologischen Standards gehalten und dürfen nicht | |
| kommerziell genutzt werden, ebenso wenig wie ihre Erzeugnisse. Ihre Zahl | |
| darf 0,2 Großvieheinheiten pro Hektar nicht überschreiten. Das wären | |
| beispielsweise zwei Schafe. | |
| „Im internationalen Kontext, in Ländern, in denen kleinbäuerliche | |
| Strukturen vorherrschen, bietet dies einen Anknüpfungspunkt für die Bauern. | |
| Dort ist die Beziehung zu den Tieren enger“, so Mettke. Der Mist dieser | |
| Tiere darf in Obst- oder Weinkulturen dann auch ergänzend zum pflanzlichen | |
| Dünger verwendet werden. | |
| Für die Zertifizierung kommen vor allem Gemüse- und Obstanbau infrage. | |
| „Beim Ackerbau gibt es Logistikprobleme. Um zu garantieren, dass etwa | |
| bio-veganes Getreide unvermischt mit anderen Qualitäten bleibt, müsste es | |
| extra Silos geben, dafür ist die Produktion jedoch zu klein,“ berichtet | |
| Mettke. | |
| ## Die Sache mit den Bienen | |
| Kritik an der veganen Anbauweise gibt es wegen der Nährstoffversorgung des | |
| Bodens. Auf industrieller Ebene reiche eine pflanzliche Düngung nicht aus. | |
| Auch die Erhaltung des Humus sei ein Problem. „Das ganze funktioniert auch | |
| auf kommerzieller Ebene“, ist Mettke dagegen überzeugt. „Klassische | |
| Ackerbaukonzepte lassen sich allerdings nicht einfach übertragen.“ | |
| Das liege aber eher am Produktionssystem an sich, also an der Konstruktion | |
| dieser Anbaukonzepte, nicht an der veganen Landwirtschaft. Auch die Größe | |
| der Betriebe sei kein Problem. „Das Konzept ist skalierbar. Es ist eher | |
| eine Sache des Managements. Kompost und Streudünger etwa sind teurer als | |
| tierische Düngemittel.“ Die Schädlingsbekämpfung ist ein weiterer Aspekt | |
| veganer Landwirtschaft. So wird etwa darauf gesetzt, Nützlinge durch | |
| Maßnahmen wie etwa Blühstreifen anzusiedeln, sodass ein natürliches | |
| Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen hergestellt wird. Bei der | |
| Bestäubung der Pflanzen sollen keine vom Menschen gehaltenen Insekten wie | |
| zum Beispiel Honigbienen zum Einsatz kommen. | |
| „Die Betriebe werden darauf angewiesen sein, das Ökosystem so zu | |
| ertüchtigen, dass wilde Bestäuber reichen“, erklärt Mettke. „Im freien | |
| Anbau geht das, in Gewächshäusern etwa ist das schwieriger. Es gibt | |
| international Erfahrungen, wie das funktioniert. Dieses Know-how muss | |
| vermittelt werden.“ | |
| Wie schwierig es sein kann, Bestäuber anzulocken, wissen die Mitglieder des | |
| Vereins Allmende, die in Verden seit 1998 [5][einen Gemeinschaftsgarten | |
| vegan bewirtschaften]. „Wir haben früh blühende Gehölze gepflanzt, um | |
| Hummeln anzulocken. Bei uns in der Umgebung sind vor allem Roggenfelder und | |
| Kiefernwälder, da mangelt es an Befruchtern“, erzählt ein Vereinsmitglied. | |
| Da die Produkte nicht verkauft werden, ist ein Siegel für den Verein nicht | |
| relevant. „Veganer Anbau sollte aber weiter gefördert werden, es geht dabei | |
| nicht nur um Tierschutz, sondern etwa auch um den Klimawandel“, so das | |
| Mitglied. | |
| Mettke sagt ebenfalls: „Mit Bezug auf den Klimawandel sind vegane | |
| Ernährungsalternativen relevant, um den ökologischen Fußabdruck zu | |
| reduzieren.“ Daher sei vegane Landwirtschaft auch für Menschen interessant, | |
| die nicht vegan leben. „Wir müssen uns langfristig Gedanken um Alternativen | |
| machen.“ | |
| 23 Aug 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://biozyklisch-vegan.de/ | |
| [2] http://biozyklisch-vegan.de/richtlinien/ | |
| [3] http://www.biocyclic-network.net/produktpalette.html | |
| [4] http://veganegaertnerei.de/ | |
| [5] http://allmende.bplaced.net/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jördis Früchtenicht | |
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