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# taz.de -- Artenschutz in Dänemark und Norwegen: Politik mit Wölfen
> Die erste Wölfin seit Menschengedenken wird in Dänemark bejubelt.
> Norwegen streitet derweil erbittert darüber, wieviel Raubtier sein darf.
Bild: An Wölfen scheiden sich die Geister
Stockholm taz | 542 neue Tierarten wurden zwischen 2000 und 2016 in
Dänemark heimisch. Das berichtet das Naturhistorische Museum in Aarhus.
Manche sieht man nicht besonders gern – etwa den Marderhund oder den
Goldschakal. Geradezu herbeigesehnt wurde aber der Wolf.
Obwohl es inzwischen bereits ein paar Tiere mehr nach Dänemark geschafft
haben, war der Jubel von Naturschützern zuletzt noch einmal groß. Waren bis
dato ausschließlich männliche Wölfe nachgewiesen worden, fanden die
Experten im Mai Kotspuren einer Wölfin – noch dazu einer schwangeren.
DNA-Proben ergaben, dass sie aus einem Rudel südlich von Berlin
eingewandert war. Als Anfang Juli die ersten Kamerabilder gleich acht
Welpen zeigten, brach in vielen Medien Wolfsfieber aus.
Wolfsforscher Peter Sunde erklärte die Tiere gleich für ungefährlich, auch
wenn sie etwas „rockerhaft“ aufträten: „Die machen da nur einen Ausflug.…
Von einem „großen Gewinn für die dänische Natur“, schwärmt Thomas Secher
Jensen vom Aarhuser Museum: „Der Wolf kann eine positive Wirkung für das
gesamte Ökosystem haben.“
Von so freundlicher Aufnahme können die Artgenossen der dänischen Wölfe
einige Hundert Kilometer weiter nördlich nur träumen. „Wir müssen den Kampf
intensivieren“, verkündete da Ende Juni der extra in das nördlich von Oslo
liegende Gran gereiste norwegische Landwirtschaftsminister Jon Georg Dale.
Er versprach Landwirten: „Wir werden alles tun, damit der Wolf hier
verschwindet.“ Der hatte binnen weniger Wochen 120 Schafe gerissen. Und
Kotproben deuteten darauf hin, dass anscheinend eine einzige Wölfin am Werk
war.
## Der Wolf als Wahlkampfthema
„Alles“ bedeutete, dass man in Aussicht stellte, die Wolfsjagd vom
Hubschrauber aus zu genehmigen. Aber erst einmal sollten es Hunde schaffen,
aus Schweden ausgeliehene Plott-Hounds, die dort zur Wolfsjagd ausgebildet,
aber noch nicht eingesetzt worden waren. Wölfe so zu jagen war in Norwegen
bislang verboten – nicht wegen Tierquälerei, sondern weil unangeleinte
Hunde im Wald alle möglichen Tiere aufscheuchen und sogar Schafe anfallen
können. „Nun geht man wirklich zu weit“, kritisierte Arnodd Håpnes vom
Naturschutzverband Naturvernforbundet. „Das widerspricht allen
Jagdgesetzen.“
Umweltstaatssekretär Lars Andreas Lunde sagt, er verstehe die Kritik. „Aber
wir sind wirklich in einem Dilemma“, sagt er. Dazu könnte gehören, dass am
11. September in Norwegen gewählt wird. Und der Wolf hat sich zu einem
wichtigen Wahlkampfthema entwickelt, auch wenn der Bestand mit rund 60
einheimischen und etwa 30 ab und an aus Schweden herüberwechselnden Wölfen
überschaubar ist. Aber wo immer sich Rudel ansiedeln, regt sich erbitterter
Widerstand der Landbevölkerung. Man traue sich kaum noch, die Kinder
unbeaufsichtigt zur Schule zu lassen, sagte eine Mutter JournalistInnen.
2016 hatten sich die konservativ-rechtspopulistische Regierung und
sozialdemokratische Opposition auf eine Wolfsvereinbarung geeinigt, wonach
die Zahl der Wölfe deutlich reduziert werden sollte. Allerdings legte sich
Umweltminister Vidar Helgesen quer, als eine Parlamentsmehrheit den
Abschuss von 47 der 60 Wölfe forderte. Und da der Wolf in Norwegen als
gefährdet gilt, wäre das sowohl im Widerstreit mit der Verfassung des
Landes als auch mit internationalen Artenschutzabkommen gewesen. Martin Lee
Müller, Doktor für ökologische Philosophie an der Universität Oslo,
forderte eine „Debatte, die auf Fakten statt auf Gefühlen fußt“. Nur
Aufklärung könnte Akzeptanz vermitteln.
Das ist Ketil Skogen vom Umweltforschungsinstitut NINA zu kurz gegriffen.
So spielten zum einen auch Interessen von Jägern eine Rolle, die im Wolf
eine Konkurrenz sehen. Zum anderen würfen Teile der Bevölkerung Behörden
oder Umweltschutzorganisationen vor, ihnen vorzuschreiben, wie sie leben
wollen. „Der Wolf ist eine unheimlich große Symbolfrage geworden“, stöhnt
der Fraktionsvorsitzende der konservativen Regierungspartei Høyre, Trond
Helleland.
Die Spezialjagdhunde mussten nach zwei Wochen Suche unverrichteter Dinge
aus Gran abziehen. Die Wölfin hatte sich nicht mehr blicken lassen.
23 Jul 2017
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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Norwegen
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Wölfe
Schwerpunkt Klimawandel
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