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# taz.de -- Filmtiere aus Hannover: Wölfe heulen auf Kommando
> Der erste Job war beinahe der letzte: Die Firma von Miguel de la Torre
> vermittelt Wölfe an Film und Fernsehen.
Bild: Üben für den Film: Die Filmwölfe können auf Kommando fletschen und la…
Hannover taz | Wenn in einem deutschen Film oder Fernsehkrimi ein Wolf zu
sehen ist, kommt er wahrscheinlich aus Hannover. Die Firma [1][Filmwölfe]
hat sich darauf spezialisiert, Wölfe für Filmaufnahmen anzubieten. Das
Training von Filmtieren ist zwar nur ein kleines, aber wichtiges Gewerk in
der Branche. Die meisten bieten Vögel, Hunde, Katzen, Ratten, Mäuse und
auch mal Bären an. Dass sich ein Anbieter auf eine einzige Gattung
konzentriert, ist sehr ungewöhnlich. Und das geht wohl auch nur mit dem
Wolf, weil der in Deutschland immer noch als mythisches Tier gilt.
25 Mal im Jahr, also etwa alle zwei Wochen, wird mindestens ein Tier der
Filmwölfe gebucht. Sie standen schon in Spielfilmen wie „Die dunkle Seite
des Mondes“ neben Moritz Bleibtreu und Fatih Akins „Tschick“ vor der
Kamera. In Kinderfilmen werden sie auch gern genommen, etwa in Detlev Bucks
„Bibi & Tina“.
Und ihren bisher größten Auftritt hatten sie in der Verfilmung des
Schweizer Märchens „Schellen Ursli“ des Oscar-Preisträgers Xavier Koller.
Dazu kommen diverse Folgen von „Tatort“ „Polizeiruf 110“, „Alarm für…
11“ und natürlich die Serie „Wolfsland“ mit Yvonne Catterfeld. Wenn eine
Reifenhandlung mit dem Namen „Wolf“ einen Werbefilm machen will, bekommt
Filmwölfe den Auftrag. Und in ein paar Wochen werden fünf Wölfe nach
Wolfsburg transportiert, um mit ihnen einen Werbefilm für das Stadion des
VfL Wolfsburg zu drehen.
## Job als Geologe aufgegeben
Die Firma scheint also ein Erfolg zu sein. Doch wer kommt auf die Idee,
sich mit so etwas selbstständig zu machen? Miguel de la Torre hat für diese
Idee seinen festen Job als Geologe und Informatiker aufgegeben. Dies ist
ein schönes Beispiel dafür, dass es sich rechnen kann, wenn man seine
Leidenschaften konsequent auslebt.
De la Torre lebt gern unter Wölfen. Das begann vor 25 Jahren bei einer
USA-Reise, auf der er einen jungen Wolfshund kaufte und ihn mit nach
Deutschland brachte. Vor zehn Jahren wurde ihm ein acht Wochen altes
Wolfsjunges angeboten, und damit begann sich sein Leben radikal zu
verändern. Als seine kleine Wölfin zwei Jahre alt wurde, hatte de la Torre
die Idee, sie für Filmaufnahmen anzubieten.
Wölfe kann man zwar nicht trainieren, aber konditionieren. Und seine Wölfin
Lobine konnte fletschen, jaulen, laufen und sich auf Anweisung auf etwas
draufstellen. Mehr tut kein Wolf auf Befehl.
De la Torres erster Auftrag hätte aber auch gut sein letzter sein können,
denn der Filmkünstler Julian Rosefeldt war gar nicht glücklich darüber,
dass die Wölfin beim Dreh nicht so wollte, wie er sich das vorgestellt
hatte. So lief Lobine etwa nicht minutenlang durch den Wald, ohne sich
umzusehen. Das tut ein Wolf nun einmal nicht. Aber de la Torre war nach
Ende der Dreharbeiten doch geknickt. Bis Rosefeldt sich begeistert bei ihm
meldete, denn alle redeten davon, wie eindrucksvoll der Wolf in seinem
Kunstfilm „Meine Heimat ist ein düsteres wolkenverhangenes Land“ wirke.
Also machte de la Torre weiter und vor vier Jahren kündigte er seine
Festanstellung. Seitdem lebt er von und mit seinen Wölfen.
Er hat neben zehn Wölfen, von denen viele Kinder und inzwischen Enkel
seiner ersten Wölfin Lobine sind, und auch einen Wolfshund. Den braucht er,
wenn bei einem Auftrag Beißen oder Angreifen verlangt wird. Denn das tut
ein Wolf nicht. Nur wenige Tierkenner beim Film bemerken aber diesen
Schummelwolf. Das Rudel bestehe nur aus amerikanischen Wölfen, die viel
sozialer und nicht so dominant sind wie ihre europäischen Artverwandten,
sagt de la Torre. Und dafür gebe es auch einen guten, darwinistischen
Grund, denn die amerikanischen Wölfe lebten und jagten in größeren Rudeln,
weil sie größere Beutetiere wie Bison und Elch reißen mussten und dies nur
gemeinsam konnten.
## Gegenüber essen Leute Pizza
Die Filmwölfe werden auf einem Gelände in einem Wohngebiet in der Nähe von
Hannover gehalten. Direkt gegenüber des Grundstückes ist eine Pizzeria, von
der aus die Gäste einen direkten Blick auf die im umgitterten Areal frei
laufenden Wölfe haben. Einige sind interessiert, wenige Gäste empört und so
kommt es immer mal wieder zu Anzeigen bei der Polizei. Aber Miguel de la
Torre hat alle Genehmigungen und Lizenzen vom Veterinäramt und der
Naturschutzbehörde.
Die Wölfe sind dort auf dem Gelände aufgewachsen und wenn de la Torre neue
Tiere einkauft, wie etwa vor einigen Jahren einen weißen Wolf in den USA,
dann sind sie so jung, dass auch für sie das Grundstück das Heimatrevier
ist. Viele seiner Tiere im Rudel haben zehn Prozent Hundegene, man kann
diese Tiere also kaum mit ihren frei lebenden Artgenossen vergleichen. Die
Nachbarn haben sich längst an die Tiere gewöhnt. Sie stören nur, wenn auf
der Straße ein Martinshorn zu hören ist, dann heulen sie mit.
Ungewöhnlich ist ebenfalls, dass de la Torre nebenbei zu einem handwerklich
routinierten Filmemacher geworden ist. Er macht viele der Aufnahmen von
seinen Tieren inzwischen selbst und hat dafür auf seinem Grundstück ein
Studio mit einer Greenscreen-Anlage eingerichtet. Vom Drehbuch, über
Kameraarbeit bis zum Schnitt kann er bei den Werbe- und Imagefilmen
inzwischen alles selbst machen. Interessant ist sein Verhältnis zu den
Tieren, mit denen er jeden Tag viele Stunden verbringt. Im Gespräch hat er
keines von ihnen beim Namen genannt. Haustiere sind seine Wölfe also ganz
gewiss nicht.
12 Jul 2017
## LINKS
[1] http://www.filmwolf.de
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Film
Tiere
Wölfe
Polizeiruf 110
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Griechenland
Landwirtschaft
Tatort
Norwegen
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