# taz.de -- Zu Besuch bei Trump-Anhängern: Die Gekränkten | |
> Donald Trump ist aggressiv, sprunghaft, verletzend. Seine Umfragewerte | |
> sinken. Aber viele US-Amerikaner halten weiter zu ihm. Was sind das für | |
> Leute? | |
Bild: Die Meisten, die Trump gewählt haben, finden ihn heute immer noch gut | |
Samuel Cosmano freut sich. „Ist er nicht peinlich?“ Er grinst. „Ist er | |
nicht wirklich sehr peinlich?“ Das Grinsen wird breiter. „Er ist kein | |
toller Redner, er ist kein Politiker.“ Kunstpause. „Und das gefällt mir.“ | |
Die Rede ist von Donald Trump, und eigentlich sollte es keine Überraschung | |
sein, dass dieser Betreiber einer Autowaschanlage den US-Präsidenten | |
großartig findet. Immerhin hat er schon vor einem Jahr angekündigt, bei den | |
Wahlen für ihn zu stimmen. | |
Aber es erstaunt dann doch, dass er ihn noch immer unterstützt. Der | |
51-jährige fröhliche Mann, der mit seinen braunen Wuschellocken mindestens | |
zehn Jahre jünger aussieht, entspricht so gar nicht dem Bild des typischen | |
Wählers von Donald Trump. Entspannt wirkt er, nichts ist zu spüren von der | |
Wut über die Verhältnisse und die politische Klasse, die so viele andere | |
Anhänger von Trump auf Kundgebungen laut hinausschreien. | |
Wo sollte die Wut auch herkommen? Familienvater Cosmano ist erfolgreich, | |
gerade überlegt er, einen zweiten Betrieb zu eröffnen. Er lebt in East | |
Aurora, einer reichen, friedlichen Kleinstadt im Norden des – von | |
US-Demokraten regierten – Bundesstaats New York. Was hat er eigentlich | |
gegen das sogenannte Establishment? Die Antworten sind vage. Die Steuern | |
seien zu hoch, der Staat mische sich in zu viele Dinge ein. | |
Alte Freunde fanden das nicht überzeugend. Mit Klassenkameraden, die er | |
seit Jahrzehnten regelmäßig traf, hat Cosmano sich zerstritten, als er | |
ankündigte, Trump wählen zu wollen. „Sie wurden sehr aggressiv.“ Der | |
Kontakt wurde abgebrochen, abrupt und böse. „Nach einigen Monaten haben wir | |
uns irgendwie versöhnt, aber wir meiden seither politische Themen.“ | |
## „Das ist ein Geschäftsmann, okay?“ | |
Das ist in den Vereinigten Staaten derzeit oft zu hören, von Demokraten und | |
von Republikanern. Bloß nicht mehr über Politik reden, das kann zu | |
Verletzungen führen, die schwer heilbar sind. Liegt das nicht vor allem | |
daran, dass Donald Trump selbst oft so verletzend und aggressiv | |
argumentiert? | |
Samuel Cosmano winkt ab. Er sieht mindestens ebenso viel Schuld bei der | |
Gegenseite. „Die Demonstranten in Berkeley und anderswo machen doch genau | |
das, wogegen sie behaupten zu kämpfen.“ Worauf er anspielt: Im Februar | |
haben – teils gewaltsame – Proteste dazu geführt, dass ein geplanter | |
Auftritt des rechtspopulistischen Bloggers Milo Yiannopoulos an der | |
Universität Berkeley kurzfristig abgesagt wurde. | |
Cosmano hat einen ausgeprägten Sinn für Ironie. Im Unterschied zum | |
US-Präsidenten. Wie erträgt er dessen grobschlächtige Art? Er lacht. „Das | |
ist ein Geschäftsmann, okay? Er kann sagen: ‚Wir handeln nicht mehr mit | |
China.‘ Und nächstes Mal stellt er Bedingungen. Das ist ein Werkzeug für | |
Verhandlungen, nichts sonst.“ | |
So sehen andere das ebenfalls, die in East Aurora zur gut verdienenden | |
Mittelschicht gehören und mit denen Cosmano gelegentlich ein Bier trinkt. | |
Der Rechtsanwalt Mark Adrian und der frühere Immobilienmakler Harvey | |
Shymanski, der sich zur Ruhe gesetzt hat, tauschen ein wissendes Lächeln | |
bei der Frage, ob Donald Trump nicht bedrohlich häufig auf den Nerven | |
seiner Gesprächspartner herumtrample. | |
„Wenn du Geschäfte machst, dann sitzt du nicht da und sagst deinem | |
Gegenüber die Wahrheit“, erklärt der 64-jährige Shymanski. „Das ist ein | |
strategischer Zug. Teil eines Spiels.“ Der Anwalt nickt: „Die Demokraten | |
begreifen es nicht. Er sagt all diese Dinge, um die Reaktionen zu | |
beobachten. Er prüft die Wassertemperatur.“ | |
## Die Aktien laufen gut | |
Beide halten die Grobheiten des Präsidenten – sowohl die im Netz als auch | |
die im wahren Leben – für eine geschickte Taktik, und beide sagen, sie | |
hätten selbst schon häufig ähnlich agiert. Mit großem Erfolg. Mark Adrian: | |
„Als er gesagt hat, die Nato sei überflüssig, da waren die Verbündeten | |
plötzlich bereit, die zwei Prozent zu zahlen. Vorher nicht.“ | |
Das ist eine verkürzte Zusammenfassung der europäischen Reaktionen auf die | |
Forderung des US-Präsidenten, alle Nato-Partner sollten ab sofort zwei | |
Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Rüstung ausgeben. Was stimmt: | |
Viele Regierungen, darunter auch die deutsche, haben Entgegenkommen und | |
eine grundsätzliche Bereitschaft zur Erhöhung ihrer Rüstungsausgaben | |
signalisiert. Wenn man ein Anhänger von Donald Trump ist, dann kann man das | |
mit gutem Grund für einen Erfolg halten. | |
Auch Mark Adrian und Harvey Shymanski haben bereits vor einem Jahr mit der | |
Reporterin zusammen gesessen. Schon damals waren sie sich einig: Sie würden | |
bei den Präsidentschaftswahlen für Donald Trump stimmen. Ihm trauten sie | |
eine Belebung der Wirtschaft und Erfolge im Kampf gegen Terrorismus und | |
Kriminalität zu. Und heute? Sind Adrian und Shymanski enttäuscht? Nein. | |
„Bisher bin ich sehr zufrieden“, erklärt der 62-jährige Anwalt spöttisch. | |
„Meine Aktien laufen gut.“ | |
Das klingt provozierend, und das ist vermutlich auch so gemeint. Adrian | |
erweckt den Eindruck, gern mit dem Klischee zu spielen, dem zufolge alle | |
Wählerinnen und Wähler von Trump entweder zur bildungsfernen, abgehängten | |
Schicht der Gesellschaft gehören oder ausschließlich daran interessiert | |
sind, sich persönlich zu bereichern. Dass diese Vorstellung falsch ist, | |
liegt auf der Hand. | |
Es ist eine einfache Rechenaufgabe – mit diesen Gruppen allein lassen sich | |
keine Präsidentschaftswahlen gewinnen. Ja, Donald Trump hat seit seinem | |
Amtsantritt viele Sympathien eingebüßt und anhaltend schlechte | |
Umfragewerte. Einerseits. Wahr ist andererseits aber auch: Rund 40 Prozent | |
der Bevölkerung unterstützt ihn. Unbeirrt. | |
## Politische Kontroversen im Eheleben | |
Wer sind diese Leute? Und wie viele von denjenigen, die vor einem Jahr der | |
Reporterin erklärt haben, Donald Trump wählen zu wollen, bedauern das | |
inzwischen? Um das Ergebnis der Recherche vorwegzunehmen: Kein Einziger und | |
keine Einzige. Niemand hat seine oder ihre Meinung im Laufe des letzten | |
Jahres geändert. Was vielleicht daran liegt, dass die eigene Position | |
ziemlich gefestigt sein muss, bevor man sich überhaupt zu einem | |
ausführlichen politischen Interview bereit erklärt. Andernfalls hätte es | |
Verschiebungen im Meinungsgefüge geben müssen. Denn es ist ja nicht so, als | |
ob alle Republikaner geschlossen und in Treue fest hinter dem Präsidenten | |
stünden. Im Gegenteil. Auch neue Freunde scheint er nicht zu gewinnen – wer | |
ihn vor einem Jahr unerträglich fand, mag ihn noch immer nicht. | |
Zum Beispiel Jen Griesbaum, eine 42-jährige Angestellte in der Großstadt | |
Buffalo im Staat New York. Sie und ihr Mann, der Computertechniker Chris | |
Griesbaum, 43, sind eingefleischte Republikaner. Er hat Trump gewählt, sie | |
nicht. Und seit er im Amt ist, fühlt Jen Griesbaum sich bestätigt: „Er | |
versucht ja nicht einmal zu regieren. Er unterschreibt nur Erlasse.“ – „D… | |
könnte auf lange Sicht zum Problem werden“, meint auch ihr Mann. Aber ihm | |
gefallen schnelle Urteile nicht: „Er steht doch noch ganz am Anfang.“ | |
Sie: „Er hat Probleme mit der Impulskontrolle.“ Er nickt: „Twitter.“ Si… | |
„Bei allen früheren Präsidenten – selbst bei Obama, und der hat mir | |
Schauer über den Rücken gejagt – habe ich gewusst, dass ihnen das Wohl des | |
Landes am Herzen lag. Bei Trump geht es immer nur um me, me, me. Um mich, | |
um mich, um mich.“ Er schweigt. Ziemlich lange. Dann: „Aber ich glaube, | |
dass er manches auch richtig macht.“ Was genau? Er schweigt erneut. Er | |
versinkt in Schweigen. | |
Bei manchen Ehepaaren schienen politische Kontroversen eigentlich | |
vorprogrammiert zu sein. Die Rechtsanwältin Margot Bennett ist seit | |
Jahrzehnten überzeugte, engagierte Demokratin. Im letzten Jahr hat sie den | |
Republikaner Mark Mitschow geheiratet, einen Professor für Rechnungswesen. | |
Die beiden müssen sich sehr lieben – sie wussten ja, worauf sie sich | |
einließen. | |
## Einigkeit über Parteigrenzen hinweg | |
Als der republikanische Präsident Ronald Reagan gewählt wurde, trug Margot | |
Schwarz – aus Trauer. Mark hingegen wartete beim Tod von Reagan acht | |
Stunden in einer Schlange, um sich in ein Kondolenzbuch eintragen zu | |
können. Was für eine Voraussetzung für eine Ehe! Und jetzt? Krieg? Morgens, | |
mittags, abends? Nein. Annäherung. | |
Margot Bennett würde Trump noch immer nicht wählen, bestimmt nicht. Aber: | |
„Ich mag die Art nicht, wie manche Demokraten jetzt Trump-Anhänger | |
dämonisieren. Das ist arrogant und respektlos. Viele Feuerwehrleute, | |
Pfleger und Sozialarbeiterinnen, die ich kenne und mit denen ich beruflich | |
zu tun habe, haben Trump gewählt. Das sind anständige, intelligente Leute. | |
Es ist einfach billig, die alle als unwissende Idioten diffamieren.“ | |
Ihr Ehemann Mark Mitschow – der sich selbst als libertär bezeichnet – hat | |
Trump nicht gewählt, und er hatte es niemals vor. Aber er sagt auch: „Es | |
ist inzwischen möglich, 2.400 Meilen von Pensacola in Florida nach Coeur | |
d’Alene in Idaho zu fahren, ohne durch eine einzige Gemeinde zu kommen, die | |
von den Demokraten gewonnen wurde. Die Demokraten haben die ganze Mitte des | |
Landes ignoriert.“ | |
Der Rechtsanwalt Mark Adrian hatte den Sieg von Donald Trump ebenfalls mit | |
den fly-over-states – den Staaten, über die man hinwegfliegt – erklärt. | |
Dass die Demokraten im Wahlkampf schwere Fehler gemacht haben: Das | |
zumindest ist eine Einsicht, auf die sich derzeit wohl eine große Mehrheit | |
der US-Bevölkerung einigen könnte. Über Parteigrenzen hinweg. | |
Einige Gesprächspartner hat die Reporterin jetzt zum ersten Mal getroffen. | |
Die 58-jährige Lehrerin Mary Stange-Cooke zum Beispiel. Die langjährige | |
Stadträtin einer Gemeinde in der Nähe von Buffalo hat für Trump gestimmt, | |
weil sie ganz grundsätzlich den Einfluss des Staats begrenzen will, | |
übrigens durchaus im Einklang mit dem, was sich die Gründerväter bei der | |
Unabhängigkeitserklärung im 18. Jahrhundert vorgestellt hatten. Und weil | |
sie immer wütender wurde über die Berichterstattung liberaler Medien mit | |
großer Reichweite: „Ich fühlte mich manipuliert – und wurde sauer.“ | |
## Trump wählen als Experiment | |
Oder der 20-jährige Jamison Garvey, Student der Politischen Wissenschaften, | |
der letztes Jahr erstmals wählen durfte. Und Donald Trump gewählt hat: „Er | |
ist ein Experiment.“ Vielleicht muss man 20 Jahre alt sein, um das im | |
Zusammenhang mit dem Amt des US-Präsidenten reizvoll zu finden. Unter | |
seinen Altersgenossen gehört er übrigens zu einer Minderheit: „Ja, das | |
genieße ich, es macht Spaß.“ | |
Auch der mittelständische Unternehmer Rick Finesen hat Donald Trump | |
gewählt. Er ist 51 Jahre alt, Vater von fünf Kindern, streng katholisch. | |
Wirkt bedächtig, abwägend, er setzt sich mit Gegenargumenten auseinander. | |
Eigentlich läuft es für ihn gerade ziemlich gut. Schöne Villa am Rande von | |
Buffalo, großer Garten, die Auftragszahlen steigen. Dennoch ist bei ihm | |
eine tiefsitzende Aggression zu spüren. Allzu viel werde Leuten geschenkt, | |
die gar nicht bereit seien zu arbeiten. Beispiel Krankenversicherung. | |
„Obamacare“ – einfach ungerecht sei das. Er habe nichts gegen einen | |
Notfallplan für alle. Aber wenn alle Gesundheitsrisiken abgedeckt würden: | |
Das fände er falsch. | |
„Ich habe nicht mehr als höchstens 20.000 Dollar auf der Bank. Letztes Jahr | |
bin ich zwei Tage mit Schmerzen in der Brust herumgelaufen, weil ich Angst | |
hatte, dass mich ein Klinikaufenthalt ein paar tausend Dollar kosten | |
würde.“ Schließlich fuhr er dann doch ins Krankenhaus. Seine Befürchtungen | |
erwiesen sich in finanzieller Hinsicht als berechtigt. Warum ist er dann | |
trotzdem gegen eine allgemeine Krankenversicherung? | |
Pause. Lange Pause. „Ich glaube, ich vertraue ganz einfach der Regierung in | |
dieser Hinsicht nicht. Also: dass sie das seriös verwalten könnte. Die | |
Leute, mit denen ich mich politisch gut verstehe, glauben, dass die | |
Versicherungsgesellschaften und die Pharmakonzerne alle in der Hand haben. | |
Die Führungsspitzen beider Parteien.“ | |
Das kann man falsch finden. Aber kann man es wirklich für naiv halten? Oder | |
gar für reaktionär? | |
## Die Hoffnung ist evangelikal, homophob, witzig | |
Ortswechsel. West Virgina, einer der ärmsten Bundesstaaten der USA. Der – | |
neben einigen Einnahmen aus dem Tourismus – überwiegend von Kohle lebt. | |
Wenig erstaunlich, dass Hillary Clinton mit ihrer Kampagne für erneuerbare | |
Energien hier nicht punkten konnte. | |
Conrad Lucas ist Vorsitzender der Republikaner in diesem Staat. Vor einem | |
Jahr hat er gesagt: „Ich bin 34 und die große Hoffnung meiner Partei in | |
West Virginia. Wenn Hillary Clinton ins Weiße Haus einzieht und dort | |
womöglich acht Jahre bleibt – dann bin ich 42 und jemand anders ist 34 | |
Jahre alt und die große Hoffnung der Republikaner.“ | |
Hillary Clinton ist nicht Präsidentin geworden. Lucas ist inzwischen 35 | |
Jahre alt und erwägt, bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr für den | |
Kongress zu kandidieren. Seine Familie hat sich hier vor einigen hundert | |
Jahren angesiedelt. Er ist – oder gibt sich – evangelikal, homophob, | |
reaktionär. Hat also gute Aussichten in seiner Partei. | |
Ein kleines Problem: Er ist auch witzig, sarkastisch, intelligent. Und er | |
darf keine dieser Fähigkeiten gegen Donald Trump einsetzen, denn der wird | |
bislang eben doch von so vielen Republikanern unterstützt, dass gegen | |
seinen politischen Kurs keine Kandidatur erfolgreich sein könnte. Conrad | |
Lucas sagt kein Wort gegen den US-Präsidenten. Aber nicht immer kann er der | |
Versuchung widerstehen, eine differenzierte Analyse abzuliefern. „Der | |
Übergang von einem Geschäftsmann zu einem Politiker ist immer besonders | |
schwierig“, sagt Lucas, Absolvent der Eliteuniversität Harvard. „Im | |
Geschäftsleben gibt es eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, aber nur | |
wenige Ziele. In der Politik gibt es ebenfalls eine Fülle von | |
Handlungsmöglichkeiten – und unüberschaubar viele Ziele.“ | |
Eine kluge Definition von Politik, vor allem von Außenpolitik. Die eine | |
scharfe Kritik an Donald Trump enthält. Lucas formuliert ja hier die | |
Gegenposition zu der Ansicht der Honoratioren von East Aurora, denen | |
zufolge Dreistigkeit genügt, um zu erreichen, was man will. Er fordert eine | |
klare Priorisierung politischer Ziele – also das Gegenteil von der wirren | |
Sprunghaftigkeit, für die Donald Trump steht. | |
Aber merkt das jemand? Wer interessiert sich schon für Außenpolitik? Je | |
länger und je häufiger man mit Anhängerinnen und Anhängern von Trump redet, | |
desto deutlicher wird: Der US-Präsident richtet seinen Blick nach innen – | |
und so wird er auch verstanden. Ob er nach Saudi-Arabien reist oder zum | |
G20-Gipfel nach Hamburg, letztlich geht es immer nur um Innenpolitik. | |
## Auf einmal ist es vorbei mit der Freundlichkeit | |
Der Bürgermeister von Charleston, der Hauptstadt von West Virginia, war | |
seit 1971 ein Republikaner. Im letzten Jahr ist der 66-jährige Danny Jones | |
aus der Partei ausgetreten, und für Donald Trump hat er nicht gestimmt. „Er | |
bedient die niedrigsten Instinkte der Leute“, meint Jones. „Ich glaube, er | |
spinnt. Er ist ein Narzisst.“ | |
Danny Jones ist viermal zum Bürgermeister gewählt worden, zum ersten Mal | |
2003. Häufiger als alle seine Vorgänger. Er hat alles gewonnen, was er | |
gewinnen wollte. Er will nichts mehr werden, und er hat nichts mehr zu | |
verlieren. Die Stimmung während des Interviews ist entspannt und | |
freundlich. Jones hat keine Scheu, den Präsidenten offen und direkt zu | |
kritisieren. Dann die Frage: Ruiniert das Auftreten von Donald Trump nicht | |
gerade das Verhältnis zu den engsten Verbündeten, nämlich zu Europa? Auf | |
einmal ist es vorbei mit der Freundlichkeit. Danny Jones: „Es ist mir | |
wurscht, was Europäer denken. Ich interessiere mich für mein Aktienpaket, | |
für finanzielle Fragen.“ Dann wird er, ganz plötzlich und überraschend, | |
sehr aggressiv: „Es ist mir echt egal.“ | |
Das klingt vertraut, alarmierend vertraut. In East Aurora hat genau | |
dieselbe Frage eine ähnliche Reaktion hervorgerufen. Ausgerechnet der | |
ehemalige Immobilienmakler Harvey Shymanski, der während des Gesprächs | |
stets verbindlicher als seine Freunde blieb und über kritische Fragen | |
länger nachdachte, wurde plötzlich ganz kalt. Verschränkte die Arme. Wurde | |
– ja: Anders als feindselig lässt sich seine Haltung kaum beschreiben. „Ich | |
bin nicht sicher, dass mir das wichtig ist. Unsere Beziehung zu Europa ist | |
mir gleichgültig.“ | |
Auch der Unternehmer Rick Finesen in Buffalo war scharf geworden: „Es ist | |
mir egal, ob der Rest der Welt über uns lacht. Völlig. Ich denke, die USA | |
können auch allein klarkommen. Die europäische Politik ist ein Witz. Ein | |
sozialistischer Weg, der geradewegs zu sowjetischen Verhältnissen führt.“ | |
Es scheint ziemlich viele Leute zu geben, die auf Europa schon lange wütend | |
sind. Die Ansicht ist weit verbreitet: Wenn es brenzlig wird, erwarten die | |
Verbündeten Hilfe, in ruhigen Zeiten meckern sie herum. Die Kränkung sitzt | |
tief. Donald Trump dürfte das wissen. | |
Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz. Seit zehn Jahren | |
recherchiert sie in der US-amerikanischen Provinz. | |
18 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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