| # taz.de -- Bilanz der Wohnungspolitik: Teure Sozialwohnungen | |
| > Trotz Förderprogrammen gibt es in Bremen immer weniger günstigen | |
| > Wohnraum. Dabei wären viel billigere Mieten durchaus möglich, sagen | |
| > Experten. | |
| Bild: Früher verrufen: Bremen-Tenever | |
| BREMEN taz | Bremen verliert weiterhin mehr Sozialwohnungen, als neue | |
| gebaut werden. Schuld daran hat das 2012 verabschiedete Neubauprogramm, | |
| sagt Claudia Bernhard, die baupolitische Sprecherin der Bremer | |
| Linksfraktion. Denn seither müssen 25 Prozent aller Neubauten in Bremen | |
| Sozialwohnungen sein. Darauf verweist der rot-grüne Senat gerne, und dafür | |
| hat er drei Wohnraumförderungsprogramme im Wert insgesamt von 120 Millionen | |
| Euro aufgelegt. Jedes von ihnen soll 600 bis 800 Sozialwohnungen schaffen, | |
| sagt der grüne Bausenator Joachim Lohse. | |
| Doch die angestrebte Quote von 350 Wohneinheiten jährlich wurde seither | |
| deutlich unterschritten. Nach Angaben des Bauressorts sind gerade einmal | |
| 395 Sozialwohnungen bezugsfähig – fast ein Viertel weniger als erhofft. | |
| Hinzu kommt, dass nach Schätzungen der Bremer Linksfraktion rund 500 | |
| Wohnungen pro Jahr aus ihrer Sozialbindung herausfallen. Das seien fünfmal | |
| so viele Sozialwohnungen, wie aus dem Wohnraumförderprogramm bisher neu | |
| entstünden. Diese Entwicklung folgt einem Trend: Nach Angaben des | |
| Bauressorts ist der Bestand im sozialen Wohnungsbau im Land Bremen von | |
| knapp 80.000 Sozialwohnungen im Jahr 1990 auf aktuell 7.400 gesunken. | |
| Für Claudia Bernhard entschärft das Neubauprogramm daher das | |
| Wohnungsproblem nicht. Sie sieht vor allem NiedriglohnempfängerInnen | |
| betroffen, da selbst die Miete in den neu gebauten Sozialwohnungen für sie | |
| zu hoch sein können. 6,10 bis 6,50 Euro beträgt hier die genormte Miete pro | |
| Quadratmeter. Für viele, die Arbeitslosengeld II beziehen, liegt das | |
| innerhalb der veranschlagten Kosten für Unterkunft und Heizung. Nicht aber | |
| für Alleinerziehende, die Anspruch auf eine Zwei-Zimmer-Wohnung erheben. | |
| Schwierig wird es auch für Großfamilien, die mindestens fünf Zimmer | |
| benötigen. „Die gucken nach der aktuellen Lage in die Röhre“, so Bernhard. | |
| Wenn man Bremen mit anderen Großstädten vergleiche, müsse man feststellen, | |
| „das wir sehr gut dastehen“, sagt dagegen Joachim Lohse. | |
| Aber auch Joachim Barloschky, Sprecher des Aktionsbündnisses „Menschenrecht | |
| auf Wohnen“, kritisiert die Situation auf dem Bremer Wohnungsmarkt. Die | |
| derzeitige Entwicklung schüre weitere Wohnungslosigkeit, sagt er. Betroffen | |
| seien nicht nur Geringverdiener oder die über 500 Obdachlosen in Bremen. | |
| Sondern auch „Tausende“, die wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum bei | |
| FreundInnen oder der Familie hausen müssten. | |
| Einen Ausweg sieht Barloschky in kommunalen Wohnungsgesellschaften, in | |
| denen erwirtschaftetes Kapital nicht als Rendite ausgeschüttet wird, | |
| sondern in den sozialen Wohnungsbau zurückfließe. „Diese Idee ist nicht | |
| neu“, sagt Barloschky und erinnert sich an die Zeiten, in denen Bremen eine | |
| Vorreiterrolle für soziales Bauen einnahm. So war die später als „Denkmal | |
| edler Einfalt“ kritisierte Neue Vahr in den 1960ern Europas größtes | |
| Wohnbauprojekt in kommunaler Hand. Es schaffte funktionalen Wohnraum für | |
| knapp 30.000 Menschen. | |
| „Ruhmvoller und schrecklicher Abschluss dieser Entwicklung war Tenever“, | |
| sagt Barloschky, der in den 90ern Quartiersmanager des Stadtteils war und | |
| dessen Abdriften zum sozialen Brennpunkt miterlebte. Schuld daran sei der | |
| großflächige Verkauf der kommunalen Wohnungsgesellschaften in den 1990er | |
| Jahren gewesen. Die meisten der Sozialbauten gehörten danach | |
| Finanzunternehmen. „Das geht immer zu Lasten der Menschen“, beschwert sich | |
| Barloschky, „da die Rendite machen mit hohen Mieten bei möglichst wenig | |
| Instandhaltungskosten“. | |
| Als auch Tenever verkauft werden sollte, gründete Barloschky eine | |
| Bürgerinitiative. Die hat am Ende erreicht, dass die Hochhaussiedlung | |
| größtenteils von der Gewoba übernommen wurde, die dort 75 Millionen Euro | |
| investiert hat. Das Wohnungsunternehmen gehört zu 75 Prozent der Stadt. | |
| Nach einer Sanierung im Jahr 2004 gilt Tenever nun als Vorzeigemodell für | |
| Stadtumbau. „Normalerweise müssen die Leute nach einer Sanierung | |
| ausziehen“, sagt Barloschky, „da die Mieten kräftig angezogen werden.“ E… | |
| Gentrifizierung fand aber nicht statt. Der Quadratmeter kostet weiterhin | |
| 3,80 bis 5,80 Euro. | |
| Für kommunale Wohnungsgesellschaften setzt sich auch Bremens Linksfraktion | |
| ein, die vor einiger Zeit den Berliner Sozialwissenschaftler Andrej Holm | |
| eingeladen hatte. Er stellte sein Konzept der neuen | |
| Wohnungsgemeinnützigkeit vor, das Neubauten auch unterhalb der üblichen | |
| 6,50 Miete pro Quadratmeter refinanzieren soll. Der Vorschlag ist einem | |
| Gesetz entnommen, das nach der Wende gekippt wurde. Es beinhaltet | |
| Steuererleichterungen und eine Obergrenze für Renditen von bis zu vier | |
| Prozent. Hier seien Mieten für 4,80 Euro pro Quadratmeter möglich, ohne den | |
| Bundeshaushalt weiter zu belasten, sagt Holm. | |
| Claudia Bernhard gegrüßt solche Ideen: Neubauprogramme, die den Sozialen | |
| Wohnungsbau an Unternehmen abgeben, „lösen in keinster Weise das Problem“. | |
| Vielmehr benötige Bremen eine „massive Erhöhung“ des kommunalen | |
| Wohnungsbaus, auch weil die Sozialbindung für Neubauten nach 20 Jahren | |
| ausläuft. „Wir brauchen aber Wohnungen“, so Bernhard, „die langfristig | |
| sozial verträgliches Wohnen gewährleisten.“ | |
| 9 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Schlittgen | |
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