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# taz.de -- AnwohnerInnen gegen günstigen Wohnraum: Sylt soll schön bleiben
> Sylt baut in den nächsten acht Jahren 2.580 bezahlbare Wohnungen um den
> Zuzug junger Menschen zu fördern. Manchen Insulaner*innen passt das gar
> nicht
Bild: Soll schön idyllisch bleiben: Sylt. Mehrgeschossige Miethäuser passen m…
Hamburg taz | Die Gemeinde Sylt will, dass wieder mehr Menschen mit
geringem Einkommen auf die Insel ziehen. Viele wohnen nämlich auf dem
Festland, weil sie sich die Luxusmieten nicht leisten können. Um dem Trend
entgegenzuwirken, hat die Gemeinde vor sechs Jahren beschlossen,
bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das finden jedoch nicht alle gut.
Bis 2025 sollen auf Sylt 2.850 neue Wohnungen entstehen. Marcus Kopplin
leitet das Projekt und die Kommunalen Liegenschaftsmanagements. „Wir
verlieren jeden Tag Menschen, die aufs Land ziehen“, sagt er. Es gebe
erheblichen Fachkräftemangel auf der Insel. Stattdessen pendeln laut dem
Sylter Spiegel täglich um die 4.500 Menschen hin und her.
Achim Bonnichsen pendelt seit 30 Jahren. Er arbeitet als Fliesenleger auf
Sylt. Mittlerweile hat er bereits zwei seiner Arbeitnehmer verloren, weil
die lieber aufs Festland gezogen sind. „Die Lebensqualität auf dem Land ist
einfach besser“, sagt er. Es sei zwar rentabel, auf Sylt zu arbeiten, doch
koste es sehr viel Zeit zu pendeln.
Wegen der hohen Mietpreise würde er niemals nach Sylt ziehen: „1996 habe
ich für 180.000 DM ein Haus in Klixbüll gekauft. Auf Sylt hätte ich dafür
800.000 DM bezahlt.“ Ein anderes Argument sei, dass er auf dem Land sehr
viel mehr Platz für sein Geld bekomme. Außerdem sei es ruhiger, weil auf
dem Festland nicht alle zwei Wochen neue Urlauber eintreffen, die Lärm
machen.
Unter anderem aus diesen Gründen überlegen auch immer mehr Ur-Sylter, die
Insel zu verlassen. „Eine Freundin von mir kommt ursprünglich aus Sylt und
überlegt mittlerweile, die Insel zu verlassen“, erzählt Marlis Leonartz,
die seit über 40 Jahren regelmäßig auf Sylt im Urlaub ist. „Das Problem
sind die Kurzurlauber, die für ein paar Tage mit dem Flugzeug herkommen“,
sagt sie. Sie beschwert sich darüber, dass immer häufiger Flugzeuge fliegen
und die Leute nur noch zum Partymachen kommen. „Die sollen bitte nach
Mallorca fliegen“, sagt sie.
Die Partyurlauber will die Politik nicht vertreiben, aber sie will, dass
die Leute, die auf der Insel arbeiten, wieder dort wohnen können. Der
Sylter Bürgermeister Niklas Häckel betont, dass das sogenannte
Wohnraumentwicklungskonzept 2025 ein städtisches Projekt ist. Dabei ginge
es auch darum, der Flucht der Ur-Sylter entgegenzuwirken und den Zuzug von
Familien und jungen Menschen zu fördern. „Für eine Gesellschaft brauchen
wir auch Leute, die nach 18 Uhr noch hier sind“, erläutert Kopplin. Neben
Häusern im dänischen Stil sind auch Reihenhäuser auf Mietbasis geplant.
Mittlerweile sorgt das Projekt vor allem auf Seite mancher Sylter für
Aufsehen. Sie fürchten, dass die Wohnungen wieder als Ferienwohnungen
genutzt werden. Kopplin spricht davon, dass vor allem der Umfang des
Wohnungsbaus kritisiert wird. Es sind auch Sozialwohnungen geplant. Aber
das sei laut Kopplin gar nicht das Problem: „Vielen Leute sind die Gebäude
zu hoch.“ Außerdem seien viele der Meinung, dass die Wohnungen nicht nach
Sylt passen. Und es seien einfach zu viele.
Ein Leser der Sylter Rundschau kommentiert, dass der „Fachkräftemangel noch
lange nicht erklärt, weswegen man genau jetzt 3.000 Wohnungen braucht“. Für
ihn sind es zu viele Wohnungen. Inselliebhaberin Marlis Leonartz fürchtet
um das Ansehen der Insel. „Sylt soll schön bleiben und inseltypisch“, sagt
sie. Zu viele Wohnungen würden den Charme der Insel kaputt machen.
Kopplin spürt den Widerstand gegen das Projekt deutlich. „Man hört eine
ganze Menge“, sagt er. Das liege an den kleinbürgerlichen Strukturen. Für
Bürgermeister Häckel sind das alles nur Einzelmeinungen. „Eine
Interessensgemeinschaft gegen den Wohnungsbau gibt es nicht“, sagt er. Und
auch Kopplin lässt sich von seinem Projekt nicht abbringen. Erst letzte
Woche feierte er das Richtfest eines Neubaus von 25 Wohnungen.
20 Jul 2017
## AUTOREN
Katharina Kücke
## TAGS
Wohnraum
Mieten
Sylt
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Mietpreisbremse
Sozialer Wohnungsbau
Enteignung
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Wohnungsnot
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