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# taz.de -- Ewige Mietpreisbindung „rechtswidrig“: Sozial ungebunden
> Der Bundesgerichtshof erklärt, dass sich eine Wohnungsgenossenschaft aus
> Langenhagen nicht an Absprachen zur Mietpreisbindung halten muss.
Bild: Könnten in elf Jahren aus der Sozialbindung fallen: Gartenheim-Häuser i…
Karlsruhe taz | Für frei finanzierte Sozialwohnungen kann es keine
unbefristete Sozialbindung geben. Entsprechende Vereinbarungen seien
„unwirksam“, entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH).
Im konkreten Fall hat die Stadt Langenhagen bei Hannover einer
Wohnungsgesellschaft im Jahr 1995 Grundstücke verkauft. Die Gesellschaft
musste dafür nur einen reduzierten Preis bezahlen und bekam sogar noch
zinsgünstige Darlehen. Im Gegenzug wurde im Grundbuch eingetragen, dass die
Mieten in den entstehenden Häusern besonders günstig sein müssen und dass
die Stadt für die Wohnungen ein dauerhaftes Belegungsrecht hat. Mit anderen
Worten sollen sie nur an Personen mit einem Wohnberechtigungsschein
vermietet werden dürfen.
Die Langenhagener Grundstücke wurden alsbald von der Genossenschaft
Gartenheim gekauft, die darauf 52 Sozialwohnungen in vierstöckigen
Wohnblöcken errichtete. Nach 20 Jahren wollte sich die Genossenschaft
jedoch von der Sozialbindung befreien und beantragte eine Änderung des
Grundbuchs.
„Ein unbefristetes Belegrecht ist ein ewiger ökonomischer Nachteil“,
argumentierte der Geschäftsführer der Genossenschaft, Günter Haese. Die
Stadt weigerte sich jedoch und verwies auf den geschlossenen Vertrag, der
nun mal eine unbefristete Sozialbindung vorsehe. Die Genossenschaft klagte,
verlor aber vor dem Landgericht Hannover und vor dem Oberlandesgericht
(OLG) in Celle. Doch die Genossenschaft gab nicht auf und zog vor den
Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
## „Ökonomischer Nachteil“
Die Genossenschaftsvertreter argumentierten, dass es sich um Wohnungen
handele, die im sogenannten dritten Förderweg entstanden. Dieser sieht vor,
dass mit frei vereinbarter Förderung und flexiblen, auch kürzeren Bindungen
der Wohnungsbau angekurbelt werden solle. Im entsprechenden Gesetz hieß es
sogar, die Sozialbindung „soll 15 Jahre nicht überschreiten“ (Paragraf 88d
2. WoBauG).
Die Stadt hielt entgegen, dass das Gesetz auch eine Ausnahme von dieser
Obergrenze vorsehe. So könne bei bestimmten Förderungen auch ein „längerer
Zeitraum“ geboten sein, etwa wenn Bauland bereitgestellt wird. Genau das
war in Langenhagen der Fall.
Der BGH entschied nun, dass die vereinbarte unbefristete Bindung unwirksam
sei, weil sie gegen das Gesetz verstoße. Selbst bei einem „längeren
Zeitraum“ gebe es nicht nur einen Anfang, sondern auch ein Ende, erklärte
die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Allerdings solle die
unwirksame Klausel nicht ersatzlos wegfallen. Vielmehr soll ein „möglichst
langer“ rechtlich noch zulässiger Zeitraum gelten, denn das hätten die
beiden Seiten 1995 vereinbart, wenn ihnen die Unzulässigkeit einer
unbefristeten Bindung bekannt gewesen wäre.
Wie viele Jahre die Sozialbindung noch läuft, muss nun das OLG Celle
entscheiden. „Im Zweifel“ gelte die Sozialbindung so lange, wie das
zinsgünstige Darlehen läuft, erklärt der BGH. Das wären 35 Jahre, die
Mieter hätten dann von heute aus noch elf Jahre günstige Konditionen. Nach
Auslaufen der Sozialbindung können die Mieten schrittweise bis auf die
ortsübliche Vergleichsmiete erhöht werden.
Und bei Neuvermietungen muss die Gartenheim-Genossenschaft nicht mehr nach
einem Wohnberechtigungsschein fragen. „Diese Entscheidung könnte für
wohnungssuchende Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt bedauerliche
Folgen haben“, sagte der Bürgermeister von Langenhagen, Mirko Heuer (CDU).
## Die Richterin empfiehlt: Grundstücke nicht verkaufen
Über den konkreten Fall hinaus dürfte das BGH-Urteil nur begrenzte Folgen
haben. Denn vertraglich vereinbarte unbefristete Sozialbindungen gibt es
äußerst selten. „Üblich sind Sozialbindungen zwischen 15 und 30 Jahren“,
sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes: „Je höher die
Förderung, desto länger die Bindung.“
Der Gesetzgeber könnte aber auch nach dem BGH-Urteil eine generelle
unbefristete Sozialbindung von Sozialwohnungen einführen. Zuständig wären
dafür seit der Föderalismusreform 2006 die einzelnen Bundesländer. Der BGH
äußerte hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Richterin Stresemann empfahl Kommunen, die „den Wohnungsunternehmen
dauerhafte Verpflichtungen auferlegen wollen“, ihre Grundstücke einfach
nicht zu verkaufen. Außerdem könne sie den Baugesellschaften ein
Erbbaurecht einräumen. Die Baugesellschaften erwerben dabei dann zwar das
Eigentum an dem Haus, das sie bauen, die Kommune kann ihnen jedoch Auflagen
erteilen und am Ende des vereinbarten Zeitraums – oft nach 99 Jahren – geht
das Gebäude sogar in ihr Eigentum über.
Der Mieterbund sieht das ähnlich und rät den Kommunen, nur noch
Erbbaurechte zu vergeben, um die Kontrolle über den Boden zu behalten.
8 Feb 2019
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Sozialwohnungen
BGH-Urteil
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Sozialer Wohnungsbau
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