# taz.de -- Geplantes Radgesetz für Berlin: Stockender Verkehr auf der Radspur | |
> Die Initiative Volksentscheid Fahrrad veröffentlicht den Entwurf des | |
> Radgesetzes, bittet Juristen um Hilfe – und kritisiert den Senat, der das | |
> Gesetz ausbremsen wolle. | |
Bild: Wünschen sich die RadlerInnen in Berlin viel häufer: Vorfahrt fürs Rad | |
Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte, das gibt Heinrich Strößenreuther | |
von der Initiative Volksentscheid Fahrrad schon zu. Vor genau einem Jahr | |
haben er und seine MitstreiterInnen mit der Unterschriftensammlung für das | |
deutschlandweit erste Radgesetz in Deutschland begonnen; am | |
Donnerstagmorgen legt Strößenreuther den Gesetzentwurf vor, den | |
Abgeordnete, die Senatsverwaltung für Verkehr und die Radlobbyisten in den | |
letzten Monaten in vielen Sitzungen erarbeitet haben. Der Entwurf sei gut, | |
betont er vor der Presse; das Glas „halb voll und nicht halb leer“. Und | |
dennoch ist Strößenreuther sauer. | |
„Wir machen nicht länger gute Miene zum schlechten Spiel“, schimpft er. Der | |
Grund: Der Senat wolle das geplante Radgesetz noch auf der Zielgeraden | |
ausbremsen. Dringend nötige juristische Unterstützung würde nicht gewährt; | |
zudem gebe es Signale aus der Justizverwaltung, dass die Prüfung des | |
Gesetzentwurfs dort ungewöhnlich lange dauern würde. Und die zuständige | |
Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) habe nicht mit | |
der nötigen Priorität für das Anliegen im Senat geworben, erklärt | |
Strößenreuther. | |
Er sieht die Bremser aber vor allem in der SPD – und dort auf höchster | |
Ebene. Während ein Großteil der sozialdemokratischen Abgeordneten die Ziele | |
der Initiative inhaltlich unterstützen würde, fehle bei den Spitzen in | |
Senat und Fraktion die Bereitschaft dafür. | |
Als Beleg führte Strößenreuther unter anderem an, dass die beiden | |
SPD-Abgeordneten in der Verhandlungsrunde nicht für die Fraktion hätten | |
sprechen dürfen. Sprich: nicht den Rückhalt der Fraktionsspitze für | |
Entscheidungen hatten. | |
## Kritik auch vom ADFC | |
Es sind nicht nur die Initiative und Strößenreuther – bekannt für sein | |
manchmal sehr akribisches Nachhaken –, die sich von der Politik hängen | |
gelassen fühlen. Auch der Berliner ADFC schließt sich der Kritik an. Man | |
habe viele Zugeständnisse gemacht, aber jetzt nicht den Eindruck, dass sich | |
die SPD dem Projekt verbunden fühle, sagt Evan Vosberg, Mitglied des | |
ADFC-Vorstands. | |
Doch auch er lobt explizit den Entwurf des „Gesetzes zur Förderung des | |
Radverkehrs in Berlin“. Zahlreiche Ziele der Initiative würden darin | |
festgeschrieben, erklärt Kerstin Stark von der Initiative Volksentscheid | |
Fahrrad – etwa die sicheren Radverkehrsanlagen „auf oder an allen | |
Hauptverkehrsstraßen“ mit einer Mindestbreite von zwei Metern und | |
mindestens 100 Kilometer Radschnellwege. | |
Seit etwa drei Monaten wird an dem Gesetzentwurf gearbeitet, Anfang April | |
wurden erste Eckpunkte bekannt gegeben. Auch da lag man schon hinter dem | |
Zeitplan von Rot-Rot-Grün, laut dem bis Ende März eigentlich der ganze | |
Entwurf hätte fertig sein sollen. | |
Wenn das Gesetz nun – wie derzeit von allen Seiten geplant – bis Oktober | |
vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, müsste der Entwurf spätestens | |
Anfang Juni ins Parlament eingebracht werden. Danach sehe es derzeit aber | |
nicht aus, so Strößenreuther. Er droht sogar indirekt mit einem erneuten | |
Volksbegehren, sollte der Prozess nicht voran kommen. | |
Aktuell müsse der Entwurf umfassend auf seine Rechtssicherheit geprüft | |
werden. Weil der Senat aber keine Juristen dafür bereitstellen würde, hat | |
die Initiative den [1][Entwurf ins Netz] gestellt. Sie hofft auf die | |
juristische Expertise von Freiwilligen, die dazu Anmerkungen oder | |
Änderungsvorschläge machen. Das hatte sie früher schon mit dem von ihnen | |
selbst ausgearbeiteten Gesetzentwurf gemacht – durchaus erfolgreich, wie | |
Strößenreuther berichtet. | |
Die Senatsverwaltung für Verkehr reagiert verschnupft auf dieses Vorgehen. | |
„Die unabgesprochene Veröffentlichung eines Zwischenstandes durch die | |
Initiative Volksentscheid Fahrrad hat die vertrauensvolle Zusammenarbeit im | |
Dialog Radgesetz beschädigt“, lässt Matthias Tang, Sprecher von | |
Umweltsenatorin Günther, mitteilen. | |
Der grüne Abgeordnete Stefan Gelbhaar hat den vorliegenden Entwurf mit | |
ausgearbeitet. „Wir könnten den jetzt so ins Parlament einbringen“, so | |
Gelbhaar zur taz. „Aber um das Gesetz perfekt zu machen und so der | |
Verwaltung damit präzisere Vorgaben zu machen, ist ein Feinschliff nötig – | |
zum Beispiel in der Justizverwaltung.“ | |
Es steht also die Entscheidung an, ob das Gesetz möglichst schnell | |
verabschiedet oder möglichst genau ausgearbeitet sein soll. Wie lange ein | |
solcher Feinschliff dauere, könne er nicht einschätzen, so Gelbhaar. | |
Die Verkehrsverwaltung hat da offensichtlich eine eindeutige Priorität: | |
„Das Gesetz muss juristisch einwandfrei formuliert werden, damit es | |
dauerhaft Bestand hat und zügig in Verwaltungshandeln umgesetzt werden | |
kann“, heißt es in der Mitteilung weiter. Zudem solle es Teil des | |
Mobilitätsgesetzes werden: „Auch darauf muss bei der juristischen | |
Ausformulierung geachtet werden.“ | |
Am kommenden Montag wird erst mal weiter verhandelt. Dabei soll es laut der | |
Initiative um den zusätzlich nötigen Rahmenplan gehen, der Details des | |
Ausbaus der Radstruktur festhalten soll. Danach seien aber erst mal keine | |
weiteren Termine angesetzt, so Strößenreuther. | |
18 May 2017 | |
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[1] http://gesetz.volksentscheid-fahrrad.de | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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