# taz.de -- Berliner Radgesetz kommt nur langsam: Da hat jemand Visionen | |
> Ein Entwurf des Berliner Radgesetzes sollte Anfang April vorliegen – | |
> jetzt gibt es gerade mal die „Eckpunkte“ und eine Menge großer | |
> Versprechen. | |
Bild: Vereint auf dem Radgesetz-Tandem: Verkehrssenatorin Regine Günther (part… | |
Was hatten die nur mit Heinrich Strößenreuther gemacht? Ganz staatstragend | |
saß der Mastermind des „Volksentscheids Fahrrad“ am Donnerstagmorgen neben | |
Verkehrssenatorin Regine Günther und einem halben Dutzend Mitverhandler bei | |
den Radgesetz-Gesprächen und lobte ein Ergebnis, das nach seinen bisherigen | |
Kriterien eigentlich keines ist. | |
Was der Presse nach zwölf Runden „Dialog“ (O-Ton Günther) bzw. | |
„Verhandlung“ (O-Ton Strößenreuther) präsentiert wurde, war mitnichten d… | |
vielfach angekündigte Referentenentwurf eines Fahrrad-Gesetzes, sondern es | |
waren „Eckpunkte“ für ein solches Gesetz. Das jetzt erst geschrieben werden | |
soll. Ob es dieses Jahr noch in Kraft tritt, ist offen. | |
Aber seien wir fair: Wenn man genau hinhörte, konnte man doch noch eine | |
kritische Nuance bei Strößenreuther vernehmen. „Sehr konstruktiv“ sei der | |
Prozess verlaufen, gab er zu Protokoll – „in Teilen“. Leise Bedenken | |
meldete er an, ob das vorgelegte Tempo des Verkehrsumbaus schnell genug für | |
den Klimaschutz sei. | |
Auch bräuchte es mehr Personal für die Umsetzung. Trotzdem: Es sei ein | |
„gutes Paket geschnürt“ worden. Was jetzt komme, sei viel verbindlicher als | |
die bisherige Radverkehrsstrategie und ein Signal für andere Bundesländer. | |
Zuvor hatte die Senatorin die fünf Eckpunkte vorgestellt, auf deren Basis | |
das künftige Gesetz den Radverkehr sicherer und bequemer machen soll. Schon | |
der erste ließ aufhorchen – weil er eine reine Willensbekundung ist, also | |
alles andere als die präzise quantifizierten Maßnahmen, die der | |
Volksentscheid Fahrrad in seinen Gesetzentwurf geschrieben hatte: Berlin | |
soll sich der „Vision Zero“ verpflichten, also das Ziel verfolgen, „die | |
Zahl der getöteten und schwer verletzten Verkehrsteilnehmer auf null zu | |
senken“. Ja, was denn sonst? Auch das Ziel, den Anteil des Radverkehrs bis | |
2025 auf mindestens 30 Prozent innerhalb der Umweltzone und insgesamt auf | |
mindestens 20 Prozent zu steigern, ist hehr, aber alles andere als | |
handfest. | |
## Sicher und komfortabel | |
Beim Wie wurde Günther ein bisschen konkreter (s. Kasten). „Sichere und | |
komfortable Radverkehrsanlagen an den Hauptstraßen“ solle es geben, | |
Knotenpunkte sollten nach klaren Kriterien sicherer gemacht werden. Zu dem | |
„lückenlosen Netz an Radverkehrsinfrastruktur“, das man schaffen wolle, | |
komme ein besonders komfortables „Vorrangnetz“, zudem seien 100.000 neue | |
Radabstellmöglichkeiten bis 2025 zu bauen. | |
Das seien jetzt „quasi die Leitplanken“, so Günther, die Wert darauf legte, | |
dass der bisherige Dialog „ein spannender und intensiver Prozess“ gewesen, | |
aber noch nicht beendet sei. Die eigentlichen Eckpunkte füllen laut den | |
Dialogpartnern 15 Seiten Papier und werden jetzt mit den Fraktionen und dem | |
Senat abgestimmt. Am Ende – vielleicht noch im Mai – sollen Volksentscheid, | |
ADFC und BUND ihre Meinung dazu sagen. Warum die Eckpunkte am Donnerstag | |
nicht komplett offengelegt wurden, blieb im Dunkeln. | |
Die übrigen in der Runde – für die Fraktionen Andreas Kugler (SPD), Harald | |
Wolf (Linke) und Stefan Gelbhaar (Grüne), außerdem Frank Masurat vom ADFC | |
und BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser – waren voll des Lobes für das, was | |
bislang nur das Versprechen eines Gesetzes ist. „Das wird richtig gut“, | |
freute sich Masurat, und Gelbhaar fand: „Man sieht, die Koalition macht | |
Ernst.“ Was dem Entwurf-Entwurf im Parlament noch begegnen könnte, deutete | |
sich an, als aus Kugler der kollektive Autofahrer sprach: „Wir müssen jetzt | |
unsere Ängste in den Griff kriegen.“ | |
Wenn alles gut geht, gibt es irgendwann ein Netz von Radwegen, die „nach | |
meinem Verständnis breit genug zum Überholen“ sind (Günther) und dabei | |
besser geschützt als die heutigen mit Farbe markierten Spuren. „Die Zeit | |
der Straßenmalerei geht zu Ende“, so Strößenreuther. Spätestens beim Sit-… | |
für den von Rasern getöteten Autofahrer auf dem Ku’damm habe der | |
„Volksentscheid“ begriffen, dass sich nur baulich abgesetzte Radwege dem | |
Missbrauch durch Pkws entzögen. | |
Von dem Strößenreuther, der sich immer wieder kompromisslos, bisweilen | |
unversöhnlich für die Sache der RadlerInnen eingesetzt hatte, war am | |
Donnerstag wenig übrig. Dabei hatte er erst vor wenigen Wochen die | |
mangelnde juristische Unterstützung bei den Gesprächen scharf kritisiert: | |
Es sei dem Senat wohl nicht ernst genug. Nun diktierte er den Anwesenden in | |
ihre Blöcke und Displays: „Wenn jetzt endlich gesetzlich etwas passiert, | |
werden wir den Volksentscheid nicht weiter vorantreiben.“ Was genau | |
passiert, weiß aber immer noch niemand. | |
6 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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