| # taz.de -- Rundfunk in NRW: Den digitalen Wandel verschlafen | |
| > Die Medienbranche in NRW ist stark, wurde aber zuletzt von der Politik | |
| > vernachlässigt. Das könnte sich mit der neuen Regierung ändern. | |
| Bild: Leuchtturmwirkung NRW-Medien war mal – der Medienhafen in Düsseldorf | |
| Köln taz | Über Jahre galt das Medienforum NRW in Köln als Aushängeschild | |
| der Branche. Hier kommen Politiker, Medienmanager, Produzenten, | |
| Rundfunkverantwortliche, Juristen, Wissenschaftler und Kreative aus | |
| Deutschland und dem Ausland zusammen. Aber wenn am Dienstag das diesjährige | |
| Medienforum NRW in Köln stattfindet, ist von der Wichtigkeit, die den | |
| Medien einst von der Politik beigemessen wurde, nichts mehr zu bemerken. | |
| Die Medienbranche ist für Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich bedeutend und | |
| strahlt weit über die Landesgrenzen hinaus: 24.000 Unternehmen sind an | |
| Rhein und Ruhr beheimatet, darunter RTL, WDR, die Deutsche Telekom und | |
| Bertelsmann. Rund ein Drittel aller in Deutschland produzierten | |
| Fernsehminuten sollen aus NRW kommen, mit der Magic Media Company sitzt | |
| hier einer der größten Studiokomplexe Europas. Die Film- und Medienstiftung | |
| des Landes ist mit rund 35 Millionen Euro Fördervolumen im Jahr ein | |
| international bedeutender Akteur. | |
| Schon um die Jahrtausendwende hatte der damalige NRW-Ministerpräsident | |
| Wolfgang Clement daher das Thema Medien zur Chefsache erklärt. Zu Clements | |
| Zeiten dauerte der Kongress vier Tage. Später waren es drei, dieses Jahr | |
| ist es nur noch ein Tag, angehängt an das erfolgreiche Branchenevent Anga | |
| Com, zu dem Tausende von internationalen Besuchern und Ausstellern erwartet | |
| werden. | |
| „Das Medienforum als eigene Veranstaltung zu deklarieren, ist ein | |
| Etikettenschwindel“, kritisiert der ehemalige Direktor der | |
| Landesmedienanstalt, Jürgen Brautmeier. „Vergleicht man das mit den | |
| Medientagen Mitteldeutschland oder den Münchner Medientagen, dann sieht | |
| man, dass NRW in dieser Liga einfach nicht mehr mitspielt.“ Jahrelang sei | |
| die Bedeutung von Medienpolitik durch die Verantwortlichen in der Regierung | |
| missachtet worden. | |
| Brautmeier war bis vor Kurzem selbst Akteur in Düsseldorf. Als Direktor der | |
| Landesmedienanstalt war der CDU-Mann von 2010 bis Ende 2016 oberster | |
| Medienwächter in Nordrhein-Westfalen. Dann aber wurde auf Initiative der | |
| rot-grünen Regierung das Landesmediengesetz geändert: Der | |
| Landesmediendirektor musste künftig über die Befähigung zum Richteramt | |
| verfügen – was eine Wiederwahl des promovierten Historikers Brautmeier | |
| unmöglich machte. | |
| Als Begründung wurde unter anderem auf die „Relevanz juristischer | |
| Kenntnisse“ hingewiesen. In der Branche galt Brautmeier aber als unbequem, | |
| gerade wenn es um die Pläne der Regierung ging. Etwa bei der Einführung | |
| einer Journalistenförderung, die über die Landesmedienanstalt abgewickelt | |
| werden sollte. Beobachter sprachen von einer „Lex Brautmeier“. | |
| Jetzt, nach der Landtagswahl, könnte sich medienpolitisch einiges | |
| verschieben. Brautmeier ist einer der wenigen CDU-Leute, die sich hier | |
| auskennen. Er sei aber weder auf ein Amt noch auf Genugtuung aus, betont | |
| Brautmeier: „Ich habe zwar nach wie vor großes Interesse an den Sachfragen, | |
| aber ein öffentliches Amt möchte ich nicht mehr annehmen.“ | |
| Umso freier fühlt er sich, Forderungen an die künftige Regierung unter | |
| Armin Laschet zu stellen: „Derjenige, der bisher in NRW Medienpolitik | |
| machte, war ein Staatssekretär, der einem Minister für Europa, Bund und | |
| Medien untergeordnet war. Das Thema muss auf jeden Fall wieder näher ans | |
| Machtzentrum gestellt werden.“ Denn nicht nur aus seiner Sicht sind die | |
| Herausforderungen, die die Politik zu bewältigen hat, schon jetzt gewaltig: | |
| „Der Strukturwandel, der durch die Digitalisierung stattfindet, ist | |
| verschlafen worden.“ | |
| Kürzlich hatte die Landesmedienanstalt beispielsweise dem YouTube-Kanal | |
| PietSmietTV auferlegt, eine Rundfunklizenz zu beantragen, weil dieser | |
| aufgrund seiner Reichweite und seines festen Sendeplans ein | |
| rundfunkähnliches Angebot sei. Die Betreiber hatten daraufhin ihren | |
| Gamer-Kanal abgeschaltet. | |
| Vergleichbare Anbieter aus anderen Ländern, etwa den USA, können ihre | |
| Inhalte weiter in Deutschland vertreiben, weil sie der hiesigen Regulierung | |
| nicht unterliegen. „Nach geltendem Recht haben die Landesmedienanstalten | |
| das richtig gemacht“, antwortet Brautmeier, „aber die rechtlichen | |
| Rahmenbedingungen des Rundfunkstaatsvertrags passen nicht mehr. Das ist so | |
| eine Art Werkzeugkasten aus dem letzten Jahrhundert.“ | |
| Mit diesem „Werkzeugkasten“ wurde unter anderem auch verhindert, dass weder | |
| öffentlich-rechtliche noch private Sender ein gemeinsames Videoportal | |
| anbieten können, während Netflix und Co. sich ohne derartige Beschränkungen | |
| mit ihren Online-Videotheken im deutschen Markt breitmachen. „Die | |
| Regulierung hat mit der Konvergenz nicht Schritt gehalten. Es ist abstrus, | |
| dass sie noch nach Absendern definiert“, kritisiert RTL-Chefin Anke | |
| Schäferkordt. „Für die Nutzer macht das keinen Sinn.“ | |
| Ändern kann diese Situation nur ein neues Mediengesetz. Daran basteln | |
| Bundesregierung und -länder seit Jahren, ohne dass ein großer Wurf in Sicht | |
| ist. Brautmeier appelliert: „Ich kann nur hoffen, dass die neue Regierung | |
| sich auf die Digitalisierung konzentriert.“ | |
| 30 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Urbe | |
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