# taz.de -- Israel-Boykott in Norwegen: Gewerkschaften für Einfuhrverbot | |
> Der größte norwegische Gewerkschaftsverband ruft zum ökonomischen, | |
> kulturellen und akademischen Boykott Israels auf. | |
Bild: Soll erstmal nicht nach Oslo gehen: Weinernte in einer jüdischen Siedlun… | |
Stockholm taz | In Norwegen wird der Ton gegenüber Israel rauer. Am Freitag | |
hat der Kongress von „Landsorganisasjonen“ (LO), dem größten norwegischen | |
Gewerkschaftsdachverband, der eng mit den Sozialdemokraten verbunden ist | |
und in dem über die Hälfte aller GewerkschafterInnen des Landes organisiert | |
sind, eine Resolution zu einem umfassenden internationalen Israel-Boykott | |
beschlossen. Ein solcher Beschluss ist auf europäischer Ebene bislang ohne | |
Vergleich. | |
Von besonderer Bedeutung scheint dabei die Begründung für diesen Beschluss. | |
In der Vergangenheit hätten alle Gesprächsbemühungen für eine friedliche | |
und gerechte Lösung des Nahostkonflikts „nur einen geringen Effekt“ gehabt, | |
weshalb die Zeit für einen „ökonomischen, kulturellen und akademischen | |
Boykott Israels“ gekommen sei, heißt es in der Erklärung des | |
Gewerkschaftsdachverbandes. | |
Nunmehr hoffe man, Druck ausüben zu können, damit die Annexion | |
palästinensischen Territoriums durch Israel aufhöre, die Blockade des | |
Gazastreifens beendet und „auf eine demokratische Staatslösung mit gleichen | |
Rechten für alle“ hingearbeitet werde. | |
„Seit 50 Jahren gibt es die völkerrechtswidrige Okkupation, seit Dutzenden | |
von Jahren haben wir appelliert und appelliert, über einen Boykott immer | |
wieder diskutiert, aber es dann doch bei Aufrufen zum Dialog belassen“, | |
sagt Jan Olof Andersen, Vorsitzender der Elektro- und IT-Gewerkschaft: | |
„Aber nichts ist besser geworden, eher schlimmer.“ | |
## Folgt ein israelisches Einreiseverbot? | |
Mit 193 zu 117 Stimmen verabschiedete eine überzeugende Mehrheit des alle | |
vier Jahre abgehaltenen LO-Kongresses, des höchsten Beschlussorgans des | |
Dachverbands, die Boykottforderung. Zudem fordern die Gewerkschafter von | |
der Regierung in Oslo auch eine Anerkennung Palästinas als selbstständigen | |
Staat in den Grenzen von 1967. Außerdem solle Norwegen ein Einfuhrverbot | |
für israelische Waren aus den besetzten Gebieten erlassen und | |
sicherstellen, dass der staatliche Pensionsfonds und die norwegische | |
Wirtschaft insgesamt die israelische Okkupation nicht über Investitionen | |
unterstützt. | |
Norwegische VerbraucherInnen werden aufgefordert, vermehrt palästinensische | |
Waren zu kaufen, um die dortige wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. | |
Direkte Konsequenzen dürfte der LO-Beschluss zunächst für deren | |
VertreterInnen selbst haben. Auf sie werden wegen Unterstützung der | |
internationalen BDS-Kampagne vermutlich ab jetzt israelische | |
Einreiseverbote warten. Die LO-Führung, die davor gewarnt und sich gegen | |
einen generellen Boykott ausgesprochen hatte, versprach dennoch, den | |
Kongressbeschluss „zu respektieren“. Man werde auf seiner Basis nun sowohl | |
in der internationalen Gewerkschaftsbewegung wie innenpolitisch arbeiten, | |
erklärte der LO-Vorsitzende Hans-Christian Gabrielsen. | |
Für einen teilweisen Wirtschaftsboykott, deren Befürworter sich in Norwegen | |
nicht wie in Deutschland Vorwürfen wegen Antisemitismus ausgesetzt sehen, | |
hatten sich in der Vergangenheit neben verschiedenen Einzelgewerkschaften | |
die Kommunalvertretungen mehrerer norwegischer Städte, Jugendorganisationen | |
diverser Parteien und einzelne Parlamentsabgeordnete ausgesprochen. Auch | |
bei vielen diesjährigen 1.-Mai-Veranstaltungen gehörten Parolen nach einem | |
„Boikott Israel“ zu den Forderungen. | |
## Steigerung von Misstrauen und Spannungen | |
Den jüngsten umfassenden internationalen Boykottaufruf wiesen aber nicht | |
nur VertreterInnen der konservativ-rechtspopulistischen Regierung in Oslo | |
sofort zurück – „Boykott schafft Abstand“, [1][twitterte Außenminister] | |
Børge Brende, „wir wollen mit beiden Seiten enge Verbindungen | |
aufrechterhalten.“ Auch Anniken Huitfeldt, sozialdemokratische Vorsitzende | |
des außenpolitischen Parlamentsausschusses, betonte, „die Gewalt muss | |
enden, die Besatzung muss enden, es muss eine Zweistaatenlösung geben, aber | |
ein genereller Boykott ist nicht der richtige Weg“. Einig sei man sich aber | |
mit LO in Hinsicht auf den Boykott von Waren aus den israelischen | |
Siedlungen. | |
Riya Hassan, europäische Koordinatorin der Kampagne der weltweiten | |
BDS-Bewegung, begrüßte den LO-Beschluss und gab der Hoffnung Ausdruck, | |
dieser werde nun auch „in wirksame Maßnahmen umgesetzt“. Es müsse endlich | |
„Druck auf die norwegische Regierung ausgeübt (werden), alle militärischen | |
Beziehungen mit Israels Unterdrückerregime zu beenden“, so Riva Hassan. | |
In einer Stellungnahme der israelischen Botschaft in Oslo heißt es | |
erwartungsgemäß, man verdamme die Beschlüsse des Gewerkschaftsverbandes auf | |
Schärfste: „Auf einen totalen Boykott gegen den israelischen Staat | |
hinzuarbeiten, wird nur zu einer weiteren Steigerung von Misstrauen und | |
Spannungen beitragen. Das wird uns von einer friedlichen Lösung noch weiter | |
wegbringen.“ | |
15 May 2017 | |
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[1] https://twitter.com/borgebrende?lang=de | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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