Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Norwegen kritisiert Israel: Gegen den nordischen Mainstream
> Beim Nahost-Konflikt vertritt Norwegen eine andere Position als die
> restlichen des nordischen Rats. Trotzdem bietet das Land sich als
> Vermittler an.
Bild: Blick aus dem norwegischen Parlament in Oslo am 2. November
Stockholm taz | Die Sprechchöre „Jonas hør, barn i Gaza dør“ („Jonas h…
du, die Kinder in Gaza sterben“) und „Folk i Gaza har rett til å leve“
(„Die Menschen in Gaza haben ein Recht zu leben“) waren selbst im
Plenarsaal des norwegischen Parlaments, dem Storting, noch so laut zu
hören, dass der Versammlungsleiter empfahl, Kopfhörer zu benutzen. Sie
richteten sich an Jonas Gahr Støre, Norwegens Ministerpräsidenten. Tausende
waren am Dienstagnachmittag dem Aufruf einer Palästina-Aktionsgruppe
gefolgt. Sie demonstrierten auf dem Eidsvoll-Platz vor dem Storting.
Dort trafen sich die Regierungen des Nordischen Rats, dem die fünf
Mitgliedsstaaten Dänemark, Island, Schweden, Finnland und eben Norwegen
angehören. Die Busse mit den Regierungschefs mussten sich ihren Weg durch
die Menschenmenge bahnen.
Normalerweise beachtet die Öffentlichkeit Treffen des Rats wenig.
Routinemäßig geht es gerne darum, die Einigkeit Nordeuropas in wichtigen
Fragen zu betonen. Doch diesmal wollten JournalistInnen bei der
anschließenden Pressekonferenz vor allem wissen: Weshalb sind die Staaten
denn uneinig beim Thema Gaza?
Schweden, Finnland, Dänemark und Island enthielten sich bei der Abstimmung
der UN-Generalversammlung über einen Waffenstillstand in Gaza, wie auch
Deutschland und viele andere westliche Regierungen. Norwegen hat hingegen
dafür gestimmt – [1][zusammen mit 119 Staaten].
## Ministerpräsident hat Verständnis
Norwegens Außenminister Espen Barth Eide hatte diese Linie schon beim
Nahostgipfel in [2][Kairo am 21. Oktober vorgegeben]. Auf dem forderte
Norwegen als erstes westliches Land eine „humanitäre Pause“. Barth Eide
erklärte vergangene Woche in einem Interview mit der Tageszeitung
Klassenkampen: „Wir erkennen Israels Recht auf Selbstverteidigung an, aber
die Ausübung dieses Rechts muss im Rahmen des humanitären Rechts erfolgen.“
Nach Auffassung Oslos habe Israel diesen Rahmen aber nun überschritten.
Selbst Angriffe auf militärische Ziele seien ja verboten, wenn sie die
Bevölkerung „unverhältnismäßig“ treffen: „Eine kriegführende Partei …
Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, dass das Leben der
Zivilbevölkerung geschützt wird. Das ist jetzt nicht der Fall.“
Zudem bezeichnete der Außenminister den Vorwurf der „Doppelmoral“ gegen den
Westen als „vollständig nachvollziehbar“. Verglichen mit den Reaktionen auf
die Ukraine seien die auf Gaza bislang viel vorsichtiger und vager.
„Norwegen muss dazu beitragen, dass wir da deutlicher werden“, betonte er:
„Jedes Leben ist gleich viel wert.“
Und auch [3][Ministerpräsident Jonas Gahr Støre] zeigte, dass er die „Jonas
hør“-Rufe verstanden hatte. [4][In mehreren Interviews] verurteilte er in
den vergangenen Tagen die Angriffe Israels auf Gaza als
„unverhältnismäßig“. Israel wisse, dass Norwegen den Terror der Hamas
verurteile und das Recht des Landes auf Selbstverteidigung anerkenne, „aber
das Ausmaß der Zerstörung und des humanitären Leids, das jetzt geschieht,
geht über jegliche Proportionalität hinaus“.
„Angriffe auf Krankenhäuser und Gesundheitspersonal, zivile Infrastruktur
und die Verhinderung des Zugangs zu lebenswichtigen Gütern durch eine
vollständige Blockade sind nach humanitärem Recht nicht zulässig“,
konkretisierte er gegenüber Aftenposten: Nach Meinung der norwegischen
Regierung sei das „ein Verstoß gegen die Anforderungen humanitärer Normen
und Standards“.
## Zustimmung der Öffentlichkeit
Die Haltung der Regierung stößt in Norwegen auf breite Zustimmung. Das
Dagbladet lobt am Donnerstag in einem Leitartikel „die vorbildliche
Deutlichkeit“. Norwegen mache in dieser „grausamen Situation das moralisch
einzig Richtige“, schreibt Dagsavisen unter der Uberschrift „Stolz auf
Norwegen“. Gahr Støre gehe mit seiner Israel-Kritik so weit „wie eigentlich
nur das Staatsoberhaupt eines anderen Nato-Lands“, stellt Aftenposten fest,
nämlich der türkische Präsident Erdoğan.
Bisher kritisierte nur die rechtspopulistische Fortschrittspartei die
Position des Ministerpräsidenten. Die Regierung stelle Norwegen auf die
„falsche Seite“, meint deren Vorsitzende Sylvi Listhaug.
Die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung will Außenminister Barth Eide noch
nicht abschreiben, auch wenn sie „total schwierig“ wäre, „[5][seit dem
Oslo-Abkommen] sind 30 Jahre zu viel verstrichen“: „Aber alle Alternativen
sind schlimmer – eigentlich für alle.“ Norwegen sei erneut zu einer
Vermittlerrolle bereit.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] /UN-Menschenrechtsrat/!5965954
[2] https://www.regjeringen.no/no/aktuelt/statement-by-minister-of-foreign-affa…
[3] /Sozialdemokraten-siegen-in-Norwegen/!5797371
[4] https://euobserver.com/nordics/157640
[5] https://avalon.law.yale.edu/20th_century/isrplo.asp
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Norwegen
Israel
Gaza
Palästina
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Schwerpunkt Korruption
Israel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Irland und Israel: Mehr als ein bisschen Kritik
Israels Vorgehen in Gaza missfällt vielen in Irland. Die Beziehung zwischen
den beiden Ländern war noch nie besonders innig.
Israel und die UN: Entzweite Nationen
Israel und die UN blicken auf eine komplizierte Beziehung zurück. Die
jüngste Eskalation setzt dieses Verhältnis fort.
Norwegens Außenministerin entlassen: Huitfeldt fällt über Aktienskandal
Norwegens Regierung entlässt Außenministerin Huitfeldt. Der Druck auf
Oppositionsführerin Solberg steigt, sie steckt in einer ähnlichen Affäre.
Israel-Boykott in Norwegen: Gewerkschaften für Einfuhrverbot
Der größte norwegische Gewerkschaftsverband ruft zum ökonomischen,
kulturellen und akademischen Boykott Israels auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.