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# taz.de -- Irland und Israel: Mehr als ein bisschen Kritik
> Israels Vorgehen in Gaza missfällt vielen in Irland. Die Beziehung
> zwischen den beiden Ländern war noch nie besonders innig.
Bild: Der irische Außenminister Martin beim palästinensischen Premierminister…
Dublin taz | In keinem Land Westeuropas ist die Kritik an Israel lauter als
in Irland. Zwar hat das Parlament in der Nacht zum Donnerstag die
Ausweisung der israelischen Botschafterin abgelehnt, aber mit 85 zu 55
Stimmen war das Ergebnis nicht gerade überwältigend. Die
Regierungskoalition hatte argumentiert, eine Ausweisung wäre
kontraproduktiv.
Man müsse die Gesprächskanäle offenhalten, um den irischen Landsleuten die
Ausreise aus Gaza zu ermöglichen, sagte der stellvertretende
Premierminister Micheál Martin, der sich zur Zeit auf einer Reise nach
Ägypten, Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete befindet.
Außerdem müsse man alles versuchen, damit die irisch-israelische
Hamas-Geisel Emily Hand, die am heutigen Freitag neun Jahre alt wird,
freigelassen wird, sagte er.
Am Mittwochabend durften 23 Personen mit irischem Pass nach Ägypten
ausreisen, weitere sollen Gaza spätestens am Sonntagabend verlassen. Der
irisch-palästinensische Chirurg Ahmed El Mokhallalati und seine Familie
haben hingegen entschieden, [1][in Gaza-Stadt zu bleiben], um möglichst
vielen Verletzten helfen zu können.
Bei einer weiteren Abstimmung Mittwochnacht scheiterte der Antrag, Israel
beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Vorgehens in
Gaza anzuzeigen, mit 77 zu 58 Stimmen. Der Antrag wurde von Sinn Féin und
der linken People Before Profit, aber auch von Labour und den
Sozialdemokraten unterstützt.
## Israels Blick auf Irland
In einem [2][offenen Brief in der Irish Times] forderten mehr als hundert
irische Akademiker, alle Verbindungen zu israelischen Bildungsinstitutionen
sofort abzubrechen. Der Gaza-Krieg sei eine „Kampagne von ethnischer
Säuberung“, heißt es in dem Brief. Darüber hinaus haben mehr als 600
irische Künstler und Künstlerinnen ein Gelöbnis unterzeichnet, Israel so
lange zu boykottieren, bis sich das Land an internationale Gesetze und die
Prinzipien der Menschenrechte halte.
Irlands Haltung wird in Israel indigniert zur Kenntnis genommen. Der
Minister für Kulturerbe, Amichai Eliyahu, erklärte, die palästinensische
Bevölkerung könne „nach Irland oder in die Wüste“ gehen. Zwar wurde er
dafür von Kabinettssitzungen vorübergehend ausgeschlossen, aber auch die
israelische Botschafterin [3][Dana Erlich] sagte: „Als ich vor knapp drei
Monaten in Irland ankam, wusste ich, dass ich in einem besonderen Land
arbeiten würde. Damals wurde ich von einigen Leuten gewarnt, dass Irland
als anti-israelisch mit antisemitischen Elementen wahrgenommen würde.“
Die Kritik am israelischen Vorgehen in Gaza sei keineswegs antisemitisch,
betonen Politiker der konservativen Regierungskoalition hingegen. Sämtliche
Parteien haben den Hamas-Angriff selbstverständlich als barbarisch
gegeißelt.
Premierminister Leo Varadkar sagte, Israel habe natürlich das Recht auf
Selbstverteidigung. Er fügte jedoch hinzu: „Was sich aber gerade entfaltet,
ist nicht nur Selbstverteidigung, es gleicht eher einer Rache.“ Die
Regierung fordert einen Waffenstillstand, um die Lage für die Bevölkerung
in Gaza zu erleichtern.
## Politische eine einsame Insel
Damit steht Irland in der EU ziemlich alleine da. Der politische
Kommentator Fintan O’Toole weist jedoch darauf hin, dass eine konsistente
Außenpolitik für ein kleines Land wie Irland unerlässlich sei – sonst kön…
man das Außenministerium gleich auflösen und die Stellungnahmen aus Brüssel
und Washington übernehmen. Die Biden-Regierung könne nicht weiterhin den
russischen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung kritisieren,
während sie gleichzeitig den israelischen Krieg gegen die palästinensische
Zivilbevölkerung unterstütze.
Außerdem kritisierte O’Toole die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von
der Leyen: Sie habe Angriffe auf zivile Infrastrukturen als „reinen Terror“
bezeichnet. Allerdings meinte sie die russischen Angriffe auf die Ukraine.
„Als Israel ankündigte, der Bevölkerung von Gaza dasselbe anzutun, stellte
sie sich voll hinter diese Aktionen.“
Die Beziehungen [4][zwischen Irland und Israel waren schon immer recht
kühl], auch wenn der 1949 ernannte Oberrabbiner Immanuel Jakobovits von den
„engen und herzlichen Beziehungen“ zwischen Juden und dem irischen Staat
geschrieben hatte: „Irland ist eines der ganz wenigen Länder, das seine
Bilanz noch nie durch schwerwiegende antijüdische Ausschreitungen getrübt
hat.“
## Israelische Diplomaten ausgewiesen
Aber Irland hat Israel erst 1963 anerkannt, die israelische Botschaft in
Dublin wurde Mitte der neunziger Jahre eröffnet. Nachdem der israelische
Geheimdienst Mossad 2010 bei einem gescheiterten Attentat auf ein führendes
Hamas-Mitglied in Dubai gefälschte irische Pässe benutzt hatte, wies die
irische Regierung einen israelischen Diplomaten aus.
Ein Jahr später wurde die palästinensische Mission in Dublin in den Rang
einer Botschaft erhoben. Und vor drei Jahren hat das Parlament für ein
Gesetz gestimmt, wonach der Import und Verkauf von Waren, Dienstleistungen
und natürlichen Ressourcen aus [5][israelischen Siedlungen in den besetzten
palästinensischen Gebieten] untersagt wird.
Die Chefin der keineswegs linken irischen Sozialdemokraten, Holly Cairns,
sagte, das irische Volk sei „angewidert vom Töten in Gaza“, und der
drohende Genozid verlange keine Worte, sondern Taten. „Israel tötet
ungestraft. Zwar hat die irische Regierung mehr als andere EU-Länder dafür
getan, einen Waffenstillstand herbeizuführen, aber Worte sind nicht genug.
Die Verbrechen, die Israel an der Zivilbevölkerung von Gaza verübt hat,
müssen Konsequenzen haben.“
17 Nov 2023
## LINKS
[1] /Bodenoffensive-in-Gaza/!5968020
[2] https://www.irishtimes.com/opinion/letters/2023/11/04/war-in-the-gaza-strip/
[3] https://twitter.com/DanaErlich
[4] /Irland-verurteilt-Politik-von-Israel/!5775301
[5] /Israels-Siedlungspolitik/!5725455
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
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