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# taz.de -- China und der Gazakrieg: Neutralität mit Schlagseite
> Spitzendiplomaten der Palästinenser und muslimischer Staaten treffen sich
> in China. Die Parallelen zur Russland-Politik Pekings sind bemerkenswert.
Bild: Ein Hand schüttelt die andere: Chinas Außenminister mit seinem palästi…
Peking taz | Die Vertreter der arabischen Welt hätten nach Washington
reisen können, doch sie entschieden sich für Peking als Ort der gemeinsamen
Verhandlungen. Dementsprechend stellte bereits das Gruppenfoto der
Außenminister einen diplomatischen Gewinn für die Volksrepublik China dar:
Spitzendiplomat Wang Yi steht jovial im Zentrum, zu seiner Seite jeweils
die Amtskollegen aus Saudi-Arabien, [1][Jordanien], Ägypten, Katar,
Indonesien und den palästinensischen Gebieten.
Noch bis Dienstag werden die Gespräche andauern, doch schon jetzt scheint
die Stoßrichtung klar. „Wir sind bereit, mit unseren Brüdern und Schwestern
aus den arabischen und islamischen Ländern zusammenzuarbeiten“, sagte Wang
Yi am Montag im Staatsgästehaus Diaoyutai. Er nannte die Ziele, auf die man
gemeinsam hinarbeiten möchte: einen umgehenden Waffenstillstand, humanitäre
Hilfslieferungen und die rasche Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung.
Aus israelischer Sicht dürfte allerdings mindestens ebenso entscheidend
sein, was Chinas Außenminister nicht nannte: Keine Silbe verlor der
70-Jährige über die [2][israelischen Geiseln], ebenso wenig erwähnte er das
Recht des Landes auf Selbstverteidigung. „Wir erwarten, dass eine klare
Aussage zur bedingungslosen Freilassung der 240 Geiseln veröffentlicht
wird, die in Gaza von der Terrororganisation Hamas festgehalten werden,
anstatt einer Forderung nach einer Feuerpause“, sagte Israels Botschafterin
in China Irit Ben-Abba nur wenige Stunden zuvor. Doch derzeit, so scheint
es, spielt die Diplomatin aus chinesischer Sicht ohnehin nur eine
untergeordnete Rolle.
Um Chinas Vorgehensweise in dem Konflikt besser zu verstehen, hilft ein
Blick zurück, zum Februar des letzten Jahres: Es scheint nämlich, als würde
die chinesische Regierung die exakt selbe Anleitung, die sie bereits beim
Krieg gegen die Ukraine befolgte, erneut einhalten – eine Strategie, die
Experten damals „prorussische Neutralität“ tauften. Diesmal ist es eben
eine Neutralität mit propalästinensischer Schlagseite.
## Antisemitismus in Chinas Parteizeitung
Die Parallelen beginnen bereits bei der Berichterstattung, die – aufgrund
der staatlich kontrollierten Medien und flächendeckender Zensur – von der
Parteiführung kuratiert wird. So wird der Terroranschlag der Hamas vom 7.
Oktober systematisch ignoriert, das Leiden der israelischen Geiseln findet
keinen Platz im öffentlichen Diskurs. Genau wie auch das Leid der
ukrainischen Zivilbevölkerung von der chinesischen Bevölkerung ferngehalten
wurde.
Gleichzeitig lassen die Zensurbehörden dem Antisemitismus weitgehend freien
Lauf, was sich vor allem in den hasserfüllten Kommentarspalten zeigt.
Selbst in den Parteizeitungen schimmert der immer wieder durch – etwa, wenn
die nationalistische Zeitung Global Times in einer Karikatur Juden als rote
Teufel mit Hörnern im Gesicht darstellt.
Die propalästinensische Neigung reflektiert nicht zuletzt das offizielle
Narrativ der Regierung: Schließlich hat das Pekinger Außenministerium die
[3][Taten der Hamas] bislang in keiner einzigen Stellungnahme explizit
verurteilt. Um das Kalkül dahinter zu verstehen, hilft auch hier die
Analogie zum Ukraine-Krieg: China verfolgt vor allem langfristige,
strategische Interessen. Und auch wenn Israel in den letzten Jahren zum
zunehmend wichtigen Wirtschaftspartner avancierte, ist die Region für
Peking vor allem als Energielieferant wichtig. Dementsprechend möchte die
Volksrepublik Saudi-Arabien, aber auch Iran nicht vor den Kopf stoßen. Mit
Teheran unterhält man sogar enge militärische Beziehungen.
Zudem benötigt Peking die Unterstützung des arabischen Blocks, wenn es um
die eigene politische Agenda beim UN-Sicherheitsrat geht. Es ist
schließlich eines der zentralen Anliegen der chinesischen Regierung, dass
die muslimischen Länder die Repression der Uiguren nicht offen kritisieren.
In der Tat gibt es – mit vereinzelten Ausnahmen wie der Türkei – praktisch
keine Kritik an den Umerziehungslagern im nordwestchinesischen Xinjiang, wo
muslimische Minderheiten brutal unterdrückt werden.
## China will die Dominanz des Westens durchbrechen
Vor allem aber geht es der Volksrepublik langfristig darum, eine
alternative Weltordnung zu etablieren, um die Dominanz des Westens unter
Führung der USA zu durchbrechen. Dafür möchte man den globalen Süden hinter
sich wissen. Israel ist in diesem Konflikt aus chinesischer Warte vor allem
ein [4][Verbündeter Washingtons] – und damit auf der „falschen“ Seite.
Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass China trotz der propalästinensischen
Schlagseite nicht dennoch einen diplomatischen Beitrag zum Frieden liefern
kann. Es steht schließlich außer Frage, dass der Krieg in Gaza nicht im
Interesse Pekings ist, und eine Ausweitung des Konflikts schon gar nicht.
Von daher blickt die israelische Seite auf Pekings diplomatische Bemühungen
im Nahen Osten ähnlich, wie schon Kyjiw auf die chinesischen
Friedensinitiativen geblickt hat: skeptisch, aber nicht ablehnend.
20 Nov 2023
## LINKS
[1] /Der-Nahost-Konflikt-belastet-Beziehungen/!5969670
[2] /Marsch-der-Geisel-Angehoerigen-in-Israel/!5969659
[3] /Tunnel-unter-Gaza/!5970956
[4] /Gaza-Resolution-im-UN-Sicherheitsrat/!5969859
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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