# taz.de -- Gipfeltreffen USA-China: Peking wirbt um Investitionen | |
> Beim Apec-Gipfel wollte Staatspräsident Xi Jinping auch das Vertrauen der | |
> Geschäftswelt wiedergewinnen. Dabei hat er das Verhältnis selbst | |
> beschädigt. | |
Bild: Präsident Xi beim Apec-Gipfel in San Francisco, von Wirtschaftsvertreter… | |
Peking taz | Der Moment, als Xi Jinping den Ballsaal des Hyatt Regency | |
betritt, dürfte bei vielen Beobachtern ein Gefühl der Fremdscham auslösen: | |
Die gesamte, liberale Wirtschaftselite der Vereinigten Staaten begrüßt den | |
angereisten Autokraten aus der Volksrepublik in San Francisco mit stehenden | |
Ovationen. Hunderte Vorstandsvorsitzende zücken gleichzeitig ihre | |
Smartphones, um unter tosendem Applaus ein Beweisfoto von dem Vorsitzenden | |
der kommunistischen Partei Chinas zu schießen. Und man meint, die | |
Dollar-Zeichen in ihren Augen blinken zu sehen. | |
Präsident Xi war keineswegs nur in den USA, um die politischen Beziehungen | |
mit Joe Biden zu kitten. Ziel seiner Mission war stets auch, das | |
angeschlagene Vertrauen der westlichen Investoren und Firmen | |
wiederherzustellen. Dabei hatte er stets ein verheißungsvolles Angebot im | |
Gepäck: die Aussicht auf einen Markt von 1,4 Milliarden potenziellen | |
Kunden. | |
Und ganz offensichtlich schwappte die Euphorie auch auf die anwesenden | |
Vorstandschefs über. 2.000 Dollar haben sie bezahlt, um während des | |
Empfangs am Mittwoch im selben Raum mit Xi Jinping dinieren zu dürfen. Ray | |
Dalio, Gründer des Hedgefonds-Unterehmen, sagte der Financial Times, er sei | |
„begeistert, diese Beziehung mit Xi zu haben“. | |
Während seiner Reden zeichnete der Staatsgast ein überaus rosiges Bild vom | |
Status Quo seiner Volkswirtschaft. So sagte Xi am nächsten Tag während des | |
Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC), dass sich | |
Chinas Wirtschaft in diesem Jahr „stetig erholt und zum Besseren | |
entwickelt“ habe. Die „sozialistische Marktwirtschaft“ bezeichnete er dab… | |
als besondere Stärke, um anschließend unmissverständlich hinzuzufügen: „W… | |
laden Freunde aus der internationalen Geschäftswelt ein, in China zu | |
investieren und ihren Fußabdruck in China zu vertiefen.“ | |
## Prekäre Realität | |
Langjährigen Beobachtern ist natürlich bewusst, dass Xis demonstrativ zur | |
Schau gestelltes Selbstbewusstsein wohl vor allem dazu gedacht war, die | |
höchst prekäre Realität zu überdecken. Die Volksrepublik China erholt sich | |
ein knappes Jahr [1][nach Ende der drakonischen „Null Covid“-Politik] nur | |
schleppend: Die Immobilienkrise hält an, die Jugendarbeitslosigkeit ist auf | |
Rekordniveau und der Binnenkonsum kommt weiter nicht in die Gänge. | |
Viele der ökonomischen Probleme hängen zudem ganz direkt mit den | |
angespannten Beziehungen gegenüber dem politischen Westen zusammen. [2][Die | |
Tech-Sanktionen der Biden-Regierung] sind nur das offensichtlichste | |
Beispiel. Hinzukommt, dass die Investoren ihre Gelder zurückhalten und die | |
Unternehmen Profite zunehmend aus dem chinesischen Markt abziehen. Kurzum: | |
Die Lage ist ernst, es besteht dringender Handlungsbedarf. | |
Doch natürlich hat Xi Recht, wenn er in San Francisco sein Heimatland als | |
größten Motor des globalen Wachstums verkauft. Denn der riesige Markt hat | |
für internationale Firmen nach wie vor eine riesige Anziehungskraft – und | |
das, obwohl er weit hinter seinem wahren Potenzial bleibt. | |
Viele Ökonomen gehen mittlerweile davon aus, dass sich Chinas Wachstum in | |
den nächsten Jahren bei zwischen zwei und drei Prozent einpendeln dürfte. | |
Für ein Land, das noch vor gar nicht allzu langer Zeit im zweistelligen | |
Bereich expandierte, ist dies ernüchternd. | |
## Politische Kontrolle statt mehr Wirtschaftswachstum | |
Einen Teil der Verantwortung dafür trägt Xi Jinping höchstselbst. „Noch nie | |
habe ich erlebt, dass ideologische Entscheidungen wichtiger geworden sind | |
als wirtschaftliche Entscheidungen“, sagte der China-Veteran Jörg Wuttke | |
bereits im Vorjahr. Seit über drei Dekaden lebt der Manager bereits in | |
Peking. Doch gegen Ende seiner Amtszeit als Präsident der europäischen | |
Handelskammer zog er ein ernüchterndes Fazit: [3][Xi Jinping sei zunehmend | |
bereit, politische Kontrolle mit niedrigerem Wachstum zu bezahlen]. | |
Wenn Xi etwa nun in San Francisco vor der Entkoppelung von Lieferketten | |
warnt, kann dies einer gewissen Ironie nicht entbehren, schließlich haben | |
die Lockdowns seiner dogmatischen „Null Covid“-Politik erst das Thema in | |
Europa überhaupt angestoßen. Und auch der Wunsch, die Volkswirtschaften | |
stärker zu „vernetzen“, wirken scheinheilig von einem Staatsoberhaupt, der | |
bereits seit 2015 eine zunehmend von Autarkie geleitete Industriepolitik | |
führt. | |
Während nämlich die CEOs in San Francisco Xi mit stehenden Ovationen | |
begrüßen, verlieren die heimischen Ökonomen allmählich die Geduld. Der | |
Unmut innerhalb der Privatwirtschaft ist derart groß geworden, dass sich | |
nun erstmals seit langem wieder offene Kritik zeigt. | |
## Rechtsstaatlichkeit und Reformen wären nötig | |
Im Wirtschaftsmagazin Caixin, einem der letzten unbeugsamen Stimmen in der | |
ansonsten gleichgeschalteten Medienlandschaft, erschien zu Beginn des | |
Monats ein bemerkenswerter Leitartikel mit einer unmissverständlichen | |
Überschrift: „Chinas Reformbewegung braucht dringendst einen weiteren | |
Durchbruch“. Darin heißt es unter anderem: „Dem Markt eine entscheidende | |
Rolle bei der Zuteilung von Ressourcen zuzugestehen, ist nicht nur eine | |
bedeutende theoretische Neuerung, sondern auch eine Befreiung des Denkens“. | |
Mittlerweile jedoch würden einige Regierungsbeamte wieder gegen den | |
Reformgeist handeln. | |
Dieser Ansicht ist offensichtlich auch Investoren-Veteran Fred Hu, Gründer | |
der „Primavera Capital Group“. Während eines Wirtschaftsforums in Singapur | |
sagte er: „Die Menschen sind sich nicht sicher, [4][ob die Führung sich | |
noch den Reformen verpflichtet,] von denen China so sehr profitiert hat“. | |
Dieses Gefühl der Unsicherheit habe er seit Beginn der wirtschaftlichen | |
Liberalisierung Ende der 1970er Jahre niemals erlebt. | |
Wenige Tage später, diesmal bei einem Forum in Peking, legte Hu noch in | |
seiner Kritik noch einmal nach. China brauche keinen weiteren | |
30-Punkte-Plan, um das Vertrauen der Wirtschaft zu heben, sondern nur einen | |
einzigen Punkt: Rechtsstaatlichkeit. | |
17 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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