# taz.de -- Norwegens Außenministerin entlassen: Huitfeldt fällt über Aktien… | |
> Norwegens Regierung entlässt Außenministerin Huitfeldt. Der Druck auf | |
> Oppositionsführerin Solberg steigt, sie steckt in einer ähnlichen Affäre. | |
Bild: Gerade entlassen: die norwegische Außenministerin Anniken Huitfeldt | |
STOCKHOLM taz | Ein Telefonat mit ihrem israelischem Amtskollegen Eli | |
Cohen, in dem sie am Wochenende die humanitäre Situation in Gaza als | |
„inakzeptabel“ kritisierte, war eine der letzten Amtshandlungen der | |
norwegischen Außenministerin Anniken Huitfeldt. Am Montag musste die | |
Sozialdemokratin die Konsequenzen aus einem seit Wochen schwelendem | |
Aktienskandal ziehen und ihr Amt aufgeben. | |
Offenbar in dem Bemühen, der ganzen Affäre etwas die Dramatik zu nehmen, | |
packte der [1][sozialdemokratische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre] | |
ihren Hinauswurf in eine umfassendere Kabinettsumbildung: Die Regierung | |
erhielt fünf neue MinisterInnen. | |
Freiwillig war Huitfeldts Rücktritt nicht. Noch vor ein paar Tagen hatte | |
sie versichert, für einen solchen Schritt überhaupt keine Veranlassung zu | |
sehen. Doch die Vermengung von Amtspflichten und privaten finanziellen | |
Interessen ließen Gahr Støre keine andere Wahl. Huitfeldt hatte sich an | |
einigen Regierungsentscheidungen beteiligt, obwohl sie eigentlich befangen | |
war. Auch wenn es nicht ihre eigenen Börsengeschäfte waren, sondern die | |
ihres Ehemanns. | |
Huitfeldts Ehemann Ola Flem hatte auch nach deren Amtsantritt im Oktober | |
2021 mit Aktien von Firmen der Zuchtlachsbranche und des Waffenkonzerns | |
Kongsberg gehandelt. Firmen, deren Geschäfte stark von | |
Regierungsentscheidungen betroffen waren. Das gilt vor allem für neue | |
Waffenbestellungen und Militärhilfe für die Ukraine, von denen Kongsberg | |
profitierte. | |
## Erna Solberg sitzt noch tiefer im Schlamassel | |
„Ich habe gegen meine Pflichten verstoßen“, gestand Huitfeldt, nachdem | |
Medien erste Fragen gestellt hatten: Ja, sie hätte ihre Befangenheit | |
anmelden müssen. Was die Stellung der Sozialdemokratin letztendlich | |
unhaltbar gemacht hatte, war aber, dass sie nicht gleich alle Karten auf | |
den Tisch gelegt hatte, sondern nur scheibchenweise mit der Wahrheit | |
herausgerückt war. | |
Sie warf ihrem Mann vor, sie über Umfang und Einzelheiten seiner Geschäfte | |
im Unklaren gehalten zu haben, wobei sie aber zunächst verschwieg, dass die | |
Staatskanzlei dringend empfohlen hatte, der solle diesen Handel ganz sein | |
lassen, solange sie Kabinettsmitglied sei. | |
Gahr Støre verteidigte seine Außenministerin zunächst. Obwohl sie Fehler | |
gemacht habe, beteuerte er, weiterhin Vertrauen zu haben. Die 53-jährige | |
Huitfeldt hat starken Rückhalt in der Partei und den Gewerkschaften. Sie | |
hatte sich in den vergangenen 15 Jahren auf unterschiedlichen | |
Kabinettsposten bewährt und wurde bereits als Gahr Støres mögliche | |
Nachfolgerin gehandelt. | |
Wenn der Regierungschef seine Ministerin nun doch opfert, so wittern Medien | |
einen [2][Zusammenhang mit der Aktienaffäre Erna Solbergs]. Die | |
Ex-Ministerpräsidentin und Vorsitzende der konservativen Høyre steckt noch | |
[3][wesentlich tiefer in einem Aktienskandal]. | |
## Medien wittern politisches Kalkül | |
Bislang hatten sich die Sozialdemokraten „angesichts des größten | |
politischen Skandals, der die Hauptwidersacherin getroffen hat“, auffallend | |
zurückgehalten, wie die Zeitung Dagbladet schreibt, weil man mit Huitfeldt | |
eben im Glashaus saß. Jetzt will man offenbar den Rücken freihaben, bevor | |
sich Anfang November ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den | |
Affären Huitfeldt und Solberg befassen wird. | |
Vermutlich hofft die Regierungspartei, dass mit den Konsequenzen, die sie | |
gezogen haben, der Druck auf die oppositionellen Konservativen wächst, sich | |
von ihrer populären Vorsitzenden zu trennen. „Ein leicht zu durchschauender | |
Schachzug“, kommentiert die konservative Zeitung Aftenposten. | |
„In einem Fall nach dem anderen sind norwegische Politiker beim Betrug | |
ertappt worden und haben versucht, sich und ihre Freunde auf Kosten der | |
Allgemeinheit zu bereichern“, kommentiert hingegen die liberale Bergens | |
Tidende: „Politiker nutzen großzügige Regelungen aus, um sich zu | |
bereichern. Sie werden erwischt – und sie bleiben im Amt. Und dann gibt es | |
noch die üblichen politischen gebrochenen Versprechen. (…) Falls nun jemand | |
fragt, woher die Politikverachtung kommt: Hier liegt die Antwort.“ | |
16 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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