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# taz.de -- Korruption in Norwegen: Insiderwissen am Frühstückstisch
> Die frühere Ministerpräsidentin Solberg muss sich für den Aktienhandel
> ihres Mannes rechtfertigen. Seine Geschäfte passten gut zu ihren
> Entscheidungen.
Bild: Was wusste sie von seinem Geschäft? Erna Solberg und Sindre Finnes beim …
Stockholm taz | In Norwegen zeichnete sich in den vergangenen Wochen immer
deutlicher ein skandalöses Szenario ab: Während die Frau Politik macht,
spekuliert der Ehemann am Aktienmarkt – mit Interna vom Frühstückstisch.
Nach Einschätzung der Tageszeitung Dagbladet wäre das ein Skandal, der sich
„in Umfang, Charakter und Bedeutung kaum mit einem anderen norwegischem
Skandal messen kann“.
Es geht um Erna Solberg. Von 2013 bis 2021 war sie Ministerpräsidentin, und
vor Kurzem noch die populärste Politikerin Norwegens. Anfang September
erzielte die [1][konservative Partei Høyre mit ihr als Vorsitzenden ein
phänomenales Kommunalwahlergebnis]. Der 62-Jährigen wurden beste Chancen
eingeräumt, bei der Parlamentswahl 2025 den sozialdemokratischen
Regierungschef Jonas Gahr Støre abzulösen.
Doch dann brach sie vor laufenden Kameras in Tränen aus. „Sindre war nicht
ehrlich mir gegenüber“, sagte Solberg vier Tage nach der Kommunalwahl vom
11. September. „Es ist ein Vertrauensbruch.“
Was Sindre Finnes, ihr Ehemann, ohne ihr Wissen getan habe, bedeute, dass
„ich bei einzelnen Entscheidungen während meiner Amtszeit im Prinzip
befangen gewesen bin“, gesteht sie. Die Entscheidungen hätten womöglich
Auswirkungen auf ihre gemeinsame Haushaltsökonomie gehabt – ohne dass sie
davon wusste.
## Finnes bestreitet alles
Erna Solberg ist seit 1996 mit Sindre Finnes verheiratet. Der 59-jährige
Volkswirt ist bei einem norwegischen Arbeitgeberverband beschäftigt,
handelte mit Aktien und das nicht nur ein wenig: In den acht Jahren, in
denen Solberg Regierungschefin war, tätigte er 3.643 Aktiengeschäfte. Bei
manchen fällt auf, dass sie zeitlich mit Regierungsentscheidungen
zusammenfallen: Coronaregelungen, Umweltgenehmigungen für Mineralkonzerne,
Geschäfte von staatseigenen Unternehmen.
Finnes sagt, er habe seiner Frau die Aktiendeals verschwiegen, und er
bestreitet jeden Handel mit Insiderwissen – das wäre auch strafbar.
Die ehemalige Regierungschefin beteuert derweil, sie sei eben naiv gewesen.
Sie habe nichts von dem Aktienhandel gewusst und mit ihrem Mann auch nie
über Regierungsinterna gesprochen. Allerdings könne sie nicht ausschließen,
dass Papiere zu Regierungsvorhaben zu Hause herumlagen, in die sich ihr
Mann Einblick verschafft habe, um an Insiderinfos zu gelangen. Doch diese
Beteuerungen werden seither nahezu täglich mehr infrage gestellt.
Medien wundern sich: Wie kann es ihr nicht aufgefallen sein, dass das
Vermögen ihres Mannes in drei Jahren um umgerechnet mehr als 300.000 Euro
angewachsen ist, obwohl er immer denselben Job hatte? Und hatte Finnes
nicht vor einigen Jahren ihre persönliche Kommunikation zu politischen und
wirtschaftlichen Themen ganz anders geschildert? „Erna“ und er tauschten
sich täglich beim Frühstück und Abendessen ausgiebig über solche Fragen
aus, [2][erzählte er da in einem Interview].
Dabei musste Solberg die Bedeutung des Aktienbesitzes ihres Ehepartners
sehr wohl bewusst gewesen sein. Schon als sie 2013 Ministerpräsidentin
wurde, machte ihr Büro sie auf dieses Problem aufmerksam. Ein Jahr später
bemängelte der Europarat, in Norwegen fehlten Regeln, die offenlegen,
welche wirtschaftliche Interessen Eheleute von ParlamentarierInnen und
Ministerinnen haben.
Was Solbergs Glaubwürdigkeit zusätzlich untergräbt: Ihr Verhalten nach der
Aufdeckung. Im Wesentlichen wurden seine Geschäfte bereits am 31. August
öffentlich. Bis zum Kommunalwahltermin am 11. September zögerte die
Vorsitzende der konservativen Høyre-Partei ihr Eingeständnis hinaus.
Offenbar, um das Wahlresultat nicht zu gefährden.
## Ein Fall bei den Sozialdemokraten
Zeitgleich war den regierenden Sozialdemokraten ein eigener Aktienskandal
auf die Füße gefallen. Der trug dazu bei, ihr Wahlergebnis zu
verschlechtern.
Am 30. August bestätigte Außenministerin Anniken Huitfeldt: Ihr Ehemann
handelte mit Aktien des Waffenkonzerns Kongsberg. Deswegen sei sie bei
Entscheidungen zu Waffenkäufen und Waffenlieferungen an die Ukraine
befangen gewesen. Auch Huitfeldt beteuert, von den Geschäften ihres Mannes
nichts gewusst zu haben.
Es mag traurig sein, wenn Ehemänner ihre Politikfrauen belügen, sagt Eva
Joly. Die norwegische Juristin und Politikerin der französischen Grünen ist
vor [3][allem als Korruptionsjägerin bekannt]. Sie finde, ob die
Politikerinnen die Wahrheit wussten oder nicht, „ist irrelevant. Als
politisch exponierte Personen sind sie dafür verantwortlich, dass kein
Nahestehender ihre Position für sich ausnutzen kann.“ Erna Solberg und
Anniken Huitfeldt müssten von ihren Ämtern zurücktreten.
13 Oct 2023
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-Norwegen/!5960062
[2] https://www.kapital.no/portrett/2020/09/10/7562424/klippen-til-erna
[3] /Vorwahl-der-Gruenen-in-Frankreich/!5117501
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
Norwegen
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Aktienmarkt
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LNG
Schwerpunkt Meta
Norwegen
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