# taz.de -- Leck an Gaspipeline Finnland-Estland: Helsinki schließt Sabotage n… | |
> Am Wochenende wurde die Gasleitung Balticconnector beschädigt. Laut | |
> Finnlands Regierung offenbar absichtlich. Aber auch andere Ursachen sind | |
> möglich. | |
Bild: Das Leck hat für Alarmstimmung gesorgt: Offshore-Schiff des finnischen G… | |
STOCKHOLM taz | War die Ursache für den plötzlichen Druckabfall in der | |
Unterwassergaspipeline zwischen Finnland und Estland [1][ein erneuter | |
Sabotageakt gegen eine Ostseepipeline]? Die finnische Regierung schließt | |
das nicht aus, wie Ministerpräsident Petteri Orpo am späten | |
Dienstagnachmittag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Helsinki | |
mitteilte. | |
An der Erdgaspipeline zwischen Finnland und Estland war am Wochenende ein | |
Schaden festgestellt worden. Bei Untersuchungen am Dienstagvormittag habe | |
sich herausgestellt, dass dieser so umfassend ist, dass er nicht auf | |
„natürliche Ursachen“ zurückgeführt werden könne, so Orpo. Es sei desha… | |
„wahrscheinlich, dass äußere Einwirkung“ dafür verantwortlich sei. | |
Allerdings sei noch unklar, welche. | |
Auf eine direkte Frage, ob womöglich Russland verantwortlich sein könne, | |
erklärte Orpo, er wolle nicht spekulieren. „Es ist wichtig, dass die Sache | |
gründlich untersucht wird und keine voreiligen Schlüsse gezogen werden“. | |
Die Pipeline Balticconnector verläuft zwischen dem finnischen Ingå und | |
Paldiski in Estland und war 2020 in Betrieb genommen worden. Sie verbindet | |
die Erdgasnetze Finnlands und Estlands, ermöglicht Finnland damit den | |
Zugriff auf das unterirdische Erdgaslager Inčukalns in Lettland. Seit | |
Anfang des Jahres dient sie auch dazu, Erdgas, das über das neue | |
schwimmende LNG-Terminal Ingå gelöscht und dort in konventionelles Gas | |
umgewandelt wird, nach Estland zu transportieren. | |
## Ungewöhnlicher Druckabfall | |
Die Behörden sind auf jeden Fall alarmiert. Im September 2022 hatten | |
Explosionen an drei der vier Röhren von Nord Stream 1 und 2 die Pipelines | |
zwischen Russland und Deutschland unbrauchbar gemacht. Die finnische | |
Polizei hat eine Voruntersuchung eingeleitet, ob die Leckage auf Sabotage | |
oder andere Gründe zurückzuführen sei. Nach einer Mitteilung des ebenfalls | |
bei der Pressekonferenz anwesenden Polizeioberinspektors Timo Kilpeläinen | |
deutete allerdings nichts darauf hin, dass eine Sprengung oder Explosion | |
den Schaden verursacht haben könnte. | |
Die Regierungen Estlands und Finnlands arbeiteten seit Sonntag bei dieser | |
Frage zusammen, hieß es. Der finnische Staatspräsident Sauli Niinistö | |
teilte mit, er habe am Dienstag auch Kontakt mit Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg gehabt: Die Nato habe sich bereit erklärt, bei den Ermittlungen | |
zu helfen. | |
Der ungewöhnliche Druckabfall in der Pipeline war in der Nacht zum Sonntag | |
aufgetreten, weshalb sich der [2][Betreiber nach kurzer Zeit entschloss, | |
den Gasfluss, der in dieser Zeit von Finnland nach Estland verlief, | |
abzuriegeln]. Laut dem Telekomprovider Elisa gab es in der gleichen Nacht | |
auch eine Beschädigung an einem Unterwasser-Datenkabel zwischen beiden | |
Ländern. | |
Das zeitgleich in dem Meeresgebiet herrschende stürmische Wetter könne das | |
Leck an der Pipeline nicht verursacht haben, bestätigt der estnische Gas- | |
und Stromproviders Elering. Die Rohre seien in den Meeresboden | |
eingebaggert, der Wellengang könne sie dort nicht erreichen. Wie das | |
seismologische Institut der Universität Helsinki mitteilte waren im | |
fraglichen Zeitraum aber auch keine „ungewöhnlichen Vibrationen“ | |
registriert worden, wie eine mögliche Explosion sie hätte verursachen | |
können. Heidi Soosalu, Seismologin beim Estnischen Geologischen Dienst, | |
bestätigte dies. | |
## Pipeline „von einer Seite gerissen“ | |
Allerdings hatte das norwegische seismologische Institut Norsar in der | |
Nacht zum Sonntag um 1.20 Uhr finnischer Zeit eine Vibration in der Region | |
registriert. Diese entsprach etwa der Erdbebenmagnitude 1 und war damit | |
rund 30mal kleiner war als das, was seinerzeit bei Nordstream gemessen | |
worden war. Estlands Verteidigungsminister Hannu Pevkur erklärte dazu am | |
Dienstagabend: Aufgrund des Schadensbilds schließe er ebenso wie die | |
Seismologen eine Explosion aus. | |
Am Mittwoch ging er noch einen Schritt weiter: Es könne sich zwar um | |
Sabotage handeln, aber womöglich auch um einen unabsichtlichen Vorgang. Zum | |
Beispiel „durch ein ein großes Schiff, dessen Anker am Meeresboden | |
schleift, wenn das Schiff in der schweren See, wie in dieser Nacht | |
herrschte vorwärts getrieben wird“. Dazu würde passen, was der estnische | |
Marineoberbefehlshaber Cdre Saska [3][im estnischen TV] sagte: Offenbar sei | |
Balticconnector „von einer Seite gerissen“. | |
Das norwegische Institut Norsar erklärte dazu, seine Messungen könnten | |
durchaus auch damit erklärt werden, dass ein Anker in das Rohr einschlug | |
und dadurch das Gas plötzlich unter hohem Druck entwichen sei. | |
Die Pipeline könnte je nach Schadensumfang einige Monate außer Betrieb | |
sein, schätzt die staatliche finnische Gasnetzagentur Gasgrid. Sie rechnet | |
aber nicht damit, dass das in Finnland oder Estland zu Liefer- oder | |
Versorgungsengpässen führen könnte. Im finnischen Ingå liegt das | |
LNG-Spezialschiff „Exemplar“ und im estnischen Paldiski wurde vor einigen | |
Monaten eine für LNG-Tankschiffe mit Regasifizierungsanlage geeignete | |
Anlegestelle fertiggestellt. Estland kann auch über ein LNG-Terminal im | |
litauischen Klaipeda mit Erdgas versorgt werden. | |
11 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Lecks-an-Nord-Stream-Pipelines/!5884571 | |
[2] https://gasgrid.fi/en/2023/10/10/balticconnectors-inspection-operation-has-… | |
[3] https://news.err.ee/1609128452/estonian-navy-commander-seems-balticconnecto… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
LNG | |
Pipeline | |
Finnland | |
GNS | |
Pipeline | |
Schwerpunkt Korruption | |
Energiekrise | |
Tiefseebergbau | |
Energiekrise | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Beschädigte Ostseepipeline: Chinesischer Anker unter Verdacht | |
Vor rund drei Wochen wurde eine Gaspipeline in der Ostsee zwischen Finnland | |
und Estland beschädigt. Jetzt erhärtet sich ein Anfangsverdacht. | |
Korruption in Norwegen: Insiderwissen am Frühstückstisch | |
Die frühere Ministerpräsidentin Solberg muss sich für den Aktienhandel | |
ihres Mannes rechtfertigen. Seine Geschäfte passten gut zu ihren | |
Entscheidungen. | |
Beschädigte Ostseepipeline: Anker-Theorie verfestigt sich | |
Sabotage an der Balticconnector-Pipeline schließen die Behörden weiterhin | |
nicht aus. Möglich sei aber auch, dass ein Anker die Leitung aufgerissen | |
hat. | |
Oslo will Tiefseebergbau erlauben: Wie tief will Norwegen noch sinken? | |
Norwegens Regierung plant die Freigabe des Tiefseebergbaus vor seinen | |
Küsten. Umwelt- und Meeresschutzinitiativen protestieren. | |
Protest gegen LNG: Kein Anschluss unter dieser Insel | |
Die Klimabewegung versucht zu beweisen, dass sie mehrheitsfähig ist. Sie | |
will an der Seite von Bürger*innen kämpfen, die sich für Heringe | |
einsetzen. | |
Deutsche Umwelthilfe zieht vor Gericht: Klage gegen LNG-Terminal in Lubmin | |
Umweltschützer:innen wollen den Betrieb des Terminalschiffs „Neptune“ | |
in Lubmin verhindern. Sie sehen „erhebliche Mängel“ beim | |
Genehmigungsverfahren. |