# taz.de -- Beschädigte Ostseepipeline: Anker-Theorie verfestigt sich | |
> Sabotage an der Balticconnector-Pipeline schließen die Behörden weiterhin | |
> nicht aus. Möglich sei aber auch, dass ein Anker die Leitung aufgerissen | |
> hat. | |
Bild: Schiff der finnischen Küstenwache bei Untersuchungen zum Leck der Pipeli… | |
STOCKHOLM taz | Eine Explosion will man in Finnland und Estland zwar nach | |
wie vor nicht ausschließen, aber die [1][Schäden an der Gaspipeline | |
Balticconnector] und einem Unterwasser-Datenkabel zwischen Finnland und | |
Estland seien „offenbar von einer mechanischen Kraft verursacht worden, | |
nicht von einer Explosion“, erklärte Kriminaloberkommissar Risto Lohi von | |
der in dieser Sache ermittelnden finnischen nationalen Polizeibehörde auf | |
einer Pressekonferenz. Derzeit analysiere man den Schiffsverkehr in der | |
fraglichen Nacht zum Sonntag. | |
War es ein Schiffsanker? Und wenn ja, dann absichtlich oder unabsichtlich? | |
Darauf konzentrieren sich die Spekulationen, seitdem der estnische | |
Marineoberbefehlshaber Jüri Saksa am Dienstag das – nach wie vor nicht | |
veröffentlichte – Bild- und Videomaterial analysiert hatte. | |
Das an der fraglichen Stelle in einer Tiefe von 60 bis 70 Metern liegende | |
und nicht gänzlich bedeckte Pipelinerohr mit einem Durchmesser von 50 | |
Zentimetern sei ebenso wie die es schützende Betonhülle an der Seite | |
beschädigt und aus der Rinne, in der es gelegen habe verschoben worden: „Es | |
ist vergleichsweise so, als wenn man mit dem Fuß an einem Gartenschlauch | |
hängen bleibt und den ein Stück mit sich schleppt.“ | |
Also könnte – theoretisch – der Anker eines großen Schiffes über den | |
Meeresboden geschleift sein. Der Anker könnte dabei mit Wucht auf das Rohr | |
geprallt sein – und es mitgerissen haben. Ein solcher Ablauf könnte auch | |
erklären, warum etwa gleichzeitig ein unweit von der Pipeline entfernt | |
liegendes Datenkabel durch äußere Krafteinwirkung beschädigt wurde. | |
## Anker könnte ins Rohr eingeschlagen sein | |
Analysen der seismologischen Institute der nordischen Länder und Estlands | |
halten es für möglich, dass schwache Vibrationen zum Zeitpunkt des | |
Druckabfalls in der Pipeline damit erklärt werden könnten, dass ein Anker | |
in das Rohr einschlug und dadurch plötzlich Gas unter hohem Druck aus dem | |
entstandenen Leck entwich. Jukka Savolainen, Abteilungsleiter beim von der | |
EU und der NATO eingerichtetem [2][„Europäischem Kompetenzzentrum für die | |
Bekämpfung Hybrider Bedrohungen“] erklärte im finnischen Fernsehen YLE: | |
„Wenn sich die Pipeline bewegt hat und auf einer Seite beschädigt ist, kann | |
es sich durchaus um ein großes Schiff handeln, das vor Anker liegt und in | |
den stürmischen Winden abdriftet.“ | |
Stürmisch war es in der fraglichen Nacht. Wegen starkem Wind und zeitweisen | |
Orkanböen mussten auch einige Ostseefähren ihren Betrieb einstellen. In der | |
finnischen Bucht im Bereich der beschädigten Pipeline kreuzten nach einer | |
Analyse von YLE mindestens vier Tanker und ein Frachtschiff, um vor ihrer | |
Weiterfahrt in die offene Ostsee ein Abflauen des Windes abzuwarten. | |
Unklar ist, ob einige von diesen zeitweise vor Anker gegangen waren. Nach | |
Ansicht von Schifffahrtsexperten könnte es zu einem von einem Anker | |
verursachten Schaden kommen, wenn ein vor Anker liegendes Schiff aufgrund | |
starken Windes ins Treiben gerät. Sollte tatsächlich ein Schiffsanker den | |
Schaden verursacht haben, wäre es schwer, einen eventuellen Vorsatz | |
nachzuweisen. | |
## Reparatur dauert mindestens fünf Monate | |
Wolle man darüber spekulieren, welches mögliche Interesse Russland an einem | |
Sabotageakt haben könnte, sehe er theoretisch drei Motive, erklärte | |
Savolainen der Tageszeitung „Helsingin Sanomat“: Ein Ablenkungsmanöver der | |
Ukraine, ein Test, wie man entsprechende Leitungen beschädigen könne oder | |
ein Protest gegen Finnlands NATO-Mitgliedschaft und das Signal, dass das | |
Land damit nicht sicherer geworden sei. | |
Der staatliche finnische Pipelinebetreiber Gasgrid schätzt, dass die | |
Reparatur von Balticconnector mindestens fünf Monate in Anspruch nehmen | |
wird. Sie könne damit vermutlich nicht vor April 2024 wieder in Betrieb | |
genommen werden. | |
12 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Leck-an-Gaspipeline-Finnland-Estland/!5965952 | |
[2] https://www.hybridcoe.fi/ | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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