# taz.de -- Transitstopp für Gas: Keine Lieferung mehr gen Westen | |
> Die Ukraine will ab 2025 kein russisches Erdgas mehr weiterleiten. Das | |
> wird eine Herausforderung. Indes schaut man optimistisch auf den Winter. | |
Bild: Diesen Winter sollen Schäden schneller behoben werden: Kyiw bei Stromaus… | |
UMAN taz | Optimistisch geht die ukrainische Energiewirtschaft in den | |
Winter. Zwar wird das Energiesystem immer wieder von russischen Raketen und | |
Drohnen beschossen. Allein in der Nacht zum 1. November war eine | |
Stromleitung im Gebiet Poltawa zerstört worden, blieben 500 Haushalte für | |
mehrere Stunden ohne Strom. Ähnlich war es 3.270 Bewohnern von Sumy und | |
tausend Stromkunden im Gebiet Tschernigiw ergangen. Gleichwohl hat das | |
ukrainische Energieministerium verlauten lassen, dass man im November keine | |
Stromabschaltungen plane. | |
In diesem Winter werde man die Erfahrungen nutzen, die man [1][beim | |
russischen Beschuss des ukrainischen Energiesektors im vergangenen Jahr] | |
gemacht habe, heißt es im Energieministerium. Dort gibt es inzwischen einen | |
eigenen Krisenstab, der konkrete technische Pläne ausgearbeitet hat, wie | |
nach einem Beschuss die Stromversorgung kurzfristig wieder hergestellt, | |
Ausrüstung repariert und der technische Schutz dieser Ausrüstung verbessert | |
werden kann. Verschiedene Szenarien habe man durchgespielt, man sei also | |
auf diese Angriffe vorbereitet, heißt es dort. Besser als derartige | |
Reparaturmaßnahmen, so der Chef des staatlichen ukrainischen | |
Energiekonzerns Naftohas, Olexi Tschernyschow, sei es jedoch, wenn man den | |
Beschuss der Energieinfrastuktur überhaupt verhindern könne. Folglich müsse | |
die Luftabwehr noch verbessert werden. | |
Außerdem werde die Ukraine ab 2025 kein russisches Erdgas mehr Richtung | |
Westen durchleiten. Ende 2024 laufe der Transitvertrag mit [2][dem | |
russischen Konzern Gazprom] aus. Die Ukraine würde auch schon früher | |
aussteigen, zumal Gazprom für den Transit nicht wie vereinbart zahle, sagte | |
Tschernyschow. 1,25 Milliarden Dollar müsste Russland für diesen Transit | |
jährlich bezahlen. Wie viel Russland tatsächlich bezahlt, ist indes nicht | |
bekannt. Überhaupt führe man den Transit nur fort, so Tschernyschow, weil | |
man mit europäischen Partnern vertraglich gebunden sei. | |
Der Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine läuft trotz des | |
Moskauer Angriffskriegs gegen das Nachbarland weiter. Empfänger sind vor | |
allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) | |
umstellen können. Noch 2018 war fast die Hälfte des russischen Gasexportes | |
über die Ukraine Richtung Westen gelaufen. | |
Die Beendigung dieses Gastransfers aus Russland ist für die Ukraine nicht | |
nur eine politische und wirtschaftliche Frage. Auch technisch dürfte die | |
Abkopplung vom russischen Pipelinesystem nicht einfach sein. Mit einem | |
einfachen Abschalten und Zustöpseln der Rohre wird es wohl nicht getan | |
sein. Immer wieder hatte sich die Ukraine in der Vergangenheit beschwert, | |
dass Russland das Gas mit einem Druck anliefere, der niedriger als der | |
vertraglich vereinbarte sei. Im September 2018 beispielsweise hatte der | |
Speichersystembetreiber Ukrtransgas geklagt, Gazprom würde seit | |
Jahresbeginn das Gas nicht mit dem vertraglich vereinbarten Druck | |
anliefern. | |
## Keine Gasimporte geplant | |
In der Folge hatte der damalige Ministerpräsident Wolodimir Hrojsman | |
Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung mit Gas befürchtet. Und im Mai | |
2022 hatte der Betreiber des ukrainischen Pipelinenetzes GTS geklagt, dass | |
die russischen Besatzungstruppen in technische Abläufe des Pipelinesystems | |
eingreifen, Gas unerlaubt entnehmen und so die Stabilität des gesamten | |
ukrainischen Gastransportsystems gefährden würden. Vor diesem Hintergrund | |
stellt sich die Frage, welche technischen Folgen eine komplette Abkoppelung | |
vom russischen Pipelinesystem haben wird, wenn bereits jetzt gewisse | |
Unregelmäßigkeiten in diesem System die Stabilität des gesamten | |
ukrainischen Pipelinesystems gefährden können. | |
Und es stellt sich auch die Frage, wie Russland auf einen Ausstieg aus dem | |
[3][gemeinsamen Pipelinegeschäft] reagieren wird. In der Gaswirtschaft | |
selbst macht man sich indes keine Sorgen, wie man heil über den Winter | |
kommt. | |
Im Juli noch hatte Premier Denis Schmyhal als Ziel einen Vorrat von 14,6 | |
Milliarden Kubikmeter Gas in den unterirdischen Gasspeichern zum | |
Winterbeginn angegeben. Aktuell hat die Ukraine 16 Milliarden Kubikmeter | |
Gas gespeichert, so Tschernyschow gegenüber dem US-Auslandssender Radio | |
Liberty. Diesen Winter werde man nur selbst gefördertes Gas verbrauchen und | |
plane keine Gasimporte. | |
Insgesamt müsse man jedoch auch über diesen Winter hinaus denken und das | |
ukrainische Energiesystem langfristig modernisieren. Und da müsse man bei | |
der Energieeffizienz ansetzen. Es sei einfach nicht tragbar, dass in den | |
meisten Wohnungen die Zimmertemperaturen immer noch durch ein Öffnen der | |
Fenster reguliert würden. | |
Mitarbeit: Stanislaw Kibalnyk, Charkiw | |
2 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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