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# taz.de -- Energieversorgung in der Ukraine: Ein Land in Wintersorge
> Die Ukraine bereitet sich auf den zweiten Winter unter russischen
> Angriffen vor. Wichtig ist vor allem der Schutz der kritischen
> Infrastruktur.
Bild: Reparaturen nach russischen Beschuss an einem Stromkabel im ukrainischen …
Luzk taz | Am 10. Oktober 2022, vor bald einem Jahr, feuerte das russische
Militär 100 Raketen auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur in der
Ukraine ab. Es war der erste massive Angriff auf den Energiesektor des
Landes, Millionen von Menschen blieben ohne Strom.
Es war außerdem der Auftakt einer ganzen Reihe von Bombardierungen:
Stunden- oder tagelanger Stromausfall, Unterbrechung der Wasserversorgung,
Wohnungen ohne Heizung und schlechte Mobilfunkverbindungen wurden zum
Alltag im vergangenen Winter. Aber die Ukraine hat ihn überlebt. Doch nun
steht schon der nächste vor der Tür.
Das Energieministerium geht davon aus, dass die Ukraine [1][den Winter ohne
Stromabschaltungen und -ausfälle überstehen wird] – wenn es keine neuen
schweren Anschläge gibt. Dennoch haben sie schon Pläne für den Fall einer
schweren Beschädigung des ukrainischen Energieversorgungssystems
entwickelt. Parallel hat sich das Zentrum für Energieforschung in der
Hauptstadt Kyjiw dazu geäußert: Wenn die Temperaturen für mehrere Tage
unter minus 10, minus 15 Grad Celsius fallen, werden wohl planmäßige
Stromausfälle auftreten.
Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, arbeitet bereits an möglichen
Lösungen für den Fall, dass die westukrainische Stadt ein oder zwei Monate
lang ohne Strom auskommen muss. Der ukrainische Energieminister German
Galuschtschenko meint: „Das Ziel der russischen Armee ist ein Stromausfall
in der Ukraine.“
## Beschuss der Energieversorgung hat wieder begonnen
Bereits im September stand der Energiesektor unter starkem Beschuss:
Heizkraftwerke, Stromnetze und Stromverteiler wurden gezielt angegriffen,
iranische Kamikaze-Drohnen eingesetzt. In der Nähe der ostukrainischen
Millionenstadt Dnipro wurde beispielsweise ein Lagerhaus angegriffen und
dadurch Kabel, Transformatoren, Geräte und Materialien, die
Energietechniker für Reparaturarbeiten benötigen, zerstört.
[2][Etwa 70 Prozent der im vergangenen Winter beschädigten Anlagen wurden
im Sommer wiederhergestellt]. Nach Einschätzung einer ehemaligen Beraterin
des Energieministers, Lana Zerkal, wären die laufenden Vorbereitungen für
den Winter in der Ukraine in einem Punktesystem mit drei von fünf Punkten
zu bewerten. Vor dem russischen Angriffskrieg dauerte die Reparatursaison
für die Einrichtungen der Energieversorgung von Mai bis September. Nun, so
schätzen Experten, würden alle nötigen Reparaturen erst im Jahr 2029
abgeschlossen.
Wie viel Energie die Ukraine tatsächlich verbraucht, und wie viele Reserven
sie hat, ist nicht genau bekannt. Eine realistische Prognose über die
Funktionsfähigkeit des Energiesektors zu stellen, ist daher schwierig. Aus
Sicherheitsgründen veröffentlichen die ukrainischen Behörden keine Angaben
darüber, wie viel Leistungsfähigkeit dem Energiesektors durch die
russischen Angriffe genommen wurde.
## Mehr ukrainische Luftabwehr als im letzten Jahr
Im Vergleich zum vergangenen Winter verfügt die Ukraine heute über mehr
Luftabwehrsysteme. Dadurch solle die Raketenabwehr im Winter deutlich
besser funktionieren, so das ukrainische Militär.
Auch der Direktor der Vereinigung energieeffizienter Städte der Ukraine,
Swjatoslaw Pawljuk, ist der festen Überzeugung, dass die Stabilität des
Energiesystems in diesem Winter vor allem von einer Sache abhängen wird:
der Fähigkeit der Ukraine, ihren Himmel zu schützen.
In diesem Winter soll die Ukraine neue Verteidigungsanlagen – zum Schutz
gegen Granatsplitter, Raketen und Drohnen – einsetzen können. Dass ein
vollständiger Schutz der Energieversorgung auch dadurch nicht gewährleistet
werden kann, ist den Menschen aber bewusst. Deswegen raten die
Energieversorger, sich auf mögliche Schäden und deren Folgen vorzubereiten.
## Atomkraftwerke wieder hochgefahren
In der Zwischenzeit hat Energoatom – das Staatsunternehmen, das [3][mit dem
Betrieb aller ukrainischen Atomkraftwerke betraut] ist – sieben von ihnen
mit voller Kapazität in Betrieb genommen. Zwei weitere werden derzeit
repariert, sollen aber im Winter auch wieder zur Verfügung stehen. Der
größte Wärmekraftwerksbetreiber in der Ukraine, DTEK, plant derzeit, mit
der gleichen Stromerzeugungskapazität wie im Jahr 2022 in den Winter zu
gehen.
Ein weiteres Kernproblem ist die Höhe der Reserven: Ob die Ukraine etwa
über die erforderliche Anzahl zusätzlicher Transformatoren verfügt, um die
von der russischen Armee zerstörten zu ersetzen, bleibt unklar. Im Jahr
2022 sei die Stromversorgung dank der vorhandenen Ersatzgeräte relativ
schnell wieder aufgenommen worden, sagt die ehemalige Abgeordnete Viktorija
Vojtsitskaja. Die Reserven sind inzwischen aber aufgebraucht – und die
Regierung hat zwar Dutzende von Transformatoren bestellt, aber bisher nur
einige wenige Exemplare erhalten.
## Privathaushalte sollen vorsorgen
Die meisten Experten in der Ukraine sind jedoch überzeugt, dass es keinen
Kollaps des Energiesystems geben wird: „Der Winter wird nicht einfach sein,
aber wir werden ihn überstehen“, sagt etwa Ihor Polischtschuk,
Bürgermeister von Luzk, einer Stadt im Westen der Ukraine. Polischtschuk
rät der Bevölkerung, sich auf Haushaltsebene vorzubereiten: Glühbirnen
gegen energieeffiziente Lampen auszutauschen, Generatoren zu überprüfen und
Ladestationen zu kaufen.
Bereits im Sommer wurden in Luzk 90 Prozent der lokalen Heizkessel mit
Dieselgeneratoren versorgt – ebenso die Krankenhäuser, Pumpstationen und
Kindergärten in der Stadt. In Schulen wurden Heizungsanlagen mit Öfen und
Heizkanonen, einem mobilen Gerät zur Wärmeversorgung, gebaut. Das
Kesselhaus des städtischen Krankenhauses kann nun im Falle eines
Stromausfalls mit Festbrennstoffen, wie etwa Holz, betrieben werden.
Außerdem vertrauen die Behörden darauf, dass die Bevölkerung inzwischen
gelernt hat, einerseits Strom zu sparen und [4][andererseits unter den
Bedingungen eines großflächigen Stromausfalls zu überleben]. Die Menschen
in der Ukraine hamstern dieser Tage Kerzen, Batterien und Powerbanks. Viele
Nachbarn stellen auch ihre eigenen Versorgung sicher, indem sie etwa
Autobatterien an Wechselrichter anschließen, und so den Strom verstärken.
Sogar der Kühlschrank und andere Großgeräte könnten mit dieser Erfindung
wieder funktionieren.
Aus dem Russischen Gemma Teres Arilla
6 Oct 2023
## LINKS
[1] /Energievorraete-in-der-Ukraine/!5887592
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5889229
[3] /Eine-Analyse-von-Rebecca-Harms/!vn5942548
[4] /Kritische-Infrastruktur-in-der-Ukraine/!5891528
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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